Mit Urteil vom 22.06.2012 (10 C 140/11) hat das AG Solingen die KRAVAG Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 292,63 € zzgl. Zinsen verurteilt. Dieses Urteil ist in der Begründung inkonsequent. In einigen Bereichen nimmt es eine Schätzung nach § 287 ZPO vor (Kosten für Aufschlag auf den Normaltarif, Abzug für Ersparnis), in der Hauptsache sieht es jedoch veranlasst, ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Normaltarifs einzuholen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass im Hinblick auf die Kostenverteilung die Klage für den Geschädigten „ein Schuss in den Ofen“ war. Liebes AG Solingen: einfach vorher mal bei CH reinschauen, ist verhältnismäßig einfach, „recht“ zu sprechen …..
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat Anspruch auf weiteren Schadensersatz aufgrund des Verkehrsunfalls vom xx.xx.2010 gegen die Beklagte gemäß §§ 115 Abs. 1 VVG i. V. m. 7, 18 StVG, 249 ff. BGB. Mit der vorprozessual erfolgten Zahlung von 869,00 € ist dem Kläger nicht der sämtliche entstandene Schaden ersetzt worden.
Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch auf die Erstattung der vollen von ihm mit dieser Klage geltend gemachten Hauptforderung über 836,49 €, da die die darin enthaltenen Mietwagen kosten im Einzelnen nicht in vollem Umfange erforderlich waren.
Hinsichtlich der Anmietkosten für das Ersatzfahrzeug, von dem der Kläger in der vorliegenden Klage ausgeht, wird zunächst auf die Berechnung auf Seite 5 der Klage-schrift, Bl. 5 der Akte, Bezug genommen. Der Kläger geht darin zunächst von Anmietkosten in Höhe von 1.705,49 € aus. In dieser Höhe sind die Mietwagenkosten jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überhöht, denn erstattungsfähig sind Mietwagenkosten lediglich in Höhe von insgesamt 1.161,63 €.
Der Kläger geht zunächst von einem Grundmietpreis für die Anmietung des Ersatzfahr-zeuges von 902,90 € bei einer Mietdauer von 16 Tagen aus. Nach dem Ergebnis Beweisaufnahme ist jedoch ein Grundmietpreis in dieser Höhe nicht als ortsüblich und angemessen auszugehen.
Zwar macht der Kläger zu Recht Schadensersatz wegen der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer von 16 Tagen geltend. Denn soweit die Beklagte bestritten hat, dass eine Anmietung für diese Dauer nicht erforderlich war, so hat sie dieses Bestreiten damit begründet, dass das Sachverständigengutachten erst am xx.xx.2010 erstellt worden sei. Doch hat der Kläger keinen Einfluss darauf, wann das Gutachten nach Besichtigung des Fahrzeuges erstellt wird. Grundsätzlich hat der Schädiger das Risiko für eine Verzögerung der Erstellung des Gutachtens zu tragen, und nicht der Geschädigte. Anders wäre es nur dann, wenn der Kläger durch sein Verhalten oder durch die Auswahl des Sachverständigen zu der verzögerten Gutachtenerstellung beigetragen hätte. Dies ist jedoch vorliegend nicht ersichtlich.
Jedoch ist der Grundmietpreis, von dem der Kläger ausgeht, der Höhe nach nicht berechtigt. Der Sachverständige A. hat insofern in seinem Ergänzungsgutachten vom xx.xx.2012, Bl. 141 ff. der Akte, ausgeführt, dass in der Region des Anmietortes D., in der er zutreffend mangels einer zur vergleichbaren Bewertung vorhandener Mietwagenanbieter auch die Region Düsseldorf in seine Begutachtung einbezogen hat, bei einer Fahrzeuganmietung von 16 Tagen eine Mietgebühr inklusive freier Kilometer zwischen 576,00 € und 1.036,00 € anfällt. Der sich hieraus ergebende Mittelwert beträgt 806,00 €. Dieser ist daher als ortsüblich und angemessen als Grundmietpreis zugrunde zu legen, der vom Kläger angesetzte Betrag entsprechend zu reduzieren.
Der Kläger macht dem Grunde nach zu Recht die Erstattung angefallener Kosten für eine im Mietvertrag vereinbarte Haftungsbefreiung geltend. Denn die Kosten einer für ein Ersatzfahrzeug abgeschlossenen Vollkaskoversicherung sind auch dann erstattungsfähig, wenn für das eigene beschädigte Fahrzeug keine Vollkaskoversicherung bestand (vgl. insoweit BGH, juris VI ZR 74/04, Urteil vom 15.02.2005, Rn. 11; LG Nürnberg-Fürth, juris, 2 S 185/11, Urteil vom 29.09.2011). Denn insoweit kommt eine Erstattung in Betracht, wenn der Mieter des Ersatzfahrzeugs während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war. Dies ist vorliegend zu bejahen, denn zum einen handelte es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nicht mehr um ein neuwertiges Fahrzeug. Zum anderen hat ein Eigentümer eines Fahrzeuges bei einer Beschädigung die Entscheidungsbefugnis, ob er einen Schaden beseitigen läßt oder ihm eine Beseitigung unwirtschaftlich erscheint. Diese Entscheidungsbefugnis hat der Kläger hinsichtlich des angemieteten Fahrzeuges gerade nicht, er kann die bei einer Beschädigung des Mietfahrzeuges entstehenden Kosten nicht selbst kontrollieren und Kosten ggf. vermeiden. Er ist vielmehr zwingend zum Schadensersatz verpflichtet. Daher besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, eine vollständige Haftungsfreistellung mietvertraglich zu vereinbaren (vgl. insoweit auch BGH, juris, VI ZR 9/05, Urteil vom 25.10.2005).
Der Sachverständige A. hat in seinem Ergänzungsgutachten aufgeführt, dass eine optionelle Haftungsreduzierung auf ein 0,00 €-Selbstbeteiligung im Schadensfalle im hier relevanten Anmietgebiet nur von der Firmen SIXT und HERTZ angeboten werden. Bei der Auflistung der entsprechenden Angebote, vgl. Anlage zum Ergänzungsgutachten, Bl. 147 der Akte, ist ersichtlich, dass sich der vereinbarte Ausschluss der Selbstbeteiligung auf die Grundmietgebühr auswirkt: Bei der Firma HERTZ Autovermietung erhöht sich die Grundgebühr inkl. km durch den Ausschluss der Selbstbeteiligung von 576,00 € auf 810,00 €. Die Firma SIXT Autovermietung liegt mit der Grundgebühr von 1.036,00 € bei vereinbartem Selbstbeteiligungsausschluss an der Spitze der vom Sachverständigen angegebenen Vergleichspreise.
Vergleicht man nun diese erhöhten Grundmietpreise mit denjenigen, bei denen eine Selbstbeteiligung von 0,00 € nicht vereinbart wurde, sondern eine Selbstbeteiligung von 800,00 € bis 1.000,00 € anfällt, so ergibt sich der regional ortsübliche und angemessene Preis für die Haftungsbefreiung. Die Mietgrundgebühr ohne Ausschluss der Selbstbeteiligung beträgt im Mittel 654,50 €; die Mietgrundgebühr bei einer vollständigen Haftungsbefreiung liegt im Mittel bei 923,00 €. Hieraus ergibt sich, dass für die Haftungsbefreiung ein Betrag von 268,50 € ortsüblich und angemessen ist. Auch insoweit ist der vom Kläger angesetzte Betrag zu reduzieren.
Grundsätzlich kann der Tatrichter gemäß § 287 ZPO bei Berücksichtigung eines Vollkaskozuschlags Abzüge unter dem Gesichtspunkt eines Vorteilsausgleichs vornehmen (vgl. insoweit BGH, juris, VI ZR 74/04, Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Vorteilsausgleich zu erfolgen hat, sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich.
Der Kläger kann dem Grunde nach auch zu Recht die Zusatzkosten für die zusätzliche Nutzung des Mietfahrzeugs durch einen zweiten Fahrer ersetzt verlangen, denn er hat substantiiert dargelegt, dass das beschädigte Fahrzeug sowohl von ihm selbst als auch von seinem Vater genutzt wird. Während der Mietzeit braucht der Geschädigte insoweit keine Einschränkungen hinzunehmen, so dass es nicht gegen die Schadensminderungspflicht des Klägers verstieß, die zusätzliche Nutzung durch einen zweiten Fahrer zu vereinbaren. Der Sachverständige A. hat insoweit ermittelt dass im Anmietgebiet teilweise keine zusätzlichen Kosten bei Nutzung durch einen zweiten Fahrer anfallen. Dies ist aber nicht durchgängig der Fall. Der Kläger braucht sich als Geschädigter nicht an eine Autovermietung verweisen zu lassen, die die zusätzliche Nutzung durch einen zweiten Fahrer kostenneutral anbietet, sondern auch hier ist zur Ermittlung der Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Mittelwert zugrunde zu legen. Dieser ergibt sich bei anfallenden Beträgen zwischen 0,00 € und 110,00 € ( = 47,00 € pro Woche und 8,00 € pro Einzeltag bei der Firma HERTZ Autovermietung als diesbezüglich teuerster Anbieter) einen Mittelbetrag von 55,00 €. Dieser Betrag kann vom Kläger für diese Position ersetzt verlangen; soweit er einen Betrag von 192,00 € ansetzte, ist dies übersetzt und entsprechend zu reduzieren.
Kosten für die Zustellung und die Abholung des Fahrzeuges kann der Kläger nicht ersetzt verlangen. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, warum diese tatsächlich erforderlich waren. Es hätte dem Kläger freigestanden, sich an eine Autovermietung zu wenden, die das Fahrzeug nicht erst von K. hätte nach D. zustellen lassen müssen, und es später wieder nach dorthin zurückführen müssen.
Zudem kann der Kläger einen Aufschlag auf den von vom Sachverständigen ermittelten „Normaltarif“ verlangen. Denn auch wenn der Kläger erst drei Tage nach dem Unfall das Fahrzeug anmietete, so geschah die Anmietung doch im Rahmen der Unfallabwicklung. Geschieht die Anmietung aber im Rahmen einer Unfallabwicklung, so werden dem Mieter in der Regel Mehrleistungen zuteil, die einen Aufschlag auf den grundsätzlich anfallenden Tarif rechtfertigen. Denn die vom Autovermieter erbrachten Leistungen sind durch die besondere Unfallsituation veranlasst und insoweit zur Schadensbehebung nach § 249 BGB auch erforderlich. Zu diesen Leistungen gehört, für eine effektive Unfallabwicklung grundsätzlich sämtliche Fahrzeugkategorien vorhalten zu müssen, auch solche, die nur selten nachgefragt werden. Außerdem tragen die Autovermieter insoweit ein erhebliches Liquiditäts- und Zinsrisiko, da die Mietwagenforderungen von den Versicherern häufig nicht wie sonst bei einer „üblichen“ Anmietung innerhalb kurzer Zeit reguliert werden, sondern nur mit erheblichen Verzögerungen. Zudem ist häufig auch die Mietdauer unbestimmt, so dass der Vermieter nicht weiß, wann er über das Fahrzeug wieder deponieren kann. Diese Faktoren werden regelmäßig bei der Kalkulation sog. „Unfallersatztarife“ berücksichtigt. Der Kläger war als Unfallgeschädigter auch berechtigt, diese Mehrleistungen in Anspruch nehmen. Daher war ihm ein „Normaltarif“ ohne Aufschlag nicht zugänglich. Der Sachverständige A. hat insoweit in seinem Gutachten vom xx.xx.2011 ausgeführt dass ein solcher Aufschlag dann nicht berechnet werde, wenn es sich um einen Mietwagen im Unfallersatz handele. Dies trifft zu, berücksichtigt jedoch nicht, dass der Kläger vorliegend zunächst nur vom „Normaltarif“ und nicht vom „Unfallersatztarif“ ausgegangen ist. Ein prozentualer Aufschlag auf diesen „Normaltarif“ ist vorzunehmen. Diesen setzt das Gericht gemäß § 287 ZPO mit 20 % des Grundmietpreises fest (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg, 1 U 1878/08, Urteil vom 10.02.2009; LG Dortmund, 11 S 78/09, Urteil vom 05.11.2009; LG Köln, 9 S 184/09, Urteil vom 18.112009). Geht man von dem hier ermittelten ortsüblichen und angemessenen Grundmietpreis von 806,00 € aus, so bedeutet dies einen prozentualen Aufschlag von 161,20 €. Soweit sich in der Berechnung des Klägers ein prozentualer Aufschlag von 180,58 € ergibt, so ist dieser entsprechend zu reduzieren.
In der Summe ergibt sich aus dem Vorgenannten ein Betrag von 1.290,70 €.
Hiervon sind jedoch ersparte Eigenaufwendungen des Kläger abzuziehen. Denn der Kläger hätte in der Zeit, in der er das Mietfahrzeug nutzte, Investitionen in sein eigenes Fahrzeug tätigen müssen, um dieses zu nutzen. Diese werden vom Gericht für die Dauer von 16 Tagen in einer Höhe von 10 % des vorgenannten Betrages geschätzt.
Von den 1.290,70 € ist daher ein Betrag in Höhe von 129,07 € abzuziehen.
Es verbleibt der bereits eingangs genannte Betrag in Höhe von 1.161,63 €. Von diesem Betrag hat die Beklagte vorprozessual bereits 369,00 € gezahlt, die wiederum hiervon abzuziehen sind.
Sodann verbleibt der im Tenor ersichtliche Betrag auf die Hauptforderung.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG Solingen.