Mit Datum vom 16.06.2011 (4 C 48/11) hat das Amtsgericht Mönchengladbach die VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 276,52 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht zur Schätzung der Höhe des Normaltarifs die Schwacke-Liste heran und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin ist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Mietwagenkosten gem. § 398 BGB aktivlegitimiert.
Insbesondere ist die Abtretung nicht gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam. Danach ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen zwar einem bestimmten Kreis von Personen vorbehalten, dem die Klägerin nicht angehört. Allerdings erbringt die Klägerin auch keine Dienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG. Denn es handelt sich nicht um eine „Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten“.
Dies folgt aus der anzustellenden Gesamtbetrachtung: Bei der Frage, ob die „Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist (… ) auf die gesamten dieser zu Grunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen“ (LG Mönchengladbach, Urteil vom 13. Januar 2009, 5 S 81/08 = juris Rz 11). „Geht es dem Mietwagenunternehmen im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit.“ (LG Mönchengladbach, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Die Abtretung ist der Höhe nach begrenzt auf die Mietwagenkosten. Die Beklagte ist von der Klägerin jeweils vor der Klageerhebung gemahnt worden.
Die Beklagte haftet aus § 115 VVG als Versicherer des Pkws des Unfallgegners unmittelbar in demselben Umfang wie ihr Versicherungsnehmer, den unstreitig die alleinige Verantwortlichkeit am jeweils streitgegenständlichen Unfall traf und der damit nach §§ 7, 17 StVG vollumfänglich für die Unfallfolgen aufzukommen hat.
Maßgeblich für die Höhe des ersatzfähigen Schadens sind die §§ 249ff. BGB. Die Klägerin kann danach gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig halten darf. Der Geschädigte hat dabei – wie stets – im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot). Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet das, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet damit der am Markt übliche Normaltarif (BGH, Urteil vom 14 Oktober 2008, VI ZR 308/07 = NJW 2009, 58, LG Mönchengladbach, Urteil vom 20. Januar 2009, 5 S 110/08).
Hierbei ist es grundsätzlich zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gem. § 287 ZPO auf das gewichtete Mittel / den Modus der Schwacke-Liste zurückzugreifen (Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 6. August 2010, 5 S 14/10 m.w.N.). Wenn ein solcher Modus in der Liste für das einschlägige Postleitzahlengebiet und die einschlägige Fahrzeugklasse nicht genannt ist, kann auf das arithmetische Mittel zurückgegriffen werden. Ein Sachverständigengutachten ist zu der Frage des Normaltarifmarktes zum Anmietzeitpunkt nicht einzuholen, da dieser tagesaktuell durch einen Sachverständigen nicht mehr rekonstruiert werden kann.
Die Eignung der Schwackeliste als Schätzungsgrundlage bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Scnätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Die Beklagte hat danach keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, die der Anwendung der Schwacke-Liste entgegenstünden.
Die Differenzen zwischen Schwacke-Liste und der Erhebung des Fraunhofer-Instituts stellen für sich genommen die Geeignetheit der Schwacke-Liste nicht in Frage. Die Listen basieren auf unterschiedlichen Methoden. Die Fraunhofer-Erhebung ist dabei nicht besser als die Schwacke-Liste. Sie hat selbst erhebliche Nachteile. Die Erhebung beschränkt sich auf zweistellige Postleitzahlgebiete. Die Datenerhebung beruht auf einer Anmietung mit Vorbuchungsfrist von einer Woche, was nicht die typische Anmietsituation nach einem Verkehrsunfall wiederspiegelt. Abweichende Zahlen nach Fraunhofer können daher die Anwendung der Schwacke-Liste nicht in Frage stellen (vgl. LG Mönchengladbach, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste 2009 als Schätzgrundlage ergeben sich die tenorierten Beträge als ersatzfähige restliche Mietwagenkosten. Maßgeblich bei der Anwendung der Schwacke-Liste ist in den zu entscheidenden Fällen das PLZ-Gebiet 410xx, weil dort der Ersatzwagen jeweils zugestellt wurde. Der Unfallwagen ist der Fahrzeugklasse 6 zuzuordnen.
Nach der Schwacke-Liste 2009 sind ein Drei-Tages- und zwei Tagespauschalen auf einen Pkw der Fahrzeuggruppe 6 zugrundezulegen. Ein pauschaler Aufschlag von 20% auf den Normaltarif (nicht auf die Zusatzkosten) (vor Abzug etwaiger ersparter Eigenaufwendungen) ist gerechtfertigt. Der pauschale Aufschlag soll Besonderheiten des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zum Normalgeschäft angemessen berücksichtigen. Auf die konkrete Anmietsituation kommt es dabei nicht an. Sinn der pauschalen Abgeltung ist gerade, die typischerweise zu erwartenden Mehraufwendungen abzugelten. Dementsprechend fällt er an, wenn sich der Geschädigte in einer unfalltypischen Anmietsituation befand. Der Aufschlag ist aber auch dann gerechtfertigt, wenn die Anmietung nicht unmittelbar nach dem Unfall erfolgt. Auch dann ist der Unfallgeschädigt nämlich in einer anderen Situation als „freiwillig“ ein Fahrzeug Anmietende. Diese können erheblich weiträumiger planen und kennen in aller Regel anders als der auf die Fertigstellung der Reparatur Wartende den Zeitpunkt der möglichen Rückgabe des Fahrzeuges (vgl. LG Köln, Urteil vom 19. November 2008, 9 S 171/08, NRWE, dort Rz. 14 m.w.N.).
Die Kosten der Haftungsbefreiung und der Winterreifen sind dem Grunde nach ersatzfähig. Der Höhe nach können sie gemäß der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste 2007 geschätzt werden. Zurückzugreifen ist jeweils auf den Modus. Dass der angemietete Wagen über Winterreifen verfügte, hat die Beweisaufnahme ergeben.
Der Zeuge hat bezogen auf den Anmietungszeitraum eine 99%-ige Wahrscheinlichkeit für die Ausstattung mit Winterreifen genannt. Dies deckt sich mit der Bekundung der Zeugin die die Zusatzleistung als genannt erinnerte.
Der Anspruch ist nicht gem. § 254 Abs. 2 BGB zu kürzen. Ein bei der Schadensbehebung mitwirkendes Mitverschulden des Geschädigten hätte die Beklagte darlegen und beweisen müssen. Das hat sie nicht getan. Insbesondere datiert das vorgelegte Alternativangebot der Firma Sixt (Blatt 53 GA) nicht vom Tage der Anmietung des Fahrzeuges. So ist nicht klar, ob eine zumutbare Möglichkeit bestand, diese Angebote im Unfallmonat anzunehmen Auch das Angebot, das von Beklagtenseite der Kundin geworden sein soll, wird nicht konkret wiedergegeben. So ist nicht klar, ob es hinreichend bestimmt war. Denn der Verweis einer Versicherung auf eine günstigere Anmietmöglicbkeit muss ein Mindestmaß, an Substantiierung aufweisen.
1 x Drei-Tage-Pauschale 274,36 €
1 x Tagespauschale 99,81 €
+ 20% Aufschlag 74,83 €
+ 1 x Drei Tage Haftungsbefreiung 68,13 €
+ 1 x Tag Haftungsbefreiung 22,95 €
+ Zustellung/Abholung 48,92 €
+ 4 x Winterreifen Tag á 12,32 € = 49,28 €
. 638,28 €
Der Betrag übersteigt damit die tatsächlich abgerechneten Mietwagenkosten von 629,00 €. Die Beklagte hat auf die Mietwagenkosten bereits 361,76 € gezahlt. Danach sind noch 276,52 € ersatzfähig.
Die zugesprochenen Zinsen folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, nicht aus §§ 288, 286 Abs. 3 BGB, denn wann die Rechnung zugegangen sein soll, ist nicht vorgetragen. Die Anwaltskosten sind nach §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 4 BGB ersatzfähig. Ob abgerechnet wurde oder nicht, ist unerheblich, weil der Anspruch gem. § 8 RVG bereits mit der Tätigkeit entsteht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG Mönchengladbach.
Hallo Babelfisch,
ich sags ja: der Niederhein ist fest in Schwacke-Hand. Vom LG Bonn über LG Köln, LG Mönchengladbach, jetzt auch AG Mönchengladbach. Da ist ein massiver Brückenkopf gegen Fraunhofer gebildet worden. Wenn man überlegt, dass der zweistellige Postleitzahlbereich von Duisburg von dem dichtbesiedelten Ruhrgebiet bis ins ländliche Gebiet an der niederländischen Grenze bei Straelen/ Venlo reicht, dann leuchtet auch ein, warum Fraunhofer nicht sinnvoll ist.
Mit freundlichen koll. Grüßen
Willi Wacker
Hi Babelfisch!
Der Amtsrichter der 4. Zivilabteilung des AG Mönchengladbach hat zutreffend herausgearbeitet, warum der Schwacke-Liste bei der Bemessung der erforderlichen Mietwagenkosten der Vorzug vor der Fraunhofer-Erhebung zu geben ist. Eine Vorbuchzeit ist bei einer spontanen Unfallersatzanmietung schon von sich heraus nicht sinnvoll. Preise, die auf einer Vorbuchzeit beruhen, können gar nicht Vergleichsbasis für die erforderlichen Kosten für einen Mietwagen sein, der unmittelbar nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall angemietet werden muss. Wer weiß schon im Voraus, wann er einen Unfall hat? Eigentlich keiner! Außer er kann auch über Wasser gehen.
Hallo Willi Wacker,
in Mönchengladbach ist die Messe leider noch nicht komplett gelesen.
Sie z.B. die Urteile der 3. Zivilabteilung.
Die „Unfallersatztarife“ der Autovermieter sind nichts anderes als Abzocke gegenüber den Versicherungen. Frag mich schon lange, warum sich Gerichte damit in epischer Breite auseinandersetzen. Abzocke ist das, nichts Anderes.
@ Jurist
Da ist was Wahres dran…
@Jurist
sie vergessen,herr Kollege,dass der BGH diese Abrechnungspraxis 1996 nach jahrelangen zivilprozessualen Auseinandersetzungen gebilligt hat.
Ich empfehle seit nun über zehn Jahren die kilometergenaue Abrechnung der Mietwagennutzung.
Die Versicherer wollen das nicht,weil ihnen das alle Einwände gegen die Höhe der Mietwagenkosten rauben würde,
die Mietwagenunternehmer wollen das nicht,weil ihnen der Aufwand zu gross erscheint.
@ schepers
nein,wirklich toller Beitrag,und so informativ.
Herr Kollege,jetzt übertreffen sich aber selbst!
willmehrdavon!
Hallo Jurist,
aber die von den Versicherern „genehmigten“ Preise sind das Maß der Dinge?
Da gibt es angeblich Fahrzeuge unter den Vorhaltekosten. Aber nur bei wenigen. Und nur als Sonderpreis für einen von diesem Versicherer zu zahlenden Schaden.
Und was sagte ein leitender Sixt-Angestellter mal zu mir: „Wir können im Unfallgeschäft auch unter Wert vermieten, denn das macht nur 3% aus.“
Das sagt eigentlich alles…
Viele Grüße
Andreas
Hallo Rüdiger,
selbst wenn die Messe in Mönchengladbach noch nicht vollständig gelesen ist, so beweist doch das AG Viersen im Nachbarkreis, dass der Niederrhein doch zumindest überwiegend in Schwacke-Hand ist. Das AG Viersen hat mit Urteil vom 22.6.2012 Schwacke bestätigt. Das Urteil wurde am 2.10.2012 von Babelfisch hier im Blog eingestellt.
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker