Mit Datum vom 08.04.2011 (2 S 68/06) hat das LG Erfurt auf die Berufung der beklagten Versicherung das Urteil des AG Sömmerda vom 15.02.2006 (2 C 387/05) zu deren Gunsten geändert. Dennoch durfte die Versicherung nachzahlen. Die Anwendung der Schwacke-Liste wurde bestätigt. Leider wurde an der Zuerkennung von beispielsweise Zustellungskosten gemäkelt, was manchmal zur Überlegung führt, den Herren oder Damen Richter mal einen Verkehrsunfall mit Erfordernis einer Anmietung eines Ersatzfahrzeuges an den Hals zu wünschen ….
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 15.02.2006, Az: 2 C 387/05, ist gem. den §§ 517 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zum Teil Erfolg.
Die Klägerin hat – über den von der Beklagten vorprozessual bereits erstatteten Betrag von 891,00 EUR hinaus – gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht aus dem streitgegenständlichen Mietverhältnis vom. 17.12.2004 (noch)einen Zahlungsanspruch in Höhe von 407,27 EUR, §§ 398, 823 Abs. 1, 249 BGB, 7 Abs. 1 StVG.
Zu Recht hat die Berufung die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit angegriffen, als diese der Klägerin hiervon abweichend einen Betrag in Höhe von 1.130,45 EUR – Differenz zwischen dem von der Beklagten vorprozessual erstatteten Betrag von 891,00 EUR und dem um 17,5 % Eigenersparnis reduzierten Rechnungsbetrag von 2418,60 EUR, d.h. einen Betrag in Höhe von 2.021,45 EUR – als erforderliche Mietwagenkosten zugesprochen hat.
Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig erachten darf (vgl. BGH VersR 2008, 1706 m.w.N.).
Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren, auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht schon allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem sogenannten „Unfallersatztarif“ anmietet, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen o.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in Folge dessen zur Schadensbehebung erforderlich sind (vgl. BGH NJW2007, 516 m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des BGH kann jedoch die Frage, ob ein Unfallersatztarif auf Grund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. BGB ist, dann offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif“ nach den konkreten Umständen zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre,(vgl. BGH,Urteile vom 13.06.2006, Az: VI ZR 161/05; vom 04.07.2006, AZ: VI ZR 237/05; vom 12.06.2007, Az: VI ZR 161/06; vom 26.06.2007, Az: VI ZR 163/06 und vom 24.06.2008, Az: VI ZR 234/07). Es ist dabei Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstiger Tarif zugänglich war. Unterlässt der Geschädigte die Nachfrage nach günstigeren Tarifen, geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteile vom 19.04.2005, Az: VI ZR 37/04; vom 09.10.2007, Az: VI ZR 27/07 und vom 11.03.2008, Az: VI ZR 164/07).
Einen solchen Nachweis hat die Klägerin (für den Geschädigten) vorliegend nicht geführt. Angesichts der Höhe der von der Klägerin abgerechneten Tagessätze (175 bzw. 160,00 EUR), die den ortsüblichen Normaltarif der, wie er noch aufgezeigt wird, als Tagessatz bei 112,00 EUR liegt – erheblich übersteigen, musste der Geschädigte als vernünftig und wirtschaftlich denkender Geschädigter Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben, die sich aus dessen Höhe sowie der kontroversen Diskussion in der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 19.04.2005, Az: VI ZR 37/04; 14.02.2006, Az: VI ZR 126/05 und 09.05.2006, Az: VI ZR 117/05).
Der Geschädigte war insoweit grundsätzlich zur Nachfrage nach günstigeren Tarifen verpflichtet (vgl. BGH, a.a.O.).
Dass eine solche Nachfrage durch den Geschädigten erfolgte und diese zu dem ergebnislos verlief, hat die Klägerin nicht dargetan.
Die Frage derErforderlichkeit des Unfallersatztarifs kann nach der Rechtsprechung auch dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so dass ihm die kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte, was vom Schädiger zu beweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, Az: VI ZR 139/08, m.w.N.).
Einen solchen Nachweis hat die Beklagte (für den Schädiger) vorliegend allein durch ihren Verweis auf diverse (kostengünstigere) Internet-Angebote nicht geführt, da insoweit bereits nicht erwiesen ist, dass dem Geschädigten diese Informationsquelle zum Anmietzeitpunkt zur Verfügung standen.
Danach kann die Frage der Erforderlichkeit der von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten, die über dem sogenannten „Normaltarif“ liegen, im Streitfall nicht offen bleiben.
Mit der sich in der Rechtsprechung herausgebildeten Auffassung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az: VI ZR 234/07; OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az: 19 U 181/06; LG Dortmund, Urteil vom 14.06.2007, Az: 2 S 114/06) geht im Hinblick auf die Frage der Erforderlichkeit auch das erkennende Berufungsgericht davon aus, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen u.a. wegen vermehrter Beratungs-und Serviceleistungen, erhöhtem Verwaltungsaufwand durch Unfallaufnahme und Fahrzeugvorhaltung, Zinsverlusten auf Grund längerer Zahlungsfristen gerechtfertigt und geboten ist. Das Berufungsgericht folgt insoweit zudem der in der Rechtsprechung nunmehr überwiegend vertretenden Auffassung, dass im Interesse einer vereinheitlichten und erleichterten Schadensabwicklung ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif unabhängig davon vorzunehmen ist, in welchem Umfang im konkreten Fall bedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden.
Zur Bestimmung eines solchen Aufschlags hat sich das Berufungsgericht in zurückliegender Zeit in mehreren Verfahren sachverständiger Hilfe durch die Einholung von Gutachten der Fa. X bedient. Im Ergebnis der gutachterlichen Feststellungen geht die Kammer davon aus, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 30% sachgerecht ist.
Das Berufungsgericht hat den ortsüblichen Normaltarif im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund, dass sich der Unfall im Jahr 2004 ereignet hat, unter Bezugnahme auf den Schwacke-Automietpreisspiegel 2003 bestimmt. Dieser Mietpreisspiegel stellt grundsätzlich ein hierfür geeigneten Anknüpfungspunkt dar (vgl. BGH NJW 2006, 2693).
Danach ergibt sich unter Zugrundelegung des PLZ-Gebiets 996… bezüglich der angemieteten Fahrzeuggruppe 6 für eine Mietzeit von insgesamt 11 Tagen unter Zugrundelegung von einem Wochentarif á 525,00 EUR, einem 3-Tagestarif á 294,00 EUR und einem Tagestarif á 122,00 EUR (zunächst) ein Betrag in Höhe von 931,00 EUR.
Von diesem Betrag, sind 10-% in Abzug zu bringen, da durch den Geschädigten ein klassengleiches Fahrzeug angemietet wurde.
Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 837,90 EUR als sogenannter „Normaltarif“ ohne Nebenkosten.
Unter Hinzurechnung des Aufschlags von 30% ergibt dies einen Betrag in Höhe von 1.089,27 EUR.
Beanstandungsfrei hat das Amtsgericht seiner Entscheidung eine Anmietdauer von 11 Tagen zugrunde gelegt, da sich das Unfallfahrzeug für diesen Zeitraum tatsächlich in Reparatur befand und daher vom Geschädigten nicht genutzt werden konnte. Eine Verletzung von Schadensminderungspflichten seitens des Geschädigten konnte die Beklagte – im Hinblick auf die im Gutachten mit 5 bis 6 Werktagen kürzer veranlagte Reparaturdauer – vor dem Hintergrund der in die Reparaturzeit fallenden (arbeitsfreien) Weihnachtsfeiertage nicht begründen.
Darüber hinaus sind zugunsten der Klägerin angefallene Nebenkosten zu berücksichtigen, die nach dem Schwacke-Automietpreis-spiegel 2003 neben dem „Normaltarif“ grundsätzlich erstattungsfähig sind.
Das sind im vorliegenden Fall die Kosten für die Haftungsbeschränkung in Höhe von 209,00 EUR (ein Wochentarif á 133,00 EUR, ein 3-Tagetarif á 57,00 EUR und ein Tagestarif á 19,00 EUR).
Nicht zu berücksichtigen waren demgegenüber die von der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens behaupteten weiteren Nebenkosten für Zustellung/Abholung, Mehrkilometer und Winterreifen, da diese Nebenkosten als solche nicht im Rahmen des Mietverhältnisses vom 17.12.2004 zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart worden sind.
In der Summe ergibt dies einen Betrag in Höhe von 1.298,27 EUR (1.089,27 EUR+ 209,00 EUR).
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch die Beklagte vorprozessual bereits ein Betrag in Höhe von 891,00 EUR auf die Mietkosten gezahlt wurde, ergibt dies einen noch offenen Betrag in Höhe von 407,27 EUR (1.298,27 EUR – 891,00 EUR).
In diesem Umfang war die amtsgerichtliche Entscheidung auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die weitergehende Klage abzuweisen. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Soweit das LG Erfurt.