AG Düsseldorf entscheidet zur fiktiven Schadensabrechnung mit deutlicher Kritik an der BGH-Rechtsprechung zur Verweisung mit interessantem Urteil vom 27.9.2012 – 50 C 14005/11 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachdem zu dem von mir bekanntgegebenen Urteil des AG Halle / Saale bereits Kommentierungen mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH erfolgten, gebe ich Euch hier und heute ein Urteil zur fiktiven Abrechnung aus Düsseldorf mit deutlicher Kritik an der BGH-Rechtsprechung bekannt. Der Amtsrichter der 50. Zivilabteilung des AG Düsseldorf hat mit dem Urteil vom 27.9.2012 – 50 C 140005/11 – unverhohlen Kritik hinsichtlich der Rechtsprechung des VI. Zivilsenates zur Verweisungsmöglichkeit auf eine preisgünstigere Werkstatt geübt. Dabei sind die aufgeführten Argumente nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Auch so kann der besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO die Höhe des eingetretenen Schadens schätzen. Der als „Gutachten“ bezeichneten Prüfbericht der Firma Conrol-Expert war für das Gericht reine Makulatur. Das Gericht hat den Prüfbericht ignoriert und die dort angegebenen Preise als für den Geschädigten nicht maßgeblich bezeichnet. Insgesamt also ein besonders interessantes Urteil, das keineswegs als aussichtloser Kampf gegen BGH-Flügel  angesehen werden kann. Lest aber bitte selbst und gebt Eure vielzähligen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker 

Verkündet am: 27.09.2012
50 C 14005/11

AMTSGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Klägers,

gegen

1. die Firma …

2. Herrn …

Beklagten,

3. die AXA Versicherung AG, v.d.d. Vorstand, Colonia-Allee 10-20, 51067 Köln,

Streithelferin der Beklagten zu 1.,

hat das Amtsgericht Düsseldorf
ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren
gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 20. August 2012
durch den Richter am Amtsgericht …

für  R e c h t  erkannt:

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 486,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2011 zu zahlen

und den Kläger von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 316,18 € an Rechtsanwalt … .

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 70,7 % und der Beklagte zu 2) zu 29,3 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der ehemaligen Beklagten zu 1) und der Streithelferin der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) haben der Kläger zu 41,3 % und der Beklagte zu 2) zu 58,7 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO wird die Berufung zugelassen.

T a t b e s t a n d:

Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 10.10.2011 geltend, für den der Beklagte zu 2) als Halter und die Streithelferin der ehemaligen Beklagten zu 1) als eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherer dem Grunde nach haften.

Bei dem Unfall wurde der Pkw BMW (…) des Klägers beschädigt. Der Kläger holte ein Gutachten des Sachverständigen … vom 11.10.2011 (Blatt 5 Gerichtsakten) ein, das mit Nettoreparaturkosten von 2.220,16 € abschloss.

Die Streithelferin der ehemaligen Beklagten zu 1) leistete auf den Kfz-Schaden lediglich einen Betrag von 1.733,63 €. Wegen des verbleibenden Differenzbetrages berief sie sich auf ein Prüfungsgutachten der Firma Control€xpert GmbH vom 25.10.2011 (Blatt 58 Gerichtsakten), das auf den Stundensätzen einer Firma … basierte, auf die der Kläger verwiesen wurde.

Der Kläger macht geltend, er könne auch den nicht regulierten Betrag für den entstandenen Kfz-Schaden erstattet verlangen, da sich der Gesamtschaden entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen … auf Grundlage der Stundensätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt berechne.

Nachdem der Kläger die Klage zunächst gegen die ehemalige Beklagte zu 1) gerichtet hat, hat er mit Schriftsatz vom 29.05.2012 die Klage nunmehr gegen den Beklagten zu 2) erhoben.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu 2) zu verurteilen,

1.
an ihn 828,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2011 zuzahlen;

2.
den Kläger von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 359,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (26.06.2012) an Rechtsanwalt … .

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, der zu erstattende Schaden berechne sich nach dem Prüfungsgutachten der Control€xpert GmbH. Der Kläger sei zulässigerweise auf eine Reparaturmöglichkeit durch die Firma … verwiesen worden, die die Reparatur kostengünstiger durchführe bei gleichem Qualitätsstandard wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt.

Mit Schriftsatz vom 30.09.2011 ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der ehemaligen Beklagten zu 1) als Nebenintervenientin beigetreten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Parteien in deren wechselseitigen Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Durchgreifende Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Soweit der Kläger den Beklagten zu 2) anstelle der Beklagten zu 1) in Anspruch nimmt, liegt eine zulässige Klageänderung vor. Dies folgt nicht nur daraus, dass die Klageänderung als sachdienlich anzusehen ist, weil durch sie ein neuer Prozess vermieden wird, sondern dies ergibt sich auch aus § 267 ZPO, da sich der Beklagte zu 2) auf die geänderte Klage eingelassen hat, ohne ihr zu widersprechen.

Solange die ehemalige Beklagte zu 1) in Anspruch genommen worden ist, hat auch eine zulässige Nebenintervention im Sinne des § 66 ZPO vorgelegen, soweit die Streithelferin mit Schriftsatz vom 30.09.2011 dem Rechtsstreit auf Seiten der ehemaligen Beklagten zu 1) beigetreten ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die Streithelferin der ehemaligen Beklagten zu 1) ein Interesse daran gehabt hat, dem Rechtsstreit auf Seiten der ehemaligen Beklagten zu 1), die gerade nicht Halterin des Unfallfahrzeuges ist, beizutreten. Die übrigen, über die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen hinausgehenden Voraussetzungen der Nebenintervention, insbesondere das Vorliegen des rechtlichen Interesses, werden nur auf Rüge im Verfahren gemäß § 71 ZPO geprüft (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 66, Rand-Nr. 14 mit weiteren Nachweisen). Eine solche Rüge hat der Kläger aber nicht erhoben.

Die Klage hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Kläger kann vom Beklagten zu 2) gemäß § 7 StVG aufgrund des Verkehrsunfalls vom 10.10.2011, für den der Beklagte zu 2) dem Grunde nach unstreitig haftet, für den am Fahrzeug des Klägers entstandenen Schaden einen weiteren Schadensbetrag von 486,53 € verlangen. Der darüber hinausgehende Betrag steht dem Kläger indes nicht zu.

Grundsätzlich ist der vom Sachverständigen … in seinem Gutachten vom 12.10.2011 ermittelte Reparaturkostenbetrag ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 2.220,16 € zugrunde zu legen, auf den die Streithelferin der ehemaligen Beklagten zu 1) außergerichtlich 1.733,63 € gezahlt hat. Soweit der Kläger über den sich ergebenden Differenzbetrag von 486,53 € hinaus insgesamt 828,58 € einklagt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass der Sachverständige Wertverbesserungsabzüge in Höhe von insgesamt 342,05 € dafür vorgenommen hat, dass die vom Unfall betroffene Stoßstange am Pkw des Klägers bereits einen nicht reparierten Unfallschaden aufgewiesen hat. Die Berechtigung der vom Sachverständigen vorgenommenen Abzüge stellt der Kläger auch nicht in Frage.

Indes ist es nicht so, dass der Kläger wegen des Vorschadens an der Stoßstange etwa von vornherein mit Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen wäre, weil er keine Einzelheiten des Vorschadens mitgeteilt hat. Der Beklagte zu 2) macht selbst geltend, dass lediglich bei einem Vorschaden im Anstoßbereich der Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung konkret den Vorunfall und die dabei eingetretenen Schäden beschreiben und konkret darlegen muss, ob und inwieweit die Schäden beseitigt worden sind. Vorliegend gab es jedoch keinen Vorschaden im Anstoßbereich. Der vom Sachverständigen …  berücksichtigte Vorschaden befindet sich hinten links an der Stoßstange des klägerischen Fahrzeuges, während der streitbefangene Anstoßbereich ausweislich der vom Sachverständigen … begutachteten Schäden an der rechten Ecke der hinteren Stoßstange liegt.

Der Beklagte zu 2) kann auch nicht erfolgreich geltend machen, das Gutachten des Sachverständigen … sei evident fehlerhaft, weil wegen des Vorschadens lediglich ein prozentualer Abzug vorgenommen worden sei, ohne zu berücksichtigen, dass ein Großteil der vom Sachverständigen veranschlagten Schadensbeseitigungskosten für die Beseitigung des Vorschadens ohnehin angefallen wären. Entgegen dem pauschalen Vorbringen des Beklagten zu 2) ist davon auszugehen, dass eine Erneuerung des durch den Unfall betroffenen Stoßfängers allein aufgrund des Vorschadens nicht erforderlich gewesen ist. Dies hat der Sachverständige … mit vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 27.01.2012 (Blatt 111 Gerichtsakten) ausdrücklich noch einmal klargestellt. Angesichts der Ausführungen des Sachverständigen und des auf dem vergrößerten Bild 4 des Gutachtens (Blatt 112 Gerichtsakten) zu erkennenden Altschadens ist das Vorbringen des Beklagten zu 2), bereits der Vorschaden hätte einen Austausch des Stoßfängers erforderlich gemacht, unsubstantiiert. Auf dem vergrößerten Fotos ist ohne weiteres zu sehen, dass der Vorschaden lediglich aus Kratzern besteht, die durch eine bloße (Teil-)Lackierung beseitigt werden können.

Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige … in seinem Gutachten vom 12.10.2011 zur Ermittlung des Schadens Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde gelegt hat. Der Kläger muss sich nicht auf die günstigeren Stundensätze der von der Streithelferin der ehemaligen Beklagten zu 1) mit Vorlage des Prüfungsgutachtens der Firma Controlfxpert GmbH vom 25.10.2011 benannten Firma … verweisen lassen. Nach Auffassung des Gerichts können bei einer -wie vorliegend- abstrakten Schadensberechnung grundsätzlich die vom Sachverständigen auf Basis einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt ermittelten Kosten erstattet verlangt werden.

Zwar soll der Schädiger den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen können, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (vgl. BGH, VI ZR 91/09, Urteil vom 23.02.2010). Diese Rechtsprechung vermag aber nicht zu überzeugen. Sie berücksichtigt zum einen nicht, dass es bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht auf eine individuell möglicherweise günstigere Reparaturmöglichkeit ankommen kann. Zudem steht ihr auch entgegen, dass der Geschädigte eben statt der Herstellung -vgl. § 249 Abs. 2 BGB- den dazu erforderlichen Geldbetrag soll verlangen können. Dem Geschädigten soll durch diese Regelung gerade nicht zugemutet werden, dem Schädiger das verletzte Rechtsgut zur Naturalrestitution anzuvertrauen. Gleiches hat aber dann auch für die hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherung bzw. eine von dieser ausgesuchten Werkstatt zu gelten (vgl. AG Kerpen, 104 C 294/11, Urteil vom 13.12.2011).

Es ist auch systemwidrig, bei einer zulässigen abstrakten Schadensberechnung auf die Erreichbarkeit der „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten und damit auf subjektive Gegebenheiten wie dessen Wohnsitz (oder Arbeitsstelle) abzustellen, die sich zudem schnell verändern können. Auf die subjektiven Gegebenheiten des Geschädigten kann auch nicht abgestellt werden, wenn verlangt wird, dass dieser Umstände darzutun hat, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar macht. Es ist nicht Sache des Geschädigten, zur Ermittlung eines abstrakten Schadens seine Lebensgewohnheiten darzulegen, die den Schädiger (und damit auch dessen Versicherer) nichts angehen, was insbesondere bei einer vorsätzlichen Schadensverursachung deutlich wird. Es muss dem Geschädigten vielmehr unbenommen bleiben, sich gegenüber dem Schädiger im Rahmen der Schadensermittlung neutral verhalten zu dürfen und keine persönlichen Details preisgeben zu müssen.

Es erschließt sich auch nicht, dass ein Geschädigter, der beispielsweise über keinen festen Wohnsitz verfügt, bei der abstrakten Schadensberechnung besser gestellt werden soll, als der Geschädigte, der zufälligerweise in der Nähe einer „freien Fachwerkstatt“ wohnt (oder arbeitet), die bereit ist, auf Nachfrage von Kfz-Haftpflicht-Versicherern günstigere Stundensätze zugrunde zu legen als in einer markengebundenen Vertragswerkstatt (vgl. AG Düsseldorf, 50 C 7576/11, Urteil vom 26.04.2012). Vor diesem Hintergrund wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Artikel 3 des Grundgesetzes ebenso wenig gerecht wie im Hinblick auf die Überlegung, dass bei einem Weiterverkauf des unreparierten Unfallfahrzeuges nicht etwa deshalb ein höherer Verkaufspreis erzielt werden kann, weil sich der Geschädigte zuvor auf einen geringeren Reparaturkostenausgleich hat verweisen lassen müssen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit, da in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob sich der Geschädigte auf eine günstigere Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss, obwohl es eigentlich Aufgabe der Rechtsprechung sein sollte, Rechtssicherheit herbeizuführen. So kommt es zu einer Vielzahl von Prozessen wie dem Vorliegenden, was vermieden werden würde, wenn einheitlich bei der Ermittlung des abstrakten Schadens auf die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt abgestellt werden würde.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird auch nicht der Situation des Geschädigten gerecht. Selbst nach Einholung eines Gutachtens steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der abstrakte Schaden nicht fest, vielmehr muss sich der Unfallgeschädigte, der in der Regel ohne eigenes Zutun geschädigt wurde und so in die Schadensabwicklungssituation geraten ist, noch regelmäßig mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung auseinandersetzen, was grundsätzlich zu einem Rechtsstreit führt. Denn ohne eine gerichtliche Beweisaufnahme ist für den Geschädigten regelmäßig nicht erkennbar, ob der Qualitätsstandard einer markengebundenen Fachwerkstatt in der vom Versicherer benannten „freien Fachwerkstatt“ gewahrt wird. Vor diesem Hintergrund wäre es zumindest sachgerecht, die aus der aufgezeigten Problematik entstehenden Kosten eines jeden Rechtsstreits grundsätzlich zumindest als materiellen Folgeschaden der Schädigerseite aufzuerlegen. Dass der Bundesgerichtshof diese Rechtsansicht vertritt, ist aber nicht ersichtlich.

Schließlich überzeugt auch der dogmatische Ansatz des Bundesgerichtshofs nicht, wenn er einen Verstoß des Geschädigten gegen seine aus § 254 Abs. 2 BGB resultierende Schadensminderungspflicht sieht für den Fall, dass sich der Geschädigte nicht auf eine „freie Fachwerkstatt“ verweisen lässt. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, worin ein schuldhaftes Fehlverhalten des Geschädigten liegen soll, wenn er sich zur Schadensermittlung eines neutralen Sachverständigen bedient und den von diesem ermittelten Schaden ersetzt verlangt. Das Verschulden kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Geschädigte nicht den Empfehlungen der gegnerischen Haftpflichtversicherung, also dem Lager des Schädigers folgt, sondern dem von ihm beauftragten objektiven Sachverständigen vertraut. Dies mag bei einer tatsächlichen Reparaturdurchführung anders sein, weil der Geschädigte dann die Möglichkeit hat, etwaige aus einer unzulänglichen Reparatur resultierende Folgeschäden bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen. Bei einer abstrakten Schadensberechnung verbietet sich aber diese Sichtweise.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Der Kläger kann als Folgeschaden schließlich verlangen, dass er von den ihm berechtigtentstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren freigestellt wird. Für den Freistellungsanspruch kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger bereits die nach § 10 RVG erforderliche Honorarabrechnung erstellt worden ist. Gegenstand des Befreiungsanspruchs können auch -im Gegensatz zum Zahlungsanspruch- noch von einer Handlung abhängige Forderungen sein, solange sie -wie vorliegend- bereits der Höhe nach feststehen. Allerdings beläuft sich der Befreiungsanspruch des Klägers nur auf eine Gebührenforderung in Höhe von 316,18 €. Zugrundezulegen ist ein Gegenstandswert von 2.804,34 €, da in Höhe eines geltend gemachten Teilbetrages von 342,05 € -wie aufgezeigt- ein Zahlungsanspruch nicht bestanden hat. Nach dem genannten Gegenstandswert ergibt sich eine 1,3-fache Geschäftsgebühr in Höhe von 245,70 €. Hinzu kommen 20,00 € Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß der Gebührenziffer 7002, so dass sich ein Nettobetrag von 265,70 € errechnet, auf den noch ein Betrag von 50,48 € als 19-prozentiger Umsatzsteuer gemäß Gebührenziffer 7008 aufzuschlagen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Kläger als Gegner der Hauptpartei (der ehemaligen Beklagten zu 1.), da er deren Kosten nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 269 Abs. 3 ZPO zu tragen hat. Über den Wortlaut der Regelung des § 101 Abs. 1 ZPO hinaus findet diese Vorschrift auch Anwendung, wenn den Gegner der Hauptpartei eine Kostentragungspflicht aus § 269 Abs. 3 ZPO trifft (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., §101, Rand-Nr. 2).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO wird die Berufung zugelassen, weil im Urteil von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen wird.

Der Streitwert wird auf 828,58 € festgesetzt.

So der Amtsrichter der 50. Zivilabteilung des AG Düsseldorf. Und jetzt bitte Eure Meinungen.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

20.02.2014 – Anmerkung der Redaktion:

Am 29.01.2014 wurde das Urteil durch das LG Düsseldorf in der Berufung aufgehoben. Die Klage wurde abgewiesen.

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4 Antworten zu AG Düsseldorf entscheidet zur fiktiven Schadensabrechnung mit deutlicher Kritik an der BGH-Rechtsprechung zur Verweisung mit interessantem Urteil vom 27.9.2012 – 50 C 14005/11 -.

  1. Heinrich Hülsken sagt:

    Wenn sich alle auf den Esel in dem neuen Artikel stürzen, sollte nicht vergessen werden, daß hier ein Richter sich erdreistet hat, sich gegen den BGH zu stellen.

    Wie Willi Wacker im Vorwort bereits richtig festgestellt hat, hat der Richter des AG Düsseldorf gewichtige und überzeugende Gründe aufgeführt, die die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH als nicht durchdacht darstellt. So ist der Hinweis auf die nächstgelegene Werkstatt in der Tat bei einem Wohnsitzlosen verfehlt. Dieser Hinweis auf Art. 3 GG zeigt doch, dass nicht alle gleich behandelt werden, obwohl der Gleichheitsgrundsatz dies fordert.

    Auch der vom AG Kerpen gemachte Hinweis ist nicht von der Hand zu weisen. Er wurde vom AG Düsseldorf aufgenommen. Wenn der Geschädigte nicht verpflichtet ist, die Wiederherstellung in die Hände des Schädigers zu legen, sondern ihm das Recht eingeräumt wird, die Herstellung selbst vorzunehmen, dann muss ihm der für die Herstellung in seinen Händen erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden. Er darf nicht auf eine vom Schädiger benannte Werkstatt, die nach Anweisung und zu Preisen mit dem Schädiger vereinbart repariert, verwiesen werden. Denn damit wäre er wieder in die Hände des Schädigers gelangt. Aber gerade mit den Händen des Schädigers hat er aufgrund des vom Schädiger verursachten Unfalls schlechte Erfahrungen gemacht. Ihm ist daher nicht zuzumuten, sich noch einmal in die Hände des Schädigers zu begeben.

    Die konkrete Abrechnung und die fiktive sollen bis auf die Umsatzsteuer gleiche Wiederherstellungsalternativen sein. Wenn aber der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung (unberechtigte) Kürzungen hinnehmen soll, weil der Schädiger ihm eine billige Werkstatt vorschreibt, so kann das im Ergebnis nicht richtig sein.

    Im Rahmen des Restitutionsgeschehens passt eine Verweisung auf billige Preise einer Partnerwerkstatt der Schädigerversicherung nicht. Insoweit ist der Verweis auf eine günstigere ohne weiteres ohne Mühen erreichbare Partnerwerkstatt im VW- Urteil eine den Geschädigten unberechtigterweise benachteiligende Rechtsprechung, die mit der Dispositionsfreiheit des Geschädigten nicht in Einklang zu bringen ist.

    Die Kette der Urteile, die berechtigte Kritik an der BGH-Rechtsprechung üben, geht über Kerpen weiter nach Düsseldorf und wird sicherlich dort nicht enden.

  2. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott,

    einer der wichtigsten Punkte dieses Urteils ist doch, dass der Control-Prüfbericht, auch wenn er im Urteil als Prüfgutachten bezeichnet wird, beim Gericht keine Beachtung fand. Das Geld für die Prüfberichte bei der Langenfelder Firma des Herrn W. kann sich die Versicherungswirtschaft sparen, wenn doch kein Gericht sie beachtet.

    Im übrigen erfolgen die Prüfungen durch ControlExpert u.a. doch auch im Auftrag und in Weisung der Versicherung. Dann könnte die Versicherung doch auch gleich schreiben, wir streichen dieses und jenes. Nein, da wird auf Versichtertenkosten noch kostenpflichtig ein Dienstleister beauftragt. Keine Wirtschaftlichkeit, die Herr Weiler von der HUK in anderer Sache anmahnt.
    Das Urteil ist ein Beispiel dafür, wie unbedacht bzw. nicht völlig durchdacht der VI. Zivilsenat gerade in den Fällen der Verweisung entscheidet.

    Letztlich hat der Düsseldorfer Amtsrichter damit auch dem Partnerwerkstättennetz der Versicherungen das Ende aufgezeigt. Was macht ein Partnerwerkstättennetz für einen Sinn, wenn darauf nicht verwiesen werden kann, bzw. die dort vereinbarten Preise ohnehin nicht maßgeblich sind, weil der Geschädigte die Fachwerkstattpreise zugrundelegen darf. Diese Preise müsste er ja auch bezahlen, wenn er seinen 15 Jahre alten Porsche in der Porsche-Werkstatt reparieren läßt. Die Rechnung der Porsche-Fachwerkstatt muss der Schädiger auch als Schadensersatz nach konkreter Abrechnung bezahlen. Also warum sollte der Fiktivabrechner Preise der Firma „Blech & Lack GmbH“ akzeptieren? Nicht nach vollziehbar, wenn die Porsche Werkstatt vor der Haustür liegt?

    Die Redaktion möge doch dafür sorgen, dass auch dieses Urteil einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Zeigt dieses Urteil doch, dass der besonders freigestellte Amtsrichter durchaus auch von der hochheiligen Rechtsprechung des BGH abweichen kann. Nicht alles, was aus Karlsruhe kommt, muss richtig und gut sein.

    Servus
    Aigner Alois

  3. Robert Richter sagt:

    Ich hoffe, dass nicht nur Richter aus Kerpen und Düsseldorf den Mut haben, einmal BGH-Urteile zu durchleuchten und kritisch zu betrachten.

  4. Ra Imhof sagt:

    @ Heinrich Hülsken
    Freie Werkstattwahl bei konkreter Reparatur aber
    Beschränkung auf Billigwerkstatt bei fiktiver Abrechnung,
    diese Differenzierung ist mit Sinn und Zweck der Dispositionsfreiheit nicht vereinbar.
    Jedes Unfallopfer hätte Anspruch auf Ersatz in Höhe der Reparaturrechnung für seinen nicht nachweislich scheckheftgepflegten Oldtimerporsche,wenn es die Reparatur des Unfallschadens sofort-auch ganz ohne Gutachten-im Porschezentrum in Auftrag geben würde.
    Nur weil es nun als Abrechnungsbasis nicht eine Rechnung vom Porschezentrum,sondern ein Schadensgutachten vorlegt,soll das anders sein?
    Solcheine Konsequenz hat der Gesetzgeber eindeutig-von der Umsatzsteuer abgesehen- nicht gewollt.
    Das Unfallopfer muss sich bei konkreter Reparatur die Werkstatt nicht vorschreiben lassen.
    Bei der gleichwertigen fiktiven Abrechnung muss das deshalb genauso sein.
    Kerpen und Düsseldorf sind nicht mutig,sie sind die Folge der insoweit unschlüssigen Begründung seiner Rechtsprechung durch den BGH.

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