Wieder einmal verweigerte der HUK-Coburg Versicherer den Ausgleich unserer Honorarforderung. Diesmal die Erstattung eines – erweiterten – Kostenvoranschlages.
Bei den vorliegend kalkulierten Reparaturkosten von insgesamt 568,75 € brutto meldet auch die Richterin Zweifel an, dass dieser Betrag überhaupt einen sogenannten Bagatellschaden darstellt.
Mit einer auf die Sichtweise und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten abgestellten, rechtlich korrekten Urteilsbegründung, ganz ohne BVSK-Befragung auskommend, aber dafür mit Verweis auf das von uns erstrittene OLG-Naumburg-Urteil 4 U 49/05 führt die Richterin aus, dass aufgrund der vorgelegten Abtretung der Kläger einen eigenen Anspruch gegenüber dem beklagten Versicherungsnehmer der HUK-Coburg geltend macht. Das Honorar ist auf Basis unserer Honorar-Tabelle im vollen Umfang zu erstatten.
Leider verkennt die Richterin mit fragwürdiger Begründung:
Dies gilt insbesondere vorliegend, da aufgrund der seitens des Klägers selbst aufgeführten diversen Rechtsstreitigkeiten mit der hinter dem Beklagten stehenden Versicherung der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass die Rechnung aufgrund der anwaltlichen Mahnung erstattet werden würde.
dass es sich bei den geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten um Rechtsverfolgungskosten handelt und ebenfalls vom Beklagten zu tragen gewesen wären.
Amtsgericht Magdeburg
Geschäfts-Nr.: 163 C 2534/11 (163)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn Ralf Zimper ….
Kläger
Prozessbevollmächtigter: xxxxxxxx
gegen
xxxxxxxx
Beklagter (VN der HUK Coburg)
Prozessbevollmächtigte: xxxxxxxx
hat das Amtsgericht Magdeburg durch die Richterin am Amtsgericht B. im vereinfachten schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 04.09.2012
für Recht erkannt:
1.) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 123,17 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 18.02.2011 zu zahlen.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a, 495 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die Erstellung des Kostenvoranschlags zur Ermittlung der voraussichtlichen Reparaturkosten des Geschädigten, Herrn xxx. Der dem Geschädigten, Herrn xxx, unstreitig gemäß §§ 7, 18 StVG gegenüber dem Schädiger zustehende Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 09.01.2011 ist wirksam an den Kläger abgetreten worden. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht hat der Geschädigte dem Kläger den ihm gegenüber dem Schädiger zustehenden Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten bzw. Kosten des Kostenvoranschlags an Erfüllungsstatt abgetreten, nachdem der Kläger zuvor die streitgegenständliche Rechnung mit Datum vom 31.01.2011 erfolglos gegenüber dem Geschädigten, Herrn xxx, geltend gemacht hatte (vgl. Anlage K3, Blatt 22 d. A.). Der Kläger macht aufgrund der erfolgten Abtretung mithin einen eigenen Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend und wird nicht etwa in fremden Rechtsangelegenheiten im Sinne des Artikel 1, § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetzes tätig (vgl. OLG Naumburg vom 20.01.2011).
Der Anspruch steht dem Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu. Der Höhe nach ist der Anspruch schlüssig und prüffähig dargelegt. Der Kläger hat sich hier offensichtlich an der von ihm ebenfalls vorgelegten Honorartabelle (Anlage K8) orientiert. Die dabei in Ansatz gebrachten Preise sind nach Ansicht des Gerichts weder offensichtlich überzogen noch stehen diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den kalkulierten voraussichtlichen Reparaturkosten. Ein pauschales Bestreiten der Angemessenheit der in Ansatz gebrachten Kosten wird insoweit als nicht ausreichend angesehen. Auch die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung des Beklagten, der Kläger würde hier grundsätzlich einen Aufschlag von 30 % vornehmen, soweit der Schädiger bei der HUK-Coburg Versicherung versichert sei, wird als nicht substantiiert angesehen. Allein diese pauschale Behauptung reicht so nicht aus. Ein substantiiertes Bestreiten dergestalt, dass der Beklagte hier etwaige konkrete Vergleichsrechnungen zu vergleichbaren Schadenshöhen vorträgt, ist nicht ersichtlich. Insoweit vermag das Gericht hier eine offensichtliche Überschreitung angemessener Kostenansätze nicht zu erkennen.
Darüber hinaus ist der Anspruch auch nicht etwa aufgrund der Unterschreitung etwaiger Bagatellgrenzen ausgeschlossen. Bei den vorliegend kalkulierten Reparaturkosten von insgesamt 568,75 € brutto hat das Gericht bereits Zweifel, ob dies einen sogenannten Bagatellschaden darstellt. Im Übrigen ist die Höhe eines Schadens von dem Geschädigten als Laien in der Regel nicht einzuschätzen. Insoweit wird ihm zugestanden, sich hier grundsätzlich an einen Sachverständigen oder alternativ eine Fachwerkstatt wenden zu dürfen. Dabei geht das Gericht nicht ohne Weiteres davon aus, dass ein entsprechender Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt für den Geschädigten günstiger oder gar umsonst zu erlangen gewesen wäre. Zwar werden die Kosten eines Kostenvoranschlages durch eine Fachwerkstatt dann verrechnet, wenn der Geschädigte die Reparatur dort dann auch durchführen lässt. Dazu ist der Geschädigte jedoch nicht verpflichtet, so dass ihm grundsätzlich unbenommen bleiben muss, sich wahlweise auch an einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Kostenvoranschlages zu wenden.
Insoweit steht der geltend gemachte Anspruch dem Kläger dem Grunde als auch der Höhe nach zu.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.
Den Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sieht das Gericht dagegen nicht als begründet an. Der Kläger dürfte als Sachverständiger selbst über die notwendigen Kenntnisse und Mittel verfügen, Mahnschreiben zu versenden. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts in diesem Stadium wird als nicht notwendig erachtet. Dies gilt insbesondere vorliegend, da aufgrund der seitens des Klägers selbst aufgeführten diversen Rechtsstreitigkeiten mit der hinter dem Beklagten stehenden Versicherung der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass die Rechnung aufgrund der anwaltlichen Mahnung erstattet werden würde. Die Einschaltung der Anwälte vor Einleitung des Mahnverfahrens verstößt mithin gegen die Schadensminderungspflicht des Klägers, so dass die insoweit als Nebenforderung geltend gemachten Kosten nicht zugesprochen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.
B.
Richterin am Amtsgericht
Die plakative Überschrift und der Inhalt des Magdeburger Urteils decken sich nicht. Die in der Überschrift zum Ausdruck gekommene Schlussfolgerung ist aus den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Mit keinem Wort und an keiner Stelle hat die Amtsrichterin B. der 163. Zivilabteilung angegeben, dass ein kalkulierter Schaden von 568,75 € keinen Bagatellschaden darstellt. Die Überschrift ist schlicht falsch. Sie suggeriert dem unvoreingenommenen Leser, dass die bisherige Rechtsprechung, vom BGH gut geheißen, von rd. 715,– € aufgehoben sei. Das ist keineswegs der Fall.
Das Wichtigste in diesem Urteil ist die Folgerung, dass Kostenvoranschläge, und einen solchen hat der Kläger erstellt, auch von Gutachtern erstellt werden können. Der Geschädigte muss nicht zur Werkstatt.
Geltend gemacht wurden vom Kläger aus abgetretenem Recht nicht Sachverständigenkosten, sondern Kosten des Kostenvoranschlages. Das ist auch korrekt, denn grundsätzlich gilt, dass bei äußeren Lackschäden lediglich ein Kostenvoranschlag ausreicht, um die Schadenshöhe zu belegen. Nichts anderes hat der Kläger hier getan.
Ich schlage daher vor, dass der erste Satz der Überschrift korrigiert wird.
Hallo Willi,
so ganz stimme ich mit Dir nicht überein, denn es wird ausgeführt:
„Darüber hinaus ist der Anspruch auch nicht etwa aufgrund der Unterschreitung etwaiger Bagatellgrenzen ausgeschlossen. Bei den vorliegend kalkulierten Reparaturkosten von insgesamt 568,75 € brutto hat das Gericht bereits Zweifel, ob dies einen sogenannten Bagatellschaden darstellt.“
Letztlich ging es aber auch gar nicht darum, ob ein Gutachten gerechtfertigt gewesen wäre, oder nicht, weil gar keines erstattet wurde.
Der obige Teil ist also ein schöner Nebensatz.
Mindestens ebenso gut gefällt mir jedoch:
„Im Übrigen ist die Höhe eines Schadens von dem Geschädigten als Laien in der Regel nicht einzuschätzen. Insoweit wird ihm zugestanden, sich hier grundsätzlich an einen Sachverständigen […] wenden zu dürfen. Dabei geht das Gericht nicht ohne Weiteres davon aus, dass ein entsprechender Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt für den Geschädigten günstiger oder gar umsonst zu erlangen gewesen wäre.“
Denn dieser Teil beschreibt, dass es den Bagatellschaden (richtigerweise) eigentlich gar nicht gibt und zudem der Kostenvoranschlag keinesfalls kostenlos zu erwarten ist.
Und dann kommt der Teil, der dem Geschädigten die freie Wahl der Mittel der Schadensbegleichung lässt:
„Zwar werden die Kosten eines Kostenvoranschlages durch eine Fachwerkstatt dann verrechnet, wenn der Geschädigte die Reparatur dort dann auch durchführen lässt. Dazu ist der Geschädigte jedoch nicht verpflichtet, so dass ihm grundsätzlich unbenommen bleiben muss, sich wahlweise auch an einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Kostenvoranschlages zu wenden.“
Besser kann das Urteil nicht begründet sein. Auch die Überschrift würde ich nicht ändern, denn die Richterin hat ja begründet, warum die erheblichen Zweifel am Bagatellschaden bestehen.
Bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten muss der SV wohl für die Zukunft davon ausgehen, dass er gleich klagen darf?
Viele Grüße
Andreas
@Willi Wacker
Ich finde an der Ankündigung zum Urteil nicht´s auszusetzen. Deckt sich doch die Meinung des Autors mit weiteren Autoren dieses Blogs. Wenn du mal auf den Beitrag von Peter Pan gehst. Dieser geht sogar davon aus, dass grundsätzlich eine Bagatellschadengenze zu verneinen ist. Der Titel seines Beitrages lautet:
Bagatellschadensgrenze – eine nicht existente Luftnummer!.
Nicht zuletzt sei auf das von dir besprochene Urteil verwiesen:
AG Nürnberg zur Erstattung der Sachverständigenkosten auch bei geringen Schäden, wobei AG Nürnberg eine starre Bagatellschadengrenze verneint (AG Nürnberg Urt. v. 1.7.2011 -24 C 647/11-).
In der Urteilsbegründung des Gerichts wird ausgeführt:
„Das Gericht schließt sich der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth (vgl. z. B. Urteil vom 07.07.2010, Aktenzeichen 8 S 2757/10; NZV 2009, 244) an, wonach keine Bagatellschadensgrenze existiert, ab deren Überschreiten ein Geschädigter die Einschaltung eines Sachverständigen zur Feststellung eines Unfallschadens an seinem Kfz als erforderlich und damit ersatzfähig betrachten darf.
Somit sind die Zweifel des AG Magdeburg, dass es sich bezüglich der Schadenhöhe um einen Bagatellschaden handeln würde, berechtigt.
Was vom Gericht gut herausgearbeitet wurde ist, dass eine Schadenfeststellung bzw. Beweissicherung für den Geschädigten regelmäßig nicht ohne Kosten realisierbar ist. Und, dass der Weg dahin dem Geschädigten vom Schädiger nicht diktiert werden darf.
Herzliche Grüße aus der Heide
Dein Fuchs
Hallo Leute,
Ihr versteht meine Kritik offenbar nicht.
Es geht hier doch nicht darum, ob auch bei einem sog. Bagatellschaden ein Gutachten gefertigt werden darf oder nicht. Der Geschädigte hatte doch selbst erkannt, dass der Schaden vermutlich unter 715 € liegt. Dementsprechend hatte er auch kein Gutachten in Auftrag gegeben, denn das hätte gem. § 254 II BGB nicht erstattet werden müssen, sondern einen kostengünstigeren Kostenvoranschlag. Damit hat der Geschädigte doch schon § 254 II BGB instinktiv beachtet.
Wenn er sich dann im Bereich der Erforderlichen i.S.d. § 249 II BGB hält, dann sind die Kosten des Kostenvoranschlages Kosten der Wiederherstellung. Den zur Feststellung der Schadenshöhe war in diesem Fall der Kostenvoranschlag angezeigt, und nicht ein Gutachten.
Fazit aus diesem Urteil kann daher nur sein, dass der Geschgädigte nicht auf einen kostenvoranschlag der werkstatt verwiesen werden kann, sondern dass er den auch bei dem Gutachter erstattungspflichtig erstellen lassen kann, denn die Erstattungspflichtigkeit des Kostenvoranschlages ist umstritten.
Weiteres Fazit ist, wenn der Schaden agenscheinlich unter ca. 715 € liegt, ist der Kostenvoranschlag die konstengünstigere und wirtschaftlichere Wiedeherstellungsmaßnahme, die gem. § 254 BGB von dem Geschädigten im Rahmen der Wirtschaftlichkeit erwartet werden kann.
Ob es eine Bagatellschadengrenze gibt oder nicht, darüber hat das AG Magdeburg doch gar nicht entschieden. Meine Gedanken zur Bagatellschadensgrenze sind doch bekannt. Es kann keine Bagatellschadengrenze geben. Der Kratzer an der Stoßstange des uralt VW ist sicherlich ein Geringschaden. Der Kratzer auf dem Stoßfänger des BMW Z 8 ist vermutlich keiner mehr. Also kann es keine starre Schadensgrenze geben, bei der ein Gutachten eingeholt werden darf und bis zu der lediglich ein Kostenvoranschlag ausreicht. Der VIII. Zivilsenat hatte eine (fast) brauchbare Definition gegeben. Nur äußere (Lack-) Schäden können als Bagatellschäden angesehen werden. Tiefergehende Schäden sind nicht mehr als solche anzusehen, auch dann nicht, wenn sie mit geringen Mitteln beseitigt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
@ Willi Wacker
„Der Geschädigte hatte doch selbst erkannt, dass der Schaden vermutlich unter 715 € liegt.“
Wer hat dir denn geflüstert, was das Unfallopfer wusste?
„Dementsprechend hatte er auch kein Gutachten in Auftrag gegeben, …“
.. bist du sicher?
Muss in Fällen wie oben nicht eher davon ausgegangen werden, dass der beauftragte Sachverständige aufgrund seiner Fachkenntnisse incl. seiner Erfahrungen mit den Regulierungsmodalitäten der HUK-Coburg bzw. den Versicherungen im allgemeinen zur unabhängigen Beweissicherung des Geschädigten-Anspruches in Form eines, ich zitiere – erweiterten Kostenvoranschlages, ich würde es Kurzgutachten nennen, erbracht hatte?
Hi Willi,
wir verstehen die Kritik schon, aber die Überschrift ist trotzdem in Ordnung, denn obwohl die Richterin nicht zum Bagatellschaden urteilen musste, hat sie sich zu diesem geäußert und zwar derart, dass sie Zweifel hat, ob überhaupt ein Bagatellschaden vorliegt.
Weiter musste sie aber nicht gehen, denn es war gar kein Gutachten gemacht worden, sodass es um die Erforderlichkeit von Gutachtenkosten gar nicht ging.
Ich gehe im Übrigen (wie SV m. E) auch davon aus, dass nicht der Geschädigte erkannt hat, dass ein relativ geringer Schaden vorliegt, sondern der konsultierte Sachverständige.
Viele Grüße
Andreas