Mit Entscheidung vom 18.03.2010 (9 C 592/09) hat das Amtsgericht Papenburg die Landschaftliche Brandkasse Hannover zur Erstattung weiterer Schadenspositionen im Rahmen der fiktiven Abrechnung verurteilt. Es handelte sich hierbei um die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, die Verbringungskosten sowie um die Kosten für eine sachverständige Stellungnahme.
Aus den Gründen:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 613,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2009 zu zahlen.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 439,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz: seit 11.09.2009 an Rechtsanwälte … .
3.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.) Der Streitwert wird festgesetzt auf 613,95 €.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten restlichen Schadensersatz, aus einem Verkehrsunfall vom 28.07.2009.
Die Beklagte als Haftpflichtversicherer haftet zu 100 Prozent und hat den entstandenen Schaden überwiegend beglichen. Der Kläger rechnet auf Gutachtenbasis fiktiv ab. Grundlage der Forderung ist das Gutachten des Dipl. Ing. … vom 03.08.2009 (Bl. 9-23 d. A.). In diesem Gutachten wird ein Arbeitslohn von 78,00 Euro je Stunde bzw. 85,00 Euro je Stunde für die Lackierarbeiten zugrunde gelegt und Reparaturkosten von netto 2.850,17 Euro errechnet, wobei darin Fahrzeugsverbringungskosten in Höhe von 78,00 Euro enthalten sind. Mit Schreiben vom 11.08.2009 verwies die Beklagte den Kläger auf einen Prüfbericht unter dem Namenszug „Check-it“, indem unter anderem die günstigeren Stundenverrechnungssätze der Kfz-Werkstatt … zugrunde gelegt wurden. Der Kläger bat daraufhin den Sachverständigen Dipl.-Ing. … mit Schreiben vom 21.08.2009 um Stellungnahme zu dem abgegebenen Prüfbericht. Für die unter dem 24.08.2009 erstellte ergänzende Stellungnahme des Dipl-Ing. … berechnete dieser dem Kläger weitere 136,26 Euro.
Der Kläger trägt vor, er könne den fiktiven Rechnungsbetrag des vorgelegten Gutachtens vollständig ersetzt verlangen und müsse sich nicht auf die geringeren Stundenverrechnungssätze der Referenzwerkstatt verweisen lassen. Er habe daher Anspruch auf restliche fiktive Reparaturkosten in Höhe von 477,69 Euro sowie weitere Gutachterkosten in Höhe 136,26 Euro. Zudem verlangt der Kläger die Freistellung von den außergerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 439,95 Euro.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 613,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2009 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 439,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2009 an Rechtsanwälte … .
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Verweis auf die benannte freie Kfz-Werkstatt … sei im vorliegenden Fall zumutbar. Zudem behauptet sie, die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs durch die Kfz-Werkstatt … sei technisch gleichwertig. Verbringungskosten seien nicht zu erstatten. Die Beklagte könne daher 252,79 € hinsichtlich der Lackierkosten, 146,00 € hinsichtlich der Lohnkosten und 78,00 € Verbringungskosten – also insgesamt 477,69 € – bei den Nettoreparaturkosten abziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wie auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.02.2010 (Bl. 119-122 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 477,89 € unter Zugrundelegung des Gutachtens des Dipl. Ing. … vom 03.08.2009 zu.
Die von der Beklagten nach dem Prüfbericht vom 11.08.2009 vorgenommene Kürzung ist nicht gerechtfertigt. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.102009, Az. VI ZR 53/09) hat sich der Geschädigte dann auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn dies für den Geschädigten zumutbar ist und die Reparatur in dieser Werkstatt technisch gleichwertig ist.
Zwar kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass die Verweisung auf die benannte Werkstatt grundsätzlich für den Geschädigten nicht unzumutbar ist, da das streitgegenständliche Fahrzeug älter als 3 Jahre und nicht scheckheftgepflegt ist. Jedenfalls hat der Kläger den entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht substantiiert bestritten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht allerdings davon überzeugt, dass die seitens der Beklagten aufgezeigte alternative Reparaturmöglichkeit nicht gleichwertig ist.
Der BGH führt in der genannten Entscheidung aus, der Schädiger müsse darlegen und beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Quafitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspreche. Dabei seien im Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeute insbesondere, dass sich der Geschadigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen müsse. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffne.
Eine solche Gleichwertigkeit ist nach den glaubhaften Angaben des Zeugen … nicht gegeben. Zum einen sind die Angaben zu den Verrechnungssätzen der Kfz-Werkstatt … im vorgelegten Prüfbericht falsch. So berechnet die Kfz-Werkstatt … nach den nachvollziehbaren Angaben des Zeugen … für Karosseriearbeiten einen Stundensatz von 65,00 Euro und für Mechanikarbeiten von 45,00 Euro und nicht wie im Prüfbericht aufgeführt von einheitlich 65,00 Euro. Der Zeuge erklärte zudem, Lackierarbeiten führten sie nicht durch, sondern vergeben diese an eine Fremdfirma. Dabei werde zumeist mit der Fremdfirma ein Festpreis für die Lackierarbeiten ausgehandelt. Dieser Festpreis werde eins zu eins an den Kunden weiter gegeben. Der Prüfbericht geht jedoch von einem einheitlichen Stundensatz von 80,00 € aus, wobei ausgeführt wird, dass es sich um einen Fachbetrieb für Karosserie- und Lackierarbeiten handele.
Zudem bestehen nach den glaubhaften Angaben des Zeugen … zwischen der Beklagten und der genannten Referenzwerkstatt Sonderkonditionen, die der Gleichwertigkeü entgegenstehen. So hat der Zeuge … angegeben, dass es bei anderen Kunden vorkommen könne, dass sie einen Festpreis vereinbaren. In diesen Fällen könne es durchaus sein, dass die Stundenverrechnungssätze unter den oben genannten Stundenverreehnungssätzen lagen. In den Fällen der VGH bzw. Landwirtschaftlichen Brandkasse könnten sie einen solchen Festpreis nicht vereinbaren. Da werde auch immer nach den genannten Verrechnungssätzen kalkuliert. Weiter hat der Zeuge erklärt, es gebe eine Vereinbarung zwischen ihnen und der VGH, also der Landwirtschaftlichen Brandkasse, wonach sie sich verpflichtet hätten, in diesen Fällen kostenlos ein Ersatzwagen für 2-3 Tage zu stellen, eine Innenreinigung vorzunehmen sowie einen kostenlosen Hol- und Bringservice anzubieten. Diese Vereinbarungen seien kein Standard. Das könnten sie bei allen anderen Kunden nicht so machen. So viele Mietwagen könnten sie gar nicht vorhalten.
Schließlich bestehen auch hinsichtlich durchzuführender Elektronikarbeiten durchgreifende Zweifel an der technischen Gleichwertigkeit der Reparatur. So hat der Zeuge … angegeben, Knackpunkt bei der Fahrzeugreparatur sei die Elektronik und Kodierung. Da könne es sein, dass sie einige Dinge nicht machen könnten. Z. B. könnten sie das ABS-Steuergerät im Toyota nicht reparieren. Da müssen sie den Kunden dann an eine Toyota-Werkstatt verweisen. Dafür gebe es letztlich hunderte von Beispielen. Hinsichtlich der langjährigen Garantie könne er sagen, dass sie ihre Arbeiten im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung anbieten. Darüber hinausgehende Garantien gebe es grundsätzlich nicht.
Nach alledem ist nicht von einer technischen Gleichwertigkeit der Reparatur auszugehen, so dass sich der Kläger nicht auf die niedrigeren Stundenverrechnungssätze der benannten Werkstatt … verweisen lassen muss.
Auch die geltend gemachten Fahrzeugverbringungskosten in Höhe von 78,00 Euro sind zu ersetzten. Diese können auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2008, 523 mwN). Es ist gerichtsbekannt, dass die überwiegende Anzahl der hiesigen Kfz-Werkstätten keine eigene Fahrzeuglackiererei betreiben – wie auch hier die benannte Referenzwerkstatt … und daher üblicherweise Verbringungskosten anfallen.
Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der weiteren Gutachterkosten in Höhe von 136,26 Euro. Der Schädiger hat nämlich die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt/Grüneberg, § 249 Rnr. 58 m. w. N.). Die Beklagte hat dem Kläger einen Prüfbericht mit unrichtigen Angaben zur Referenzwerkstatt vorgelegt. Diesen Prüfbericht hat der Kläger nachvollziehbar zum Anlass genommen, eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen … einzuholen. Dabei handelt es sich im Übrigen nicht allein um die Beantwortung rechtlicher Fragen. Vielmehr führt der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme aus, auf welche tatsächlichen Fragen es bei der Gleichwertigkeit der Reparatur ankommen dürfte.
Schließlich erstreckt sich die Schadensersatzpflicnt auch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von restlichen 439,95 Euro, so dass ein Anspruch auf Freistellung besteht. Dabei war bzgl. der außergerichtlichen Schadensabwicklung von einem Gegenstandswert von 3.950,00 € auszugehen, da eine rechtzeitige Regulierung durch die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht substantiiert vorgetragen wurde.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO.