Mit Datum vom 26.09.2012 (35 C 2120/12) hat das AG Duisburg die KRAVAG Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 220,81 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die klagende Autovermietung, die abgetretene Ansprüche geltend gemacht hatte, berechnete den Normaltarif aus dem Mittel zwischen der Schwacke-Liste und der Fraunhofer Tabelle.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Die Klägerin, ein Mietwagenunternehmen, begehrt aus abgetretenem die Erstattung restlicher Mietwagenkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am xx.xx.2011 in D. ereignete.
Der PKW des Rechtsvorgängers der Klägerin wurde anlässlich des Verkehrsunfalls beschädigt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Halters des gegnerischen Fahrzeugs ist außer Streit. Der Geschädigte X mietete für die Dauer der Reparatur bei der Klägerin in der Zeit vom 8.11 bis zum 12.11.2011 einen Ersatzwagen der Fahrzeuggruppe C/ Mietwagenklasse 3 zu einem Preis von 697,89 Eur an. Die Klägerin machte vorgerichtlich hieraus einen Betrag in Höhe von 578,42 Eur als Schadensersatz geltend. Zur Begründung verwies sie darauf, dass es sich dabei um den Mittelwert zwischen dem nach der Schwacke-Liste ausgewiesenen Betrag für das Postleitzahlgebiet 470 und dem in der Liste des Fraunhofer Instituts auswiesenen Wert handele zuzüglich eines Zuschlags nach der Schwacke- Liste für Vollkaskoversicherung, unfallbedingte Nebenleistungen, Zustellung und Abholung sowie Winterbereifung. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 308.- Eur. Der Differenzbetrag (270,42 Eur) ist Gegenstand der Klageforderung.
II.
Die Klage ist in dem zuerkannten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 270,42 Eur aus §§ 398 BGB, 7 I StVG, 115 VVG, 249 BGB.
Grundsätzlich sind nur diejenigen Mietwagenkosten erstattungsfähig, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte.
1. Das Gericht setzt zunächst voraus, dass die Anmietung für einen Zeitraum von 5 Tagen erforderlich und angemessen war. Dies ist außer Streit. Ferner ist auch nicht im Streit, dass die Anmietung eines Mietwagens der Mietwagenklasse 3 als Ausgleich für die Nutzungsentziehung grundsätzlich notwendig war.
2. Bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten geht das Gericht des Weiteren davon aus, dass die Orientierung anhand der sogenannten Schwacke-Liste im Rahmen der tatrichterlichen Schätzung nach § 287 ZPO grundsätzlich zulässig ist. Es entspricht der ständigen Rechtssprechung des BGH, dass der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens den „Normaltarif“ auf der Grundlage des „Schwacke- Mietpreisspiegels“ ermitteln kann (BGH NJW Spezial 2012, 297 m. w. N.). Dies gilt auch für die Bemessung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten für die hiesige Region.
Der erkennenden Abteilungsrichterin ist es aus vier kürzlich in Auftrag gegebenen Gerichtsgutachten zur Höhe ortsüblicher Mietwagenkosten für PKW als Ersatz für ein unfallgeschädigtes Fahrzeug bekannt, dass es für einen Unfallgeschädigten kaum möglich ist, aussagefähige Preisvergleiche anzustellen. Es liegt – jedenfalls im hiesigen Raum – eine intransparente Marktsituation vor. Auch anhand von Internetangeboten, wie diejenige, welche die Beklagte vorlegt, lässt sich nach der Erfahrung des Gerichts kaum nachvollziehen, wie hoch der tatsächlich anfallende Mietpreis gewesen wäre, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die abgebildeten Fahrzeuge nicht immer zu den gewünschten Terminen zur Verfügung stehen und dass Kosten für unfallbedingte Sonderleistungen, eine Vollkaskoversicherung, den Hol- und Bringdienst und Winterreifen häufig noch zusätzlich aufgeschlagen werden.
Es hat sich zudem gezeigt, dass die befragten Mietwagenunternehmen auch keine Angaben zu Mietwagenpreisen mit denen vom Gericht vorgegebenen Ausstattungsmerkmalen bezogen auf zurückliegende Zeiträume gemacht haben.
Soweit sich der verlangte Mietwagenpreis deshalb nicht erkennbar deutlich oberhalb eines für einen durchschnittlich wirtschaftlich verständigen Verbraucher bewegt, ist der verlangte Preis auch vom Schädiger zu ersetzen. Die Schwacke- Liste ist eine ausreichende Grundlage für die Auslotung des Normal- Tarifs und etwaiger Nebenkosten. Liegt der verlangte Mietpreis nicht erkennbar deutlich oberhalb des Preises nach der Schwacke-Liste, so ist der Mietpreis grundsätzlich auch erstattungsfähig. Dass vorliegend eine derartige Abweichung vorlag, ist nicht festzustellen.
Nach der Schwacke- Liste 2011 wäre bei 5 Miettagen im hier maßgeblichen Postleitzahlbereich 470 für ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 3 ein Betrag in Höhe 481,14 Eur als Normaltarif angefallen (276,16 Eur als 3- Tagespauschale + 2 x 102,48 Eur als Eintagespauschale). Dieser Betrag liegt nur verhältnismäßig knapp oberhalb des hier in der Rechnung vom 12.11.2011 (Bl. 6 GA) ausgewiesenen Normaltarifs (345,93 Eur + 19 % = 411,66 Eur), so dass der Rechnungsbetrag zugrunde gelegt werden kann. Denn für einen durchschnittlich verständigen Mietwagenkunden muss sich diese Abweichung nicht aufdrängen.
Ein Zuschlag für unfallbedingte Sonderleistungen ist vorliegend nicht gerechtfertigt. Das Gericht hält zwar grundsätzlich die Berechnung eines unfallbedingten Mehraufwandes für zulässig. Es ist allgemein bekannt, dass bei „normalen“ PKW-Anmietungen außerhalb des Unfallersatzwagengeschäfts stets eine Sicherheit für die Aushändigung eines mehrere 10.000.- Eur teuren, meist neuwertigen Mietfahrzeugs an Personen, mit denen kein regelmäßiger Kundenkontakt besteht, verlangt wird, entweder in Form einer Barkaution oder im Form der Hinterlegung der Kreditkartendaten. Außerdem ist es allgemein bekannt, dass Mietwagenverträge häufig nur unter der Voraussetzung der vollständigen vorherigen Bezahlung der Miete für den vorgesehenen Mietzeitraum erfolgt. Im Unfallersatzgeschäft tritt demgegenüber der Mietwagenunternehmer in vollem Umfang in Vorleistung und ist dementsprechend mit den Risiken eines Zahlungsausfalls des Mieters belastet, insbesondere dann, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung die Übernahme ganz oder zum Teil ablehnt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte allerdings bestritten, dass unfallbedingte Sonderleistungen erfolgt sind, weshalb es hierzu näheren Vortrags und ggf. auch entsprechender Beweisantritte bedurft hätte.
Keine Bedenken bestehen gegen die Berechnung einer Zusatzleistung für eine Vollkaskoversicherung. Es ist heutzutage allgemein üblich, PKW nur mit Vollkaskoversicherung abzuschließen. Keinem Mietwagenkunden ist es zuzumuten, das Risiko für den Totalverlust eines Mietwagens in Kauf zu nehmen und zwar unabhängig davon, ob der verunfallte PKW vollkaskoversichert war oder nicht. Nach Schwacke- Liste würden diese Kosten 109,85 Eur für 5 Tage (bzw. 21,97 Eur pro Tag) betragen haben. Die Mietwagenrechnung weist Versicherungskosten in Höhe von 86,48 Eur netto = 98,34 Eur brutto aus, ein Betrag, der unterhalb des Schwacke-Mittelwerts liegt, so dass vom Rechnungsbetrag auszugehen ist.
Die Zustellkosten („Hol- und Bringdienst“) sind hier nicht zu ersetzen, da eine Zustellung und Abholung bestritten worden ist und hierzu nicht ansatzweise substantiierter Vortrag bzw. Beweisangebote erbracht worden sind.
Keine Bedenken bestehen gegen die Erstattungsfähigkeit des Aufpreises für Winterreifen und zwar unabhängig davon, ob das verunfallte Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war oder nicht. Bei einer Anmietung im Winter (hier: im Monat November) kann ein jederzeit erfolgender Einbruch typischer winterlicher Verhältnisse die Ausstattung mit Winterreifen nach § 2 II a StVO erforderlich machen, weshalb Autovermieter im Winter fast durchgängig ihre Fahrzeuge mit Winterbereifung anbieten (vgl. OLG Celle NJW-RR 2012,802). Dass die Winterbereifung sodann Zusatzkosten auslöst, geht nicht zu Lasten des Unfallgeschädigten, weil dieser Aufwand zu den erforderlichen Kosten der Herstellung des Ausgleichs für die Entziehung des eigenen Fahrzeugs gehört. Nach der Schwacke- Liste beläuft sich der durchschnittliche Tagespreis für die Winterbereifung auf 12,19 Eur, weshalb, bezogen auf 5 Tage, Zusatzkosten in Höhe von 60,95 Eur für angemessen erachtet werden. Die in der Mietwagenrechnung ausgewiesenen Kosten belaufen sich auf 50,40 Eur netto = 59,98 Eur brutto, so dass auch von diesem bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Gesamtkosten ausgegangen wird.
Die ersparten Eigenkosten, welche vom Normaltarif vorab abzuziehen sind, schätzt das Gericht auf 10 %, § 287 ZPO.
Es ergibt sich nach alledem folgende Berechnung:
5 Tage Normaltarif => 411,66 Eur
abzüglich 10 % ersparter Eigenaufwendungen=> 370,49 Eur
+ Vollkaskoversicherung 98,34 Eur
+ Winterbereifung 59,98 Eur
Summe (erstattungsfähig): 528,81 Eur
abzüglich vorgerichtlich gezahlter 308,00 Eur
Differenz 220,81 Eur
Die Differenz entspricht dem austenorierten Betrag.
II. Der Zinsanspruch aus der Hauptforderung folgt aus §§ 280 I, II, 286 II Ziff. 3, 247 BGB.
III. Die Klägerin hat demgegenüber keinen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, weil diese nicht im Sinne von § 249 BGB erforderlich für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung waren. Angesichts dessen, dass die Beklagte mit Schreiben 6.12.2011 (Bl. 35 GA) im Rahmen der mit der Klägerin direkt geführten Korrespondenz eine weitergehende Zahlung über den bereits gezahlten Teilbetrag hinaus ausdrücklich und unmissverständlich abgelehnt hatte, hätte hier zur weiteren Verfolgung der Ansprüche sogleich Klageauftrag erteilt werden müssen.
IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 713, 511 I, IV Nr. 1,2 ZPO.
Soweit das AG Duisburg.