Das Landgericht Stuttgart hatte in der 1. Instanz entschieden, dass die DEKRA-Gutachter gegenüber BMW-Händlern haften, aufgrund der Verletzung von Gutachterpflichten bei der Fahrzeugbewertung. Die von der DEKRA erstellten Bewertungs-Gutachten von sogenannten Leasing-Rückläufern bildeten die Basis, auf der die BMW Leasing GmbH gegenüber den BMW-Händlern Leasingverträge auf Kilometerbasis abrechneten. EUROTAX-Schwacke-Daten bildete hierzu die Grundlage, wobei jedoch die ermittelten „Restwerte“ am tatsächlichen Markt seitens der Sachverständigenorganisation DEKRA nicht überprüft wurden.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts obsiegte die DEKRA zunächst im Berufungsverfahren beim OLG Stuttgart. Das Gericht entschied, dass nach fehlerhaften Bewertungs-Gutachten der DEKRA die BMW-Händler von der BMW-Leasingbank entsprechende Rückzahlungen verlangen können. Ein Schadensersatzanspruch gegenüber der DEKRA wurde vom OLG Stuttgart – entgegen LG Stuttgart – deshalb verneint.
Dieser Rechtsauffassung des OLG Stuttgart folgte wiederum der 3. Zivilsenat des BGH im Revisionsverfahren nicht. Die BGH-Richter entschieden; wer fehlerhafte Gutachten erstellt, haftet für den daraus entstandenen Schaden. Das Verfahren wurde deshalb zur erneuten Verhandlung an den 6. Zivilsenat des OLG Stuttgart zurück verwiesen.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 11/12 Verkündet am:
. 17. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
…
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Vertragshändlerin der B. AG, verlangt von den Beklagten – der Sachverständigenorganisation für den Automobilbereich D. und deren Tochterunternehmen – Schadensersatz wegen der Erstellung angeblich fehlerhafter Fahrzeugbewertungen.
Die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften, die Automobile H. GmbH in S. und die H. GmbH in St., vermitteln der B.-Leasing GmbH (im Folgenden: B. L) aufgrund einer „Vereinbarung über Leasinggeschäfte“ vom 26./28. März 2002 nebst einer Zusatzvereinbarung Leasinganträge ihrer Kunden. Nach Beendigung von ihnen vermittelter Leasingverträge waren die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften verpflichtet, die zurückgegebenen Fahrzeuge, die sogenannten Leasingrückläufer, auf entsprechende Anforderung von der B. L anzukaufen. Bei der – in der Zusatzvereinbarung modifizierten – Berechnung des Kaufpreises sollte maßgeblich auf den Händlereinkaufspreis abgestellt werden, der nach Ziffer 3.5.1 der Vereinbarung „derzeit von D. aufgrund des Baujahres und der tatsächlich gefahrenen Kilometer, aber ohne Berücksichtigung des jeweiligen Fahrzeugzustandes im Auftrag der B. L ermittelt“ werden sollte. Dazu sollten die zur Bewertung erforderlichen Daten von der B. L per Computer an die D. übertragen werden, das Bewertungsgutachten sollte dem (Rück-)Käufer ausgehändigt werden. In einer Zusatzvereinbarung vom gleichen Tag ist unter anderem festgestellt, dass die Berechnung von Restwertchancen/-risiken auf der Differenz zwischen dem Rücknahmewert (RNW) und dem Händlereinkaufspreis (HEK) gemäß D. basiert. Eine ähnliche Vereinbarung über Leasinggeschäfte schlossen die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften auch mit der A. GmbH (im Folgenden: A. ), bei der es sich eben-falls um ein Tochterunternehmen der B. Group handelt.
Grundlage für die Mitwirkung der Beklagten bei der Ermittlung des Händlereinkaufspreises ist eine zwischen dem Beklagten zu 2 und der B. L geschlossene Vereinbarung vom 31. Juli/5. August 1987 (im Folgenden: EDV-Verbund-Vertrag), nach dem eine Datenfernleitung zwischen dem Hausrechner der D. und der B. L eingerichtet wird, über die die B. L sogenannte „B. -Leasing-Kurzbewertungen“ zum Zwecke der Abrechnung von Leasingverträgen abrufen können sollte. Ziffer 3.1 dieses Vertrags weist unter anderem darauf hin, dass nur Rechendaten druckaufbereitet gemäß D. -Spezifikation übertragen werden, die Bewertung aufgrund von Anwendervorgaben erfolge und eine D. -Ing.-Leistung nicht in Anspruch genommen werde.
Gemäß diesen Vereinbarungen wurden in einer Vielzahl von Fällen die Händlereinkaufspreise ermittelt. Entsprechende Schriftstücke sind mit „Bewertungsgutachten/Rechendaten“ überschrieben und weisen als Absender und Empfänger in der Kopfzeile die B. L aus, während in der Fußzeile die Adresse der Beklagten zu 1 aufgeführt ist. Auf der Grundlage der so ermittelten Händlereinkaufspreise übten die B. L und die A. ihr Andienungsrecht aus und schlossen mit der Klägerin und deren Schwestergesellschaften entsprechende Kaufverträge.
Die Klägerin wirft den Beklagten vor, im Zeitraum von Januar bis November 2008 nicht marktgerechte Händlereinkaufspreise ermittelt zu haben. Sie hat in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, dass sie in den Schutzbereich des EDV-Verbund-Vertrags einbezogen sei und sie deshalb unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von den Beklagten Schadensersatz verlangen könne. Gleiches gelte für ihre Schwestergesellschaften, deren Ansprüche sie aus abgetretenem Recht ebenfalls geltend macht. Insgesamt sei der „H. -Gruppe“ ein Schaden von 134.513,31 € entstanden.
Das Landgericht hat die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Grundurteil abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten aus dem EDV-Verbund-Vertrag in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wegen Erstellung unrichtiger Gutachten bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin nicht gegeben seien. Denn sie sei jedenfalls nicht schutzbedürftig, weil sie gleichwertige vertragliche Ansprüche gegenüber der B. L verfolgen könne. Diese könnten auf die Anpassung der jeweiligen Kaufverträge an die „richtigen“ Kaufpreise gerichtet werden und beruhten auf den Gesichtspunkten der Ersetzung einer unrichtigen Leistungsbestimmung im Sinne der §§ 317, 319 BGB. Die zwischen der Klägerin und der B. L geschlossene „Vereinbarung über Leasinggeschäfte“ enthalte eine Einigung dahingehend, dass die Beklagten den Händlereinkaufspreis als ein wesentliches Element zur Bestimmung der den Kaufverträgen über die Leasingrückläufer-Fahrzeuge zugrunde zu legenden Kaufpreise ermitteln sollten. Der Umstand, dass die Beklagten vorliegend nur von einer der Parteien, der B. L, mit der Ermittlung der Händlereinkaufspreise beauftragt worden sei, sei unbeachtlich. Denn den Beklagten sei auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerin bekannt gewesen, dass die Bewertungsgutachten, bei denen es sich um Schiedsgutachten im engeren Sinne gehandelt habe, zur Abrechnung von Leasingverträgen dienen und auch gegenüber der Klägerin Verwendung finden sollten. Da diese Bewertungsgutachten nach dem Vorbringen der Klägerin zumindest im Zeitraum von Januar bis November 2008 offenbar unrichtig und damit unverbindlich gewesen seien, könne sie Ausgleichsansprüche gegen die B. L geltend machen, die dem gegen die Beklagten gerichteten Zahlungsbegehren entgegenstünden. Zudem habe die Klägerin im Hinblick darauf keinen Schaden erlitten. Weitere Fragen, etwa wie der EDV-Verbund-Vertrag auszulegen sei, inwiefern die Beklagten zur Erstellung von Bewertungsgutachten verpflichtet gewesen und ihnen Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien, und die haftungsbegründende Kausalität ausreichend dargelegt sei, könnten deshalb offen bleiben.
Eine Inanspruchnahme der Beklagten könne auch nicht auf eine deliktische Haftung gemäß § 826 BGB gestützt werden. Aufgrund der Aktenlage sowie der vor dem Landgericht gemachten Angaben des Geschäftsführers der Beklagten zu 1 und des Zeugen W. könne nicht angenommen werden, dass den Beklagten eine zumindest bedingt vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin zur Last zu legen sei.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Ausgehend von seinem eigenen Lösungsansatz und der von ihm getroffenen Feststellungen hätte das Berufungsgericht vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verneinen dürfen.
a) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin die mit der B. L beziehungsweise mit der A. abgeschlossene Vereinbarung über Leasinggeschäfte dahingehend ausgelegt, dass die Beklagten als Schiedsgutachter im engeren Sinne den Händlereinkaufspreis als ein wesentliches Element zur Bestimmung des Kaufpreises ermitteln sollten. Dies hat es der Ziffer 3.5.1 des Vertrags und dem Sachvortrag der Klägerin entnommen, wonach sich die B. L und die B. -Vertragshändler zur Kaufpreisfindung in die Hände der Beklagten als neutrale und sachverständige Instanz zur Ermittlung des jeweiligen Händlereinkaufspreises begeben hätten. Des Weiteren hat es die Ziffer 1.1 des EDV-Verbund-Vertrags (Einsatz der Kurzbewertungen zur Abrechnung von Sonderleasing-Verträgen) sowie das Vorbringen der Klägerin, die Beklagten hätten jahrelang detaillierte Kenntnis davon gehabt, dass die Fahrzeugbewertungen im B. -Leasinggeschäft aufgrund der mit den Autohäusern getroffenen Abreden als zwingende Kaufpreisgrundlage fungierten, dahin gewürdigt, dass die Beklagten von der B. L den Auftrag erhalten hätten, die Bewertungsgutachten zur Abrechnung der Leasingverträge mit den Vertragshändlern zu erstellen.
aa) Schiedsgutachten im engeren Sinne, auf die die §§ 317 ff BGB entsprechende Anwendung finden, dienen vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen, so beispielsweise auch der Feststellung des Wertes eines Autos. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze der offenbaren Unrichtigkeit als verbindlich an (vgl. BGH, Urteile vom 22. April 1965 – VII ZR 15/65, BGHZ 43, 374, 376 f, vom 18. Mai 1983 – VIII ZR 83/82, NJW 1983, 1854, 1855; vgl. auch Urteil vom 25. September 2008 – IX ZR 133/07, NJW 2008, 3641 Rn. 9; Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 317 Rn. 6; Erman/ Hager, BGB, 13. Aufl., § 317 Rn. 8 ff; MünchKommBGB/Würdinger, 6. Aufl., § 317 Rn. 31 f; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2009, § 317 Rn. 13).
bb) Hiervon ausgehend ist die Würdigung des Klägervorbringens durch das Berufungsgericht dahin möglich, bei den auf der Grundlage des EDV-Verbund-Vertrags erstellten Bewertungsgutachten der Beklagten handele es sich – in Vollzug der zwischen der B. L und den B. -Vertragshändlern getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (hier: der „Vereinbarung über Leasinggeschäfte“ mit der Klägerin vom 26./28. März 2002) – um Schiedsgutachten im engeren Sinne. Dieser Würdigung, die von der Revision als ihr günstig hingenommen wird, steht – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – insbesondere nicht entgegen, dass die Beauftragung der Beklagten – vertragsgemäß – allein durch die B. L erfolgte. Denn grundsätzlich kann auch einer der Vertragspartner der Schiedsgutachtenabrede allein den Schiedsgutachtervertrag mit dem Sachverständigen abschließen. Dabei muss jedoch eindeutig offen gelegt werden, dass es sich um für beide Seiten zu erstattende Schiedsgutachten handelt, also der Gutachter als neutraler Dritter und nicht nur als Privatgutachter seines Auftraggebers tätig wird (vgl. BGH, Urteile vom 6. Juni 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314 und vom 14. Februar 2005 – II ZR 365/02, NZG 2005, 394, 395).
b) Rechtsfehlerhaft verkannt hat das Berufungsgericht jedoch die Haftungsfolgen, die sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung für die Beklagten ergeben können, wenn von ihr erstellte Fahrzeugbewertungen unrichtig sind.
aa) Ein Schiedsgutachter verfehlt seinen Auftrag (nur) dann, wenn er ein offenbar unrichtiges und damit entsprechend § 319 BGB unverbindliches Gutachten erstellt. Offenbare Unrichtigkeit ist anzunehmen, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten offenbar unrichtig erst dann ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1967 – III ZR 22/66, WM 1968, 307, 308; BGH, Urteile vom 27. Juni 2001 – VIII ZR 235/00, NJW 2001, 3775, 3776 f so-wie vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 74/03, NJW-RR 2004, 760, 761; in: Münch-KommBGB/Würdinger, aaO, § 319 Rn. 15).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die von den Beklagten erstellten Fahrzeugbewertungen nach dem Klägervorbringen in dem hier maßgeblichen Zeitraum von Januar bis November 2008 in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB offenbar unrichtig, weil die ermittelten Preise in erheblichem Ausmaß von den tatsächlichen Marktpreisen abgewichen sind, was für einen sachverständigen Beobachter zumindest nach eingehender Prüfung offenkundig war.
bb) Ist ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig, so können sich hieraus (werk-)vertragliche Schadensersatzansprüche ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1965 aaO), ohne dass sich der Gutachter wie ein Richter oder Schiedsrichter auf die Vergünstigung des § 839 Abs. 2 BGB berufen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1956 – VII ZR 22/56, BGHZ 22, 343, 345). Wird, wie hier, der Schiedsgutachtervertrag nur von einer Partei der Schiedsgutachtenabrede abgeschlossen, so ändert dies nichts daran, dass – entsprechend seiner Funktion und dem „Wesen“ seiner Aufgabenstellung – der Schiedsgutachter allen Parteien der Schiedsgutachtenabrede gegenüber gleichermaßen zur ordnungsgemäßen Erstellung seines Gutachtens verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 aaO; RGZ 87, 190, 194). Folgerichtig können – was das Berufungsgericht verkannt hat – bei einer Schlechtleistung des Schiedsgutachters auch den nicht am Schiedsgutachtervertrag beteiligten Partnern der Schiedsgutachtenabrede unmittelbare vertragliche Schadensersatzansprüche zustehen. (Wobei dies vorliegend rechtlich unbedenklich auch für die B. -Vertragshändler gelten könnte, die – wie die Klägerin – zum Zeitpunkt des Abschlusses des EDV-Verbund-Vertrags noch keine Vereinbarungen über Leasinggeschäfte abgeschlossen hatten, vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1979 – VII ZR 248/78, BGHZ 75, 75, 78 f). Auf eine, bei Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu prüfende, besondere Schutzbedürftigkeit der geschädigten „Hauptvertragspartei“ kommt es dabei nicht an.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich nach den bisherigen Feststellungen auch nicht der Eintritt eines auf die – anzunehmenden – Pflichtverletzungen der Beklagten zurückzuführenden Schadens verneinen.
aa) Allerdings ist ein offenbar unrichtiges Gutachten im Verhältnis der B. L zu den betroffenen Vertragshändlern unverbindlich; die Bestimmung der Leistung – hier: die Ermittlung eines marktgerechten Händlereinkaufspreises – erfolgt in diesem Fall entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Urteil. Dabei kann die von der Unrichtigkeit betroffene Partei unmittelbar auf (Rück-) Zahlung des ihr noch zustehenden oder des überzahlten Betrags klagen (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2000 – V ZR 36/99, NJW 2000, 2986, 2987).
bb) Der Umstand, dass die Klägerin gegebenenfalls von der B. L oder der A. Rückerstattung der gezahlten Kaufpreise verlangen kann, soweit diese die bei Zugrundelegung marktgerechter Händlereinkaufspreise geschuldeten Beträge übersteigen, und durch eine Realisierung dieser Ansprüche der verursachte Vermögensverlust möglicherweise ausgeglichen werden könnte, hindert indes nicht den Eintritt eines ersatzfähigen Schadens. Vielmehr steht es der Klägerin, die neben dem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten noch einen anderen, zum Ausgleich des Schadens führenden Anspruch gegen einen Dritten haben könnte, grundsätzlich frei, den Schuldner, gegen den sie vorgehen möchte, auszuwählen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1982 – IVa ZR 284/80, NJW 1982, 1806). Ersatz- oder Rückforderungsansprüche, die den von einer Pflichtverletzung Betroffenen infolge der Pflichtverletzung gegenüber Dritten entstehen, schließen die Annahme eines Schadens im Verhältnis zwischen ihnen und den für die Pflichtverletzung Verantwortlichen nicht aus. Der Schädiger kann den Geschädigten nicht darauf verweisen, er habe gegen einen Dritten einen Anspruch, der zum Ausgleich seiner Vermögensbeeinträchtigungen führen könne. Dies folgt aus der Regelung des § 255 BGB (vgl. BGH, Urteile vom 19. Juli 2001 – IX ZR 62/00, NZI 2001, 544, 546 und vom 15. April 2010 – IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961, Rn. 28 mwN). Dementsprechend ist – der vorliegenden Konstellation durchaus vergleichbar – der durch Fehler eines Tierarztes bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes geschädigte Käufer nicht verpflichtet, zur Beseitigung oder Minderung seines Schadens zunächst seine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 136/11, NJW 2012, 1070 f).
Dabei liegt entgegen der Revisionserwiderung auch kein Fall der Vorteilsausgleichung vor. Zwar ist zutreffend, dass die Klägerin wegen eines etwaigen Vermögensschadens nicht doppelten Ausgleich, sowohl von den Beklagten als auch von ihrem eigentlichen Vertragspartner, der B. L, im Wege eines vertraglichen Anpassungsanspruchs verlangen kann. Es handelt sich hier aber nicht um die Frage der Anrechnung einer etwa schon von der B. L oder der A. erhaltenen Leistung auf die Ansprüche gegen die Beklagten.
2. Demgegenüber ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass ein deliktischer Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB nicht besteht.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Haftung eines Gutachters aus dieser Vorschrift voraus, dass der Sachverständige bei Erstellung des Gutachtens leichtfertig oder gewissenlos und zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Der Sachverständige muss sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrags oder gar durch „ins Blaue“ gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens oder den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt haben, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließung hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 2003 – VI ZR 312/02, NJW 2003, 2825, 2826 f und vom 20. April 2004 – X ZR 250/02, NJW 2004, 3035, 3038).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im Streitfall beachtet und eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Würdigung auf der Grundlage des beiderseitigen Vorbringens auch hinsichtlich des möglichen Vorliegens bedingten Vorsatzes vorgenommen. Es obliegt dem Tatrichter zu entscheiden, ob nur bewusste Fahrlässigkeit oder bereits bedingter Vorsatz vorliegt; die Beurteilung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich dahingehend, ob der Begriff des bedingten Vorsatzes verkannt wurde oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO vorliegen, sei es durch mangelnde Berücksichtigung entscheidungserhebicher Umstände, sei es durch Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (vgl. Senatsurteil vom 8. März 2012 – III ZR 191/11, NZS 2012, 546, Rn. 15). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Die Annahme, die von den Beklagten dargestellte Information der B. L über die Unrichtigkeit der Daten sei letztlich ausreichend gewesen und es sei nicht sicher auszuschließen, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten darauf vertraut hätten, die B. L werde im Verhältnis zu den B. -Vertragshändlern daraufhin geeignete Vorkehrungen treffen, so dass ein auch nur bedingter Schädigungsvorsatz der Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, beruht auf einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin in den Vordergrund gestellten Umstände berücksichtigt und insbesondere die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten zu 1, dessen Schreiben vom 4. Mai 2009 und die Aussage des Zeugen W. eingehend gewürdigt. Das Berufungsgericht ist zudem von den Grundsätzen für die Unterscheidung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bei seiner Beurteilung ausgegangen und hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler ein nur bewusst fahrlässiges Verhalten angenommen, weil die Beklagten darauf vertraut hätten, dass das von ihnen erkannte Schadensrisiko nicht eintreten werde, und aus diesem Grund die Gefahr in Kauf genommen haben (vgl. zur Abgrenzung BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 – IX ZR 209/98, NJW 2001, 3187, 3189;
Erman/Schiemann, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 14 f). Dabei kann entgegen der Auffassung der Revision nicht angenommen werden, die Beklagten hätten keinen begründeten Anlass für ein solches Vertrauen gehabt. Nachdem sie die Mitarbeiter der B. L entsprechend über fehlerhafte Daten informiert hatten, durften sie von einer entsprechenden Weitergabe an die Vertragshändler ausgehen. Davon will auch das Berufungsgericht ersichtlich ausgehen. Die Revision hat demgegenüber keine rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine andere Beurteilung rechtfertigten. Sie räumt vielmehr ein, dass das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 4. Mai 2009 gegen eine vorsätzliche Vorgehensweise spreche. Die Aussage des Zeugen W. widerspricht dem ersichtlich nicht, zumal sie sich auf Ende 2008 bezieht; im Streit stehen jedoch Fahrzeugbewertungen für die Monate Januar bis November 2008. Dass eine andere tatrichterliche Würdigung möglich wäre, ist revisionsrechtlich unbeachtlich.
III.
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). Da sich auf der Grundlage des bisher als allein maßgeblich angesehenen Vorbringens der Klägerin ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht mit der bisherigen Begründung verneinen lässt, wird das Berufungsgericht nunmehr die von ihm offen gelassenen Fragen, insbesondere nach dem Inhalt und der Bedeutung des EDV-Verbund-Vertrags und der Verpflichtung der Beklagten, als Schiedsgutachter tätig zu werden, unter Berücksichtigung ihres Vorbringens und den von ihnen angebotenen Beweisen zu klären haben. Denn sie haben stets in den Vordergrund ihres Vortrags gestellt, dass sie nach dem EDV-Verbund-Vertrag und auch ausweislich der Notiz vom 15. November 1989 nur Zugriff auf den Hausrechner der D. -Hauptverwaltung, und damit nur den Abruf von Rechendaten hätten ermöglichen sollen, jedoch keine Verpflichtung zur Korrektur oder Überprüfung der „Schwacke-Werte“ bestanden habe.
Schlick Herrmann Wöstmann
. Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.05.2011 – 35 O 74/09 KfH –
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 20.12.2011 – 6 U 107/11 –
Wunderbar,
schön wäre es wenn man das 1:1 auf etliche vom Gericht bestellten Falschgutachter übertragen könnte.
für bestellten Schrott wird gehaftet.
Der Herr Witte sollte das aufmerksam lesen.
Aktien seiner Firma würde ich nicht mehr kaufen.
@ Kuckhuk
„…aufmerksam lesen.“
Das hilft tatsächlich. In der BGH – Entscheidung geht es um ein Produkt, bei dem sich die produktexternen Parteien im Vorfeld darauf geeinigt haben, dass die Feststellungen darin verbindliche Grundlage zukünftiger Verträge sind. Also um ein Schiedsgutachten.
Da ist weder bei Hukflüsterers Übertragungswunsch so (die Haftung des Gerichtsgutachters ist im Gesetz geregelt, § 839 a BGB) noch bei „W“.
So jetzt schwingt schon mal den Hammer: Kaum gehts um D und W, kommt der O wieder aus der Kiste…
Oder guckt noch mal genauer hin: Im BGH – Urteil geht es nun wirklich um eine Fallgestaltung, die nicht den Hauch einer rechtlichen Ähnlichkeit mit den CH – Dauerthemen haben.
Außer mit dem Sachverständigenverfahren. Das wäre so eine Fallgruppe wie beim BGH.
Ja, Herr Otting,um nicht auf der falschen Fährte zu kleben, waren Ihre Hinweise sicher veranlaßt.Danke für die notwendige Aufklärung.
Ob allerdings das Sachverständigenverfahren in die von Ihnen angesprochenen Fallgruppe paßt, bin ich mir nicht sicher. Aber dafür reicht allein technischer Sachverstand wohl auch nicht aus.-
Gruß
H.R.
Da bedauerlicherweise die kommentare zu dem BGH Urteil vom 5.2.2013 geschlossen sind, ich weiß nicht, ob bewußt oder unbewußt, muss ich meinen Kommentar hier abladen.
Virus irrt in seinem Vorspann, wenn er angibt, dass der Geschädigte die (anteilige) Mehrwertsteuer nur dann erhalte, wenn er konkret abrechnet. Er schreibt: „Wer das Urteil allerdings aufmerksam liest, der wird zwangsläufig die sich aus § 249 BGB Abs. 2 Satz 2 BGB – Umsatzsteuer ist nur zu erstatten, wenn diese tatsächlich anfällt – ergebende Ungleichbehandlung erkennen. Nur wer ein “Neufahrzeug“ beim Händler kauft, hat nach § 249 BGB Abs. 2 Satz 2 BGB Anspruch auf den Umsatzsteuer-Betrag, der sich aus den kalkulierten Reparaturkosten ergibt. Wer sein Fahrzeug von Privat kauft jedoch nicht und wer seinen Schaden fiktiv abrechnet, der bekäme den Umsatzsteuerbetrag ebenfalls nicht erstattet, wenn er vom Schadensersatz z.B. ein Fahrrad beim Händler erwerben würde!“
Mehrwertsteuer ist ohnehin nur zu erstatten, wenn sie auch tatsächlich anfällt. Fällt z.B. beim Kauf von Privat keine Umsatzsteuer an, kann auch keine ersetzt verlangt werden, weil insoweit gar kein Schaden. Wählt der Geschädigte an Stalle der an sich gebotenen Reparatur die teurere Ersatzbeschaffung, hat er ohnehin nur Anspruch auf die Reparaturkosten und die Umsatzsteuer, wenn für die Ersatzvornahme Umsatzsteuer angefallen ist. Kauft er sich ein Fahrrad, so fällt im Laden USt. an, die dann auch erstattet wird. Eine Ungleichbehandlung sehe ich nicht. Auch für den umsatzsteuerpflichtigen Kauf eines Gebrauchtwagens fällt USt. an, die ersetzt wird, eben weil sie anfällt.
Im ausgeurteilten Fall kan man kurz so sagen: Wenn anstelle der gebotenen Reparatur eine Ersatzvornahme durchgeführt wird, wird bis zur Höhe der Reparatur auch der USt.-Betrag ersetzt, wenn tatsächlich für die Ersatzvornahme USt. anfällt.
Insoweit ist in der Tat die Entscheidung des BGH nicht zu beanstanden.
Mit freundl. Grüßen
F-W Wortmann
Lieber Herr Otting,
der III. Zivilsenat des BGH hat aber unter Rd-Nr. 17 festgestellt, dass die vom Schiedsgutachter D. erstellten Fahrzeugbewertungen falsch waren. Für ein offenbar unrichtiges Schiedsgutachten haftet allerdings der Schiedsgutachter. Weitere Konsequenz ist, dass die Vertragsparteien unmittelbar vertragliche Schadensersatzansprüche besitzen. Peinlich an dem Urteil ist allerdings, dass D. unbrauchbare Schiedsgutachten erstellt hat. Kein gutes Image für eine große Prüforganisation.
Auffallend ist allerdings Ihre reflexartige Reaktion, sobald D. ins Spiel kommt.
Ausführliche Urteilsbesprechung siehe Szary Blog:
BGH zur Haftung für falsche Gutachten
Zitat:
Ob die Dekra im vorliegenden Fall wird zahlen müssen, ist noch offen. Sie behauptet, gar keinen Gutachterauftrag im rechtlichen Sinne gehabt zu haben. Sie habe lediglich Zugriff auf den Hausrechner ermöglicht, von dem Schwacke-Werte abrufbar waren. Der BGH gab dem OLG Stuttgart auf, diese Behauptungen nun zu prüfen.
Fundstelle:
http://aktuell.szary.de/bgh-zur-haftung-fur-falsche-gutachten-2929/
@ Netzfundstück
Dann stellt sich doch die Frage, warum BMW auf DEKRA-Hausrechner Zugriff hat.
Wohl auch eine Art von gegenseitigen Provisionen. Oder?!
„Sie behauptet, gar keinen Gutachterauftrag im rechtlichen Sinne gehabt zu haben. Sie habe lediglich Zugriff auf den Hausrechner ermöglicht“.
Dann stellt sich doch die Frage nach der Schweigepflicht gemäß §203 Abs.2Nr.5 StGB. Das trifft doch für Ärzte, Anwälte und Gutachter in gleichem Maße zu – die Dekra jedoch lässt einfach so mal Fremde an ihren Hausrechner.
Was haben die denn sonst noch so gesehen?
Datenschutz sei gegrüßt. Vielleicht wäre das auch ein Fall für den Landesdatenschutzbeauftragten?
Grüße aus dem Wilden Süden