AG Mülheim an der Ruhr verurteilt zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten gegen DEVK-Vers. AG aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 5.2.2013 – 10 C 2060/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

von Koblenz geht es weiter ins Ruhrgebiet nach Mülheim an der Ruhr. Hier das Honorarurteil aus Mülheim an der Ruhr. Die Amtsrichterin der 10. Zivilabteilung hatte über restliche Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht  gegen die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 14.5.2012 in Mülheim an der Ruhr zu entscheiden. Der Geschädigte hatte den Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abgetreten, der die Abtretung angenommen hat. Damit war der klagende Kfz-Sachverständige aktivlegitimiert. Bei der Bemessung seines Honorares richtete sich der Sachverständige nach der VKS-Honorarumfrage.  Diese Schätzgrundlage akzeptierte das Gericht. Es folgerte, wenn das Honorar angemessen ist, dann ist es auch erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Diese Folgerung ist zwar richtig, aber auch ein unangemessenenes Honorar kann erforderlich i.S.d. § 249 BGB sein. Das muss in diesem Zusammenhang immer wieder betont werden. Lest das Urteil selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

10 C 2060/12

Amtsgericht Mülheim an der Ruhr

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn F. L. aus  W.,

Klägers,

Prozessbevollmächtigter:    Rechtsanwalt J. P. aus W.,

gegen

die DEVK Versicherungs AG in Köln, vertr. d. d. Vorstand, d. vertr. d. d. Vorstandsvorsitzenden, Regionaldirektion Essen, Rüttenscheider Str. 41, 45128 Essen,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte D. G. & B. aus  E.,

hat das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
05.02.2013
durch die Richterin am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 39,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpünkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend sachlich gerechtfertigt.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs ihres Versicherungsnehmers … ein Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 60,69 € wegen des Verkehrsunfalls vom 14.05.2012 in Mülheim an der Ruhr aus §§ 7, 17 StGB, 115 VVG, 398 BGB zu.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte, Herr … , hat seinen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 482,54 € einschließlich Umsatzsteuer an ihn unter dem 15.05.2012 (Blatt 22 d. A.) wirksam abgetreten.

Diese Abtretung vermag daran, dass es sich um Ersatzansprüche des Geschädigten handelt, nichts zu ändern. Die Ersatzansprüche werden durch sie nicht verändert oder umgewandelt, so dass der Kläger als Sachverständiger den Anspruch auf Erstattung der Kosten seines Sachverständigengutachtens nach dem für den Geschädigten geltenden Grundsätzen gegenüber dem beklagten Haftversicherer geltend machen kann.

Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die dem Kläger unfallbedingt entstandenen Schäden steht zwischen den Parteien außer Streit.

Der Geschädigte kann die Aufwendungen für ein Sachverständigengutachten ersetzt verlangen, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind, (BGH VersR 2005, 380; VersR 2007, 560). Ob und in welchem Umfang Herstellungskosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH VersR 2007, 560 m. w. N.). Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, soweit er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwenden Kosten beeinflussen kann. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung verlangt von ihm aber nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 132, 373, 376 m.w. N.).

Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Da es bei Sachverständigengutachten an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird er in aller Regel von den anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt und er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich bezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (OLG Hamburg, NJW- RR 2006,1029 ff., OLG Düsseldorf, DAR 2008, 523 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Anspruch auf Ersatz der restlichen, streitgegenständlichen Sachverständigengebühren weitgehend begründet. Das an den Sachverständigen gezahlte Honorar hält sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen. Es ist insbesondere nicht erkennbar willkürlich festgesetzt oder überhöht.

Der Kläger hat seine Honorarrechnung auf der Basis der VKS-Honorarumfrage 2011 erstellt. Diese stellt nach Auffassung des erkennenden Gerichts eine geeignete Schätzgrundlage der angemessenen Gebühren dar. Einem Unfallgeschädigten kann jedenfalls kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot angelastet werden, wenn er einen Sachverständigen wählt, der sich innerhalb der Honorarbefragung hält. Danach ergibt sich bei einer Schadenshöhe incl. Mehrwertsteuer von – wie hier – bis 2.000,00 € ein Grundhonorar ohne Mehrwertsteuer von 263,00 € bis 356,00 €.
Abgerechnet hat der Kläger 310,00 €.

Auch hinsichtlich der Nebenkosten ist die Rechnung im Wesentlichen ohne Beanstandung.
So liegt die gesonderte Abrechnung von Lichtbildern und Schreibkosten z.B. auch dem JVEG bei der Abrechnung von Leistungen von Sachverständigen zugrunde. Das Gutachten des Klägers enthält 9 Lichtbilder. Für den ersten und zweiten Fotosatz hat der Kläger Kosten in Höhe von 2,75 € pro Foto angesetzt, für den zweiten Fotosatz, der ebenfalls als erstattungsfähig angesehen wird, in Höhe von 1,75 € pro Foto. Auch hiermit hat er sich vollständig innerhalb des Nebenkostenkorridors von 2,00 € bis 3,30 € bzw. von 0,75 € bis 2,65 € (jeweils ohne Mehrwertsteuer) gehalten, und zwar im mittleren Bereich.

Gleiches gilt für Schreibkosten, Porto und Telefon in Höhe von insgesamt 25,00 €. Geht man davon aus, dass die Beklagte an Telefon- und Portokosten bereits eine Pauschale von 10,00 € berücksichtigt hat und unter Bezugnahme auf ein Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 20.12.2012 (Aktenzeichen 12 C 2004/12) bei 10 Seiten und 2,00 € pro Seite, Schreibkosten von 20,00 € errechnet, käme man schon auf 30,00 €.

Allerdings sind die geltend gemachten Fahrtkosten nicht in voller Höhe (30,00 €) zu ersetzen. Insoweit hat es bei dem von der Beklagten gemäß Abrechnungsschreiben vom 25.07.2012 regulierten Betrag von 23,40 € zu verbleiben.

Zwar mag der Geschädigte … ein Kunde des Klägers sein, da er ihn bereits in zurückliegenden Schadensfällen beauftragt hat und sich hieraus ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Dies allein reicht jedoch noch nicht, um Kosten in Höhe von 30,00 € bzw. eine Strecke von 120 km für Hin- und Rückfahrt anzuerkennen. Vielmehr wäre es dem Geschädigten, der in Essen wohnt, zumutbar gewesen, einen Sachverständigen aus der näheren Umgebung seines Wohnorts und nicht aus der Stadt W. zu beauftragen. Denn auch dort gibt es vertrauenswürdige Sachverständige, die in der Lage sind, den in Rede stehenden Heckschaden, bei dem es sich um einen alltäglich vorkommenden Schaden handeln dürfte, zu begutachten.

Der Berechnung der Beklagten liegen in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € a 39 km jeweils zur Hin- und Rückfahrt zugrunde. Ein höherer Fahraufwand kommt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Sachverständiger aus derselben Stadt im Allgemeinen ebenfalls eine gewisse Fahrstrecke zugrunde legen müsste, wenn er nicht gleichsam zufällig seinen Sitz in der Nähe hätte, nicht in Betracht.

Insgesamt ergibt sich damit ein Anspruch des Klägers von 398,90 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer, also 474,69 €. Bringt man hiervon die bereits gezahlten 414,00 € in Abzug, verbleiben zu seinen Gunsten 60,69 €.

Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 286 BGB begründet. Der Kläger hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2012 unter Fristsetzung bis zum 20.08.2012 zur Zahlung aufgefordert. Die Zinshöhe folgt der in § 288 BGB gesetzlich vorgesehenen.

Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 €. Ein solcher Anspruch ist als „Nebenrecht“ gem. § 401 BGB auf den Kläger übergegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung, auch bezüglich der Zinsen bzw. des Zinssatzes hat keine höheren Kosten veranlasst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.

Anlass, die Berufung zuzulassen, besteht nicht.

Streitwert: bis 300,00 €

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Mülheim an der Ruhr verurteilt zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten gegen DEVK-Vers. AG aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 5.2.2013 – 10 C 2060/12 -.

  1. Bernd Barremeyer sagt:

    Der vom Gericht gemachte Verweis auf JVEG ist falsch. Der BGH hat bereits in dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – entschieden, dass weder ZSEG noch JVEG bei den Sachverständigenkosten des Privatgutachters angewandt werden dürfen, da da ZSEG und das JVEG ganz andere Regelungsinhalte haben. Auch eine analoge Anwendung scheitert. Insoweit ist das Urteil nicht zur Nachahmung geeignet.

  2. Jürgen Sch. sagt:

    An diesem Urteil fällt lediglich auf, daß es sich wieder „vergleichend“ mit einer Nachprüfung befaßt, die bekanntlich der BGH aus gutem Grund verworfen hat, weil er selbst ein evtl. überhöhtes Honorar als erstattungspflichtig angesehen hat.

    Einzig und allein ist die Sicht und Lage des Geschädigten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung für ein Gutachten und bei der ausdrücklich angesprochenen Nichtverpflichtung zur Einholung von „Vergleichsangeboten“, was auch nicht möglich, die schadenersatzrechtliche Beurteilung ausschlaggebend.

    Von daher wäre es problemlos möglich gewesen, auch die Erstattungsverpflichtung für die deutlich unterpreisig abgerechneten Fahrtkosten „Im Namen des Volkes“ schwierigkeitslos zu vertreten und dem Unfallopfer zu verdeutlichen, daß es nicht mit einer Art „Selbstbeteiligung“ nach Hause geschickt wird.Manchmal wäre etwas mehr Überlegung aus der Sicht des Unfallopfers ebenso dankenswert, wie eine sinnvolle Auseinandersetzung mit der BGH-Rechtsprechung
    zu dem hier angesprochenen Thema. Bliebe anzumerken, daß sich m.E. die Frage zum
    § 249BGB, Abs.2 überhaupt nicht stellt, da es hier nicht um eine fiktive Abrechnung geht, sondern in der Regel um eine ganz konkrete Abrechnung nach Honorartableau und ggf. auch nach Honorarvereinbarung. Für jedwede Infragestellung ist also der Schädiger bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung beweispflichtig.
    Von daher ist das Kürzungsschreiben der HUK-COBURG an Sachverständige schon Makulatur und es darf nicht verwundern, wenn die Versicherungsnehmer dieser Versicherungsgesellschaft dann in die Pflicht genommen werden.

    Jürgen Sch.

  3. wolfgang sagt:

    Hallo, Jürgen Sch.

    letzte Woche habe ich von einem Schadensfall erfahren, bei dem die HUK-COBURG sage und schreibe 1,12% (!) der abgerechneten Gutachterkosten als nicht erforderlich gekürzt hat. Ist das nun noch „normal“ oder reine Schikane und Verunglimpfung ? Allmählich müßte doch auch der letzte Richter bzw. die letzte Richterin in unserer BRD merken, was hier abgeht und für welche Absichten die Gerichte mißbraucht werden.

    Gruß aus Oberbayern

    Wolfgang

  4. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Wolfgang,
    Du kannst davon ausgehen, dass bei der HUK-Coburg nichts dem Zufall überlassen wird. Da sitzen kühl berechnende Manager. Das ganze Kürzungsgebaren bei denen hat System. Die Geschädigten und die Gutachter sollen mürbe gemacht werden. Die Versicherer bestimmen, wann, wie und wo Schadensersatz geleistet wird. Glaubs mir, so wird es kommen. Ich hoffe, dass ich das dann nicht mehr erlebe.
    Die Grüße aus Bayern bleiben ja im Freistaat.

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