AG Bonn verurteilt Zurich Insurance plc zur Erstattung weiterer Sachverständigenkosten (101 C 292/12 vom 07.03.2013)

Mit Entscheidung vom 07.03.2013 (101 C 292/12) wurde die Zurich Insurance plc durch das Amtsgericht Bonn zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten verurteilt. Die Klage gegen die willkürliche Kürzung des Sachverständigenhonorars durch die eintrittspflichtige Versicherung erfolgte durch den Sachverständigen aus abgetretenem Recht. Das Gericht argumentiert am Anfang zuerst korrekt zum Thema Erforderlichkeit, Auswahlverschulden, laienhafte Sicht des Geschädigten usw., um dann am Schluß wieder Porto und Fernsprechgebühren zu kürzen.
Aus welcher Sicht sollte der geschädigte Laie bei der Beauftragung ersehen können, ob Fernsprechgebühren oder Porto nicht anfallen bzw. ob diese überhöht sein sollen oder willkürlich festgesetzt werden?
Als Begründung führt das Gericht aus, die Kosten für Fernsprechgebühren und Porto seien deshalb nicht zuzusprechen, weil die Versicherung diese Kosten bestritten hat? Durch diesen Entscheid zur Teilkürzung biegt das Gericht wieder voll in Richtung Angemessenheit ab. Die Überprüfung auf Angemessenheit gehört jedoch zum Werkvertragsrecht und hat im Schadensersatzprozess nichts zu suchen. Dieser Logik folgend dürfte das Gericht keinerlei Kosten zusprechen, da diese in der Regel von der beklagten Partei immer bestritten werden?
Sofern der eintrittpflichtige Versicherer das Sachverständigenhonorar für nicht angemessen hält,  kann er sich – nach vollständiger Erstattung – die Rechte aus dem Werkvertrag durch den Geschädigten ohne weiteres abtreten lassen und in einem Werkvertragsprozess unter Beweisantritt ggf. entsprechend regressieren.
Das Urteil wurde erstritten und zur Veröffentlichung eingesandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg.

101 C 292/12

Amtsgericht Bonn

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn Dipl. Ing. A. C. aus Z.,

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. I. & P. aus A.,

gegen

die Zurich Insurance plc Niederlassung für Deutschland, vertr. d. d. Vorstand Eduard Thometzek, Poppelsdorfer Allee 25-33, 53115 Bonn,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. M. aus K.,

hat das Amtgericht Bonn
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO aufgrund des Sachstands vom 27.01.2013
durch den Richter am Amtsgericht …

am 07.03.2013
für Recht erkannt:

Die Beklagte-wird verurteilt, an den Kläger 127,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2011 zu bezahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird
gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 127,80 € auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG i. V. m. § 398 BGB.

Die Aktivlegitimation des Klägers folgt aus der unstreitigen Abtretung, die der Geschädigte erklärt und die der Kläger angenommen hat. Die Abtretung ist hinreichend bestimmt, weil sie sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten bezieht.

Die Beklagte ist unstreitig dem Geschädigten zum Ersatz von 100 % des Schadens aus dem Verkehrsunfallereignis vom 27.09.2011 verpflichtet. Zu den danach zu ersetzenden Schäden gehören auch die Kosten der Einholung eines Sachverständigengutachtens, allerdings nur in Höhe von 563,58 €.

Dass die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Schadensumfang nach einem Verkehrsunfall als Kosten der Schadenfeststellung Teil des Schadens sind, den der Geschädigte zu erstatten hat, steht außer Streit. Der Höhe nach ist dieser Ersatzanspruch beschränkt auf den Geldbetrag, der erforderlich zur Wiederherstellung der beschädigten Sache ist. Maßgebend ist hierbei nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Hierbei ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Geschädigte nicht etwa zu einer Marktforschung zugunsten des Schädigers verpflichtet ist. Dies hat zur Folge, dass der – wie im vorliegenden Verfahren geltend gemachte – Einwand der Überhöhung des Honorars des Sachverständigen nur dann zu einer Kürzung des Anspruches folgt, wenn für den Geschädigten als Laien erkennbar war, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Denn der Geschädigte hat mit dem Kläger unter dem 04.10.2011 eine konkrete Honorarvereinbarung getroffen, welche eine Vergütung in Relation zur Schadenshöhe zuzüglich Nebenkosten gemäß der Honorartabelle des Klägers vorsieht. Eine willkürliche Honorarfestsetzung durch den Kläger war für den Geschädigten bei der Unterzeichnung dieser Honorarvereinbarung nicht erkennbar. Auch liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vor; Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten sind nicht ersichtlich. Dieses folgt auch nicht daraus, dass der Geschädigte eingewilligt hat, auch Nebenkosten zu vergüten, die ausweislich der Ausführungen des Klägers in den Erläuterungen zu seiner eigenen Honorartabelle möglicherweise bereits im Grundhonorar enthalten sind, also etwa Foto-, Schreib- und Portokosten. Denn die Beschreibung der durch das Grundhonorar abgegoltenen Leistung ist nicht so eindeutig, dass diese mögliche doppelte Abgeltung bestimmter Leistungen dem Geschädigten hätte auffallen müssen. Da vielmehr der Ansatz bestimmter Nebenkosten ausdrücklich vereinbart war und deren Höhe in der Honorartabelle im Einzelnen aufgeführt ist, lässt sich die Beschreibung der durch das Grundhonorar abgegoltenen Leistungen durchaus so lesen, dass hierdurch zwar bestimmte Leistungen abgegolten sind, nicht aber die hiermit zusätzlich verbundenen Auslagen des Klägers.

Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Positionen aus der Rechnung vom 07.02.2011 mit Ausnahme der Kosten für Porto, Fernsprechgebühren und Kopien in vollem Umfang erstattungsfähig. Die Bemessung des Grundhonorars der Schadenshöhe ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts nicht zu beanstanden, hält sie sich doch an die im Rahmen des § 632 Abs. 2 BGB geschuldete übliche Vergütung und entspricht sie darüber hinaus auch der konkreten Vereinbarungen zwischen dem Geschädigten und dem Kläger, die der Geschädigte – wie aufgezeigt – ohne Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht eingehen durfte. Da unwidersprochen vorgetragen worden ist, dass sich die Tabelle zur Höhe des Grundhonorars an denjenigen Empfehlungen orientiert, die die Höhe des Grundhonorars anhand unstreitig durch die Versicherungswirtschaft regulierter Sachverständigenhonorare ergeben hat, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Grundhonorar des Klägers überhöht ist und den Rahmen des Üblichen und Angemessenen übersteigt.

Auch hinsichtlich der Nebenkosten, die der Kläger unter dem 07.10.2011 in Rechnung gestellt hat, ergeben sich überwiegend keine Bedenken, weil diese – wie dargelegt – ausweislich der Honorarvereinbarung ausdrücklich geschuldet sind. Soweit die Beklagte den Anfall der Nebenkosten bestritten hat, ist dies überwiegend unerheblich. Denn sie hat weder bestritten, dass dem Originalgutachten 11 Lichtbilder beigefügt waren, wofür nach der Honorarvereinbarung je 2,50 € geschuldet waren noch hat sie dem Ansatz von Duplikaten dieser Lichtbilder hinreichend konkret widersprochen. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass das Gutachten in mehrfacher Ausfertigung für den Geschädigten und die Haftpflichtversicherung des Schädigers erstellt worden ist, sodass unmittelbar einleuchtet, dass von den Lichtbildern auch Duplikate gefertigt worden sind.

In gleicher Weise entspricht die Honorierung einer Lichtbildseite für die Handakte, des Büromaterials und den Schreibarbeiten der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Kläger, sodass es insbesondere nicht darauf ankommt, ob Schreibkosten ohne entsprechende Honorarvereinbarung nicht geschuldet wären, weil der Auftrag von vorneherein auf die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens lautet.

Ebenfalls berechtigt ist ein Ansatz von 16,50 € für Kopien. Denn ausweislich der Honorarvereinbarung ist die Erstellung von schwarz/weiß-Kopien mit 75 Cent pro Seite vereinbart worden; da das Gutachten 14 Seiten umfasste und zwei Duplikate erstellt worden sind, ergibt sich somit ein Honoraranspruch von 28 Kopien á 0,75 €.

In Höhe weiterer 10,55 € netto ist hingegen der Vergütungsanspruch nicht begründet. Denn die Beklagte hat bestritten, dass Porto bzw. Fernsprechgebühren angefallen sind. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen, substantiiert dazu vorzutragen, dass und in welcher Höhe diese Kosten angefallen sind und dies gegebenenfalls unter Beweis zu stellen. Auch der Honorarvereinbarung lässt sich insoweit eine konkrete Vereinbarung nicht entnehmen, weil die Portogebühren dort nach den tatsächlichen Postgebühren abzurechnen sind und hinsichtlich der Telekommunikationskosten vorgesehen ist, diese mit ca. 0,50 bis 5,00 € zu berechnen. Ohne substantiierte Darlegung zu den in Rechnung gestellten Kosten ist es mithin nicht möglich, nachzuvollziehen, dass und in welcher Höhe Kosten tatsächlich angefallen sind.

Unter Abzug des vorgenannten Betrages von 10,55 € netto verbleibt ein Honoraranspruch von 563,58 € brutto, mithin unter Berüchsichtigung des vorgerichtlich gezahlten Betrages von 435,76 € der ausgeurteilte Betrag.

Die Zinsforderung beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers ist relativ geringfügig und hat Kosten nicht ausgelöst. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: bis 300,00 €.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Bonn verurteilt Zurich Insurance plc zur Erstattung weiterer Sachverständigenkosten (101 C 292/12 vom 07.03.2013)

  1. SV Wehpke sagt:

    Zitat:“Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen, substantiiert dazu vorzutragen, dass und in welcher Höhe diese Kosten angefallen sind und dies gegebenenfalls unter Beweis zu stellen. Auch der Honorarvereinbarung lässt sich insoweit eine konkrete Vereinbarung nicht entnehmen, weil die Portogebühren dort nach den tatsächlichen Postgebühren abzurechnen sind und hinsichtlich der Telekommunikationskosten vorgesehen ist, diese mit ca. 0,50 bis 5,00 € zu berechnen. “

    Wenn ich das richtig interpretiere, ist dem SV hier eine Präzisierung seiner AGB zu empfehlen.
    Wie wär’s denn mit einem Pauschalbetrag?
    Wehpke Berlin

  2. Harry sagt:

    „Wenn ich das richtig interpretiere, ist dem SV hier eine Präzisierung seiner AGB zu empfehlen.“

    AGBs und Preislisten sollten zwar unmissverständlich und lückenlos sein. Insbesondere bei werkvertraglichen Auseinandersetzungen. Das Problem der AGB Präzisierung stellt sich im Schadensersatzprozess jedoch nicht. Im Schadensersatzprozess muss der Richter lediglich prüfen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war und ob sich das Sachverständigenhonorar aus Sicht des Geschädigten in einem üblichen Rahmen hält. Das Kürzen von Einzelpositionen steht im krassen Widerspruch zur BGH-Entscheidung VI ZR 67/06 und vereitelt den vollständigen Schadensausgleich.

  3. SV Wehpke sagt:

    Ich habe mich lediglich zu den AGB des SV geäußert, zu sonst gar nichts. Natürlich ist das Urteil in diesem Punkt, gemessen an der BGH-Rechtsprechung, schlichtweg falsch. Jeder Verständige kann das ohne weiteren Hinweis erkennen.
    Wehpke Berlin

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