Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
unsere Urteilsreise geht weiter von Nordrhein-Westfalen nach Hessen. Nachstehend gebe ich Euch ein Urteil der Amtsrichterin der 312. Zivilabteilung des Amtsgerichts Darmstadt bekannt. So langsam besinnen sich die Richterinnen – und hoffentlich auch die Richter wegen der Gleichberechtigung – anscheinend wieder auf das Gesetz bzw. auf das Schadensersatzrecht und schießen sich auf die Erforderlichkeit ein. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten, die HUK-Coburg, hatte wieder nicht die vollen Sachverständigenkosten erstattet. So musste auch in diesem Fall gegen den Schädiger persönlich vorgegangen werden. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und schöne Pfingsttage
Willi Wacker
Amtsgericht Darmstadt
Geschäfts-Nr.: 312 C 460/12
Urteil
Im Namen des Volkes
in dem Rechtsstreit
D., D. & K. GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts ges. vertr. d. d. Gesellschafter, in G.-Z.
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. u. K. in A.
gegen
F. V.-V. in G.
Beklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B.M. aus K.
hat das Amtsgericht Darmstadt durch die Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO am 02.05.2013 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 198,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2012 sowie 5,10 EUR Auskunftsgebühren zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin hat 2%, der Beklagte 98% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 198,07 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.
Entscheldungsgründe
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf weitere Gutachterkosten in Höhe von 198,07 EUR aus abgetretenem Recht gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 398 BGB aus dem Verkehrsunfall vom 02.01.2012 in Griesheim.
Die 100%-ige Haftung des Beklagten ist unstreitig. Die Geschädigte … hat ihre Ansprüche hinsichtlich der Erstattung der Gutachterkosten an die Klägerin am 24.01.2012 abgetreten. Am selben Tag hat sie mit der Klägerin eine Honorarvereinbarung abgeschlossen.
Darauf, ob die Rechnung der Klägerin aus sachverständigenvertragsrechtlichen Gründen überhöht ist, kommt es vorliegend nicht an. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch der Geschädigten … gegen den Beklagten geltend. Danach ist erstattungsfähig, was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144). Dabei ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die „spezielle Situation“ des Geschädigten und seine individuellen Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH a.a.O.). Preisvergleiche sind dem Geschädigten in diesem Bereich regelmäßig nicht zuzumuten (OLG Nürnberg SP 2002, 358; OLG Naumburg a.a.O.). Überhöhte Rechnungen des Sachverständigen sind dem Geschädigten daher grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.), da der Sachverständige nicht etwa Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers ist und etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB dem Schädiger zuzurechnen sind (OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.).
Ein Mitverschulden des Geschädigten selbst kann in diesem Fall nur dann angenommen werden, wenn diesem die Unangemessenheit der Vergütung bei Auftragserteilung offensichtlich ins Auge springen musste (BVerfG SP 2008, 162(163); OLG Naumburg a.a.O.). Eine solche Erkenntnismöglichkeit kann aber von einem Laien, der regelmäßig zum ersten Mal mit einer Unfallabwicklung konfrontiert ist, nicht verlangt werden (LG Saarbrücken SP 2008, 410). Das Sachverständigenhonorar in Höhe von 648,07 EUR steht zum festgestellten Schaden nicht außer Verhältnis.
Eine Benachteiligung des Beklagten durch das gewonnene Ergebnis kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil er im Gegenzug einer Erstattung der von der Geschädigten aufgewandten Sachverständigenkosten die Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen kann (OLG Düsseldorf SP 2008, 340).
Schließlich liegt auch kein Bagatellschaden vor, der die Einholung eines Sachverständigengutachtens als einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB erscheinen ließe. Eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten ist nämlich zumindest dann zu bejahen, wenn der Schaden über 700,00 EUR liegt (BGH NJW 2005, 356 (357)). Dieser Betrag ist vorliegend überschritten. Nach den Berechnungen der Haftpflichtversicherung der Beklagten beträgt der Schaden (Reparaturkosten) 1.568,29 EUR, die Wertminderung 250,00 EUR.
Auf die Sachverständigenkosten von 648,07 EUR zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten vorprozessual 450,00 EUR, so dass eine offene Restforderung von 198,07 EUR verbleibt.
Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 EUR und Auskunftskosten in Höhe von 5,10 EUR ergibt sich aus § 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 286 BGB. Zu erstatten ist eine 1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 198,07 EUR nebst 20% Auslagenpauschale, insgesamt 39,00 EUR. Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Der Klägerin sind außerdem Auskunftskosten in Höhe von 5,10 EUR durch eine Halteranfrage bei der Zulassungsstelle entstanden.
Die Zinsansprüche ergeben sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Soweit Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 1,5-Gebühr geltend gemacht werden, fehlt es an substantiiertem Vortrag zu den Voraussetzungen der Erhöhung der Gebühr von 1,3 auf 1,5.
Die Mahnkosten in Höhe von 10,00 EUR sind unschlüssig, da die von der Klägerin vorgetragene Mahnung bzw. Zahlungsaufforderung vom 22.02.2012 vor Verzugseintritt erfolgt ist und damit die diesbezüglichen Kosten keinen Verzugsschaden darstellen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass Verzug erst aufgrund des anwaltlichen Schreibens vom 15.03.2012 mit Zahlungsfristsetzung zum 25.03.2012 am 26.03.2012 eingetreten ist.
Der Feststellungsantrag ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Verzinsung der von ihr verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang des Gerichtskostenvorschusses bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags aus Verzug gemäß § 288 Abs. 1 BGB.
Verzug setzt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB zunächst die Fälligkeit der Forderung voraus. Hieran fehlt es vorliegend. Der Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten wird nicht bereits mit dem Schadenseintritt durch den Verkehrsunfall fällig, auch nicht mit der Einzahlung des Kostenvorschusses bei Gericht. Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruchs tritt frühestens mit der Kostengrundentscheidung des Gerichts ein. Erst dann steht fest, ob ein Erstattungsanspruch besteht und ggf. in welchem Umfang.
Auch die weitere Verzugsvoraussetzung einer Mahnung nach Fälligkeit ist nicht gegeben. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, den Beklagten wegen der verauslagten Gerichtskosten gemahnt bzw. überhaupt zur Zahlung aufgefordert zu haben, zumal eine verzugsbegründende Mahnung ohnehin erst nach Erlass des Urteils erfolgen könnte.
Nach §§ 91, 104 Abs. Abs. 1 Satz 2 ZPO ist der Erstattungsanspruch auf Antrag ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Diese gesetzliche Verzinsungspflicht gilt erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags und setzt keinen Verzugseintritt voraus. Vorher kann aus den oben genannten Gründen kein Verzug eintreten.
Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 713 ZPO.
Der Streitwert war nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG festzusetzen.
Die Berufung war nicht zuzulassen (§ 511 Abs. 4 ZPO).