Hinweisbeschluss des LG Landshut im Berufungsverfahren der R+V Versicherung gegen das Urteil des AG Freising (14 S 2859/12 vom 25.04.2013)

Bereits am 22.05.2013 wurde hier im Blog das Urteil des AG Freising veröffentlicht, mit dem die R+V Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten verurteilt wurde. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat das LG Landshut der Berufungsführerin unmissverständlich die Sach- und Rechtslage ins Stammbuch geschrieben, nach der die Entscheidung, dass die Schwacke-Liste anzuwenden ist und nicht die Fraunhofer Tabelle, so völlig korrekt ist, so dass die beklagte Versicherung die Berufung zurück genommen hat.

Der Hinweisbeschluss im Wortlaut:

I.

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Freising vom 16.10.2012, Az. 1 C 478/12, gemäß § 522 Abs, 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

II.

Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Hinweises (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

III.

Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung innerhalb der gesetzten Frist zu prüfen (im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gem. Nr, 1222 KV-GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0).

GRÜNDE :

Das Amtsgericht Freising hat zu Recht einen erstattungsfähigen Schaden wegen der Mietwagenanmietung in Höhe von insgesamt 4.432,75 € angenommen und daher dem Kläger einen weiteren Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 1.085,75 € zuerkannt. Dass das Amtsgericht den Schaden unter Heranziehung der Sehwacke-Liste 2011 geschätzt hat, ist nicht zu beanstanden.

Bei dem zuerkannten Schadensersatz handelt es sich um den gem. § 287 ZPO zu schätzenden, jedenfalls den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 24S Abs. 2 BGB bildenden, erstattungsfähigen Normaltarif, den auch ein Selbstzahler auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs erhält. Die Schwacke-Liste-Mietpreisspiegel 2011 ist entgegen den Angriffen der Berufung eine taugliche und ermessenssachgerechte Schätzungsgrundlage.

Bei der Schätzung des ersatzfähigen Normaltarifs können durchaus geeignete Listen oder Tabetlen gem. § 237 ZPO herangezogen werden (vgl. BGH, NJW 2008, 2910). Der Bundesgerichtshof hat insoweit wiederholt ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarifs (auch) auf der Grundlage des „Modus“ des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ als den am häufigsten genannten Mietpreis im Postleitzahlengebiet des Geschädigten bzw. des Orts der Anmietung (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen dürfen nicht außer acht bleiben. Allerdings ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen, sondern Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH Urteil vom 22.02.2011, AZ; VI ZR 353/09; BGH Urteil vom 18.05.2010P NJW- RR 2010, 1251).

IV.

Die Einwendungen der Bekfagten reichen nicht aus, die Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels in Frage zu stellen.

1. Alleine die Tatsache, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel und die Fraunhofer-Liste im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Liste als Schätzgrundlage zu begründen (BGHr Urteil vorn 18.12,2012, AZ: VI ZR 316/11; BGH, Urteil vom 12.04.2011, NJW 2011, 1947).

Auch die allgemein gehaltenen Ausführungen der Beklagten, dass und warum die Fraun hofer-Liste vorzugswürdig und die Schwacke-Liste abzulehnen sein soll, mussten das Amts­gericht Freising nicht veranlassen, ausschließlich die Werte aus der Fraunhofer-Erhebung seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist hinzunehmen, dass die Judikatur „gespal­ten“ ist und die Gerichte bis hin zu den Oberlandesgerichten teils den Schwacke-Mietpreis­spiegel, teils die Fraunhofer-Liste und neuerdings auch das arithmetische Mittel beider Ta­bellen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11,08,2011, NJW-RR 2012, 26) bei ihrer Urteilsfindung anwenden. Dies hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht beanstandet.

2. Soweit die Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung drei deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter aufgezeigt haben, handelt es sich bei dem Angebot der Fa. Hertz nicht um ein Angebot auf dem örtlich relevanten Markt. Zwickau ist 32 km vom Wohnort des Klä­gers entfernt. Bei den vorgelegten Angeboten der Fa. Sixt und Europcar handelt es sich dagegen um Angebote auf dem örtlich relevanten Markt. Diese Angebote sagen aber über­haupt nichts über die Mietwagengruppe und die Verfügbarkeit aus. Das Amtsgericht Frei­sing hat sie daher zurecht für nicht durchgreifend gehalten.

Soweit die Beklagten zum Beweis dafür, dass ein vergleichbares Mietfahrzeug bei den An­bietern Sixt bzw. Europcar zum Anmietzeitpunkt zu dem behaupteten Preis verfügbar ge­wesen sei, ein Sachverständigengutachten angeboten haben, ist dies auch nicht zielfüh­rend.

Während ein Zeuge dem Gericht über eine eigene Wahrnehmung von Tatsachen und tat­sächlichen Vorgängen berichtet, ohne diesen Bericht durch Schlussfolgerungen auszu­werten, unterstützt der Sachverständige das Gericht bei der Auswertung vorgegebener Tatsachen, indem er aufgrund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolge­rungen und Hypothesen bekundet. Das Beibringen der Anschluss- und Anknüpfungstatsa­chen ist Sache der beweispflichtigen Partei. Nicht der Sachverständige hat bei streitigen Behauptungen die Tatsachenfeststellungen zu treffen, sondern das Gericht (vgl, Zoll er, ZPO, 28. Auflage, § 402 Rd.Nr, 1 ap 5). Bei dem unter Sachverstandigenbeweis gestellten Sachverhalt ging es indes nicht um die Vermittlung von Fachwissen und Schlussfolgerungen aufgrund besonderer Sachkunde, sondern schlicht um die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 11.10. bis 15.11.2012 bei einer Nachfrage bei den Anbietern Sixt und Europcar Plauen zu einem Preis von 1.102,92 € bzw. 1.243,98 € brutto bei möglicher Zustellung hät­te anmieten können. Dies ist keine Frage, für die ein Sachverständiger subjektive Einschätzungen treffen muss1 sondern schlicht eine Frage, die dem Zeugenbeweis zugäng­lich ist. Einen solchen haben die Beklagten nicht als Beweismittel angeboten.

Im Ergebnis durfte das Amtsgericht Freising somit grundsätzlich die Schwacke-Liste als Entscheidungsgrundlage heranziehen.

V.

Nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Amtsgericht bei seiner Berechnung als Nebenkosten die Haftungsfreisteilung, sowie die Kosten der Zustellung und Abholung in Ansatz gebracht hat.

In den Modusbeträgen nach Schwacke-Mietpreisspiegel sind die Kosten für die Haftungsbe­schränkung nicht enthalten, so dass diese, soweit angefallen, als Nebenkosten zu addieren sind. Der Geschädigte eines fremdverschuldeten Unfalls kann bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine Vollkasko-Versicherung grundsätzlich insoweit erstattet verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist. Dies gilt unabhän­gig davon, ob das geschädigte Fahrzeug entsprechend versichert war (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2005, NJW 2006, 361). Vorliegend hat der Kläger darüber hinaus durch Vorlage des Versi­cherungsscheines (K 11) nachgewiesen, dass das beim Unfall beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert war.

Was die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs anbelangt, haben die Beklagten lediglich be­stritten, dass die geltend gemachten Kosten als kostenpflichtig vereinbart waren. Nicht bestritten haben die Beklagten hingegen, dass eine Zustellung und Abholung überhaupt erfolgt ist. Der Klä­ger hat hingegen mit den vorgelegten Rechnungen des Mietwagenunternehmens dargelegt dass er mit diesen Kosten belastet ist, so dass sich sein Schadenersatzanspruch auch darauf er­streckt.

Soweit der Hinweisbeschluss des LG Landshut, nach dem auch die beklagte R+V Versicherung erkennen musste, dass hier für sie die Fahnenstange zu Ende ist.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014

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2 Antworten zu Hinweisbeschluss des LG Landshut im Berufungsverfahren der R+V Versicherung gegen das Urteil des AG Freising (14 S 2859/12 vom 25.04.2013)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    ein schöner und richtiger Beschluß der Berufungskammer des LG Landshut.

    Ich hatte Freising in der Zuständigkeit des LG München gewähnt. Wie man sich täuschen kann.
    Noch einen schönen Sonnabend.

  2. Vermieter sagt:

    Gutes Urteil und der richtige Beschluß gegenüber der R+V, welche lt. Ihrer eigenen Aussage “ jede Klage aufnehmen und unsere Einwände bei Gericht begründen können“.

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