Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch einen hoch interessanten Beschluss der 302. Zivilkammer des Landgerichtes Hamburg als Berufungskammer in der Berufungsrechtsstreitigkeit gegen das Urteil des Amtsrichters des AG Hamburg zur fiktiven Abrechnung und zu dem Problem der Verweisung auf eine von der eintrittspflichtigen Versicherung benannten Referenzwerkstatt in Hamburg bekannt. Die Berufungskammer hat aufgrund der langjährigen Beziehungen der Referenzwerkstatt zu der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung erhebliche Bedenken an eine ohne Weiteres zugängliche gleichwertige Reparaturmöglichkeit im Sinne des VW-Urteils (BGH VI ZR 53/09). Lest bitte selbst und gebt Eure Meinungen bekannt. Über vielzählige Kommentare würde ich mich freuen.
Viele Grüße und noch eine schöne Woche.
Willi Wacker
Landgericht Hamburg
Az.: 302 S 8/12
. 54A C 91/10
. AG Hamburg
Beschluss
In der Sache
…
– Kläger und Berufungskläger –
gegen
…
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
wegen Forderung
beschließt das Landgericht Hamburg – Zvilkammer 2 – durch die Richterin…, den Richter … am Landgericht und die Vorsitzende Richterin am Landgericht … 15.05.2013:
Die Kammer weist darauf hin, dass eine vertragliche Beziehung der Beklagten zu dem benannten Referenzbetrieb der … nach Auffassung der Kammer grundsätzlich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Verweisung zu begründen, denn ein Verweis an die mit dem Ersatzpflichtigen vertraglich verbundene Reparaturwerkstatt würde die Ersetzungsbefugnis des Klägers nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unterlaufen. Diese soll dem Gläubiger die Möglichkeit bieten, den Schaden in eigener Regie ohne Einfiussmöglichkeiten des Schädigers zu beheben und ihn davon befreien, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen. Es besteht die Gefahr, dass der Reparaturbetrieb wegen der dauerhaften vertraglichen Verbundenheit mit der Beklagten bei der Durchführung der Reparatur das ihr im Einzelfall bei der Wahl von Methode und Technik zustehende Ermessen zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten des Klägers ausübt. Der Geschädigte muss sich nach Auffassung der Kammer auch nicht in die Hand des Schädigers begeben. Ob und inwieweit die vom Referenzbetrieb angebotenen Preise (makt-)üblich sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die vertragliche Vereinbarung betreffe nur Kaskoschäden und der Kläger müsse sich wegen der gewählten fiktiven Abrechnung nicht tatsächlich in die Hand der Werkstatt begeben. Eine mögliche Interessenkollision bei dem Reparaturbetrieb ist durch die vertragliche Vereinbarung nicht nur bei Kaskoschäden begründet, sondern auch in dem hier in Rede stehenden Fall. Auch ist es gerade Wesen der Ersetzungsbefugnis, sich nicht in die Hand des Schädigers begeben zu müssen und lediglich den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte sich auch im Rahmen fiktiver Abrechnung nicht den Einflussmöglichkeiten des Schädigers und dessen Versicherung aussetzen muss.
Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete vertragliche Verbindung zur … nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass es sich bei der Beklagten um eine „Partnerversicherung“ des Reparaturbetriebs handelt. Der Beklagten wird aufgegeben, binnen zwei Wochen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher dazu vorzutragen, ob eine vertragliche Vereinbarung mit dem Reparaturbetrieb der … und ihr besteht und welchen Inhalt diese Vereinbarung gegebenfalls hat. Auf die prozessuale Wahrheitspflicht wird hingewiesen.
Sollte eine Verweisung an … wegen einer vertraglichen Verbindung mit der Beklagten scheitern, wäre die Zulässigkeit einer Verweisung an die beiden weiter benannten Referenzbetriebe der Firma … und der Firma … zu prüfen. Die Gleichwertigkeit der Reparaturleistungen der benannten Werkstätten wurde seitens des Klägers bestritten. Die Kammer weist darauf hin, dass es an einem geeigneten Beweisangebot hinsichtlich der Gleichwertigkeit der von den weiteren Referenzbetrieben angebotenen Reparaturleistungen bisher fehlt.
Im Hinblick auf den zu erwartenden weiteren Verlauf des Rechtsstreits rät die Kammer den Parteien dazu, erneut zu überprüfen, ob sie dem im Beschluss vom 13.02.2013 unterbreiteten Vergleichsvorschlag aus wirtschaftlichen Gründen näher treten möchten.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Grüß Gott, Willi Wacker,
endlich mal ein Gericht, dass sich mal ordentlich mit dem VW-Urteil auseinandersetzt.
Hut ab vor den Richtern in Hamburg.
Servus
Aigner Alois
„….. welchen Inhalt diese Vereinbarung gegebenfalls hat.“
Offenlegung der Vertragsbedingungen – Da scheint ja wohl ein cleverer Anwalt am Werke zu sein.
Um welchen Versicherer handelt es sich?
Dieses Argument ist schon seit Jahren an Hamburger Gerichten vorgetragen worden und bislang immer mit dem Hinweis, der Verweis an eine Referenzwerkstatt sei ohne Rücksicht auf die bestehenden vertraglichen Verhältnisse zwischen Werkstatt und Schädigerseite zulässig, ebenso lange abgebügelt worden. Warum die Erkenntnis erst jetzt kommt, vermag man nur vermuten. Immerhin: Besser später als nie ……
Das ist der richtige Weg.
Sachverständige,Werkstätten,Mietwagenunternehmer und Rechtsanwälte müssen sich vollkommen unabhängig von jeglicher Rücksicht auf die Interessenlage des Schadensersatzschuldners für den Kunden und Mandanten einsetzen.
Völlig zu Recht verlangte der diesjährige Verkehrsgerichtstag in Goslar,dass SV ihre eventuellen Beziehungen zu Versicherern ungefragt vorab offenbaren.
Dasselbe Verhalten von Werkstätten zu verlangen,ist nur folgerichtig.
Unfallopfer sind schon gut beraten,wenn sie freundlichen Hilfsangeboten mit äusserster Zurückhaltung begegnen.
Von einem Vergleich würde ich hier dem Kläger abraten,denn der Versicherer kann doch auch jederzeit anerkennen und so ein veröffentlichungsfähiges Urteil verhindern.
Sehr geehrter Herr RA. Imhof,
Ihr Gedankengang ist excellent. Ich fürchte nur, dass die Werkstattinhaber und ihre Bediensteten nicht von sich aus ihre eventuellen Beziehungen zu den Versicherungen offenbaren. Aber man kann ja durch Aufrufe erreichen, dass der potentielle Kunde der Werkstatt im Vorfeld nach vertraglichen Beziehungen fragt. Sollten die Mitarbeiter unwahre Tatsachen behaupten, so macht sich der Werkstattinhaber schadensersatzpflichtig.
Die Versicherungen haben nicht umsonst ihr Referenzwerkstattnetz aufgebaut. Sicherlich bestehen bei „Partnerwerkstätten“ vertragliche Beziehungen. Das riecht doch schon danach, denn nur Partner sind miteinander verbunden.
Aber auch dann, wenn die Werkstatt nicht als Partnerwerkstatt angegeben wird, müssen vertragliche Beziehungen zwischen Werkstatt und Versicherung bestehen, denn sonst würde die Versicherung diese billigere Werkstatt nicht benennen. Also ist immer danach zu fragen, welche Beziehungen zwischen Werkstatt und Versicherung bestehen.
Wenn dem Unfallopfer geraten wird, diese oder jene billigere Alternativwerkstatt im Vergleich zur markengebundenen Fachwerkstatt aufzusuchen, sollte der Geschädigte auf jeden Fall misstrauisch werden. Die Versicherung verweist nicht umsonst auf eine billigere Werkstatt, deren Gleichwertigkeit auch noch angezweifelt werden sollte.
Die billigen Preise der Referenzwerkstätten dienen doch nur dazu, den Schadensersatzbetrag, den der Schädiger zu erbringen hat, im Falle des Fiktivabrechners zu minimieren.
Das LG Hamburg ist auf dem richtigen Weg. Hoffentlich kommt es zu einem Urteil, das in den juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden kann. Sonst sind die Versicherungen immer fix dabei, Urteile oder Beschlüsse zu ihren Gunsten zu veröffentlichen. Auf der HP des GDV habe ich nichts zu diesem Hinweis- und Darlegungsbeschluss gelesen. Insbesondere, dass die Versicherung auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen wurde. Was sagt Herr Hoenen dazu?
@ Babelfisch: Warum die Erkenntnis erst jetzt kommt, vermag man nur vermuten.
Hallo Babelfisch, vielleicht hängt das damit zusammen, dass sich die Besetzung der 302. Zivilkammer beim LG Hamburg geändert hat. Es kommt schon vor, dass sich durch Neubesetzung eines Kollegialgerichtes dann auch die Rechtsprechung ändert.
Möglicherweise, und da spricht einiges aus dem Hinweis und Auflagenbeschluss, hat die Berufungskammer hinsichtlich der Wahrheitspflicht der beklagten Versicherung erhebliche Bedenken. Sie glaubt nicht mehr den Angaben in den umfangreichen Schriftsätzen. Nicht umsonst ist die beklagte Versicherung auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen worden. Ähnlich war es doch auch in Berlin-Mitte, wo der Amtsrichter von den Lügen der Versicherung die Nase voll hatte und explizit das Wort „Prozessbetrug“ ins Urteil schrieb.
Mit freundlichen koll. Grüßen
Willi Wacker
Ebenso bereits:
LG Bonn 20.08.2008 5S 96/08
LG Bonn 02.10.2008 8S 95/08
Der Verweis des Geschädigten auf eine wirtschaftlich mit der Kraftfahrzeughaft-pflichtversicherung des Schädigers verbundene Fachwerkstatt entwertet aber das Recht des Geschädigten, die Reparatur zu üblichen Konditionen in Eigenregie vornehmen zu können.
Zudem muss er aufgrund der wirtschaftlichen Verbundenheit der Werkstatt mit dem beklagten Versicherer befürchten – mag sich die Befürchtung in concreto auch nicht realisieren -, dass
dieser bei der Reparatur auch (nachvollziehbare) Interessen des Schädigers wahrnimmt, den Schaden möglichst gering zu halten.
MfG.
K.-H.W.
Ver|trau|ens|arzt, der:
1. Arzt, der im Auftrag der gesetzlichen Kranken- u. Rentenversicherung Krankheitsfälle von Versicherten bes. im Hinblick auf Arbeitsunfähigkeit, Berufs- od. Erwerbsunfähigkeit zu begutachten hat.
2. Arzt, der als Berater einer privaten Krankenversicherung tätig ist.
Jetzt versteht man im Vergleich vielleicht etwas besser, was man unter Vertrauenswerkstätten/Referenzwerkstätten, Vertrauenssachverständigen usw.,usw.vielleicht auch noch
verstehen kann.
Ludwig K.
Hei Ludwig L.,
Vertrauenarzt, —>
weil der das Vertrauen der Krankenversicherung, der Rentenversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung hat.
Vertrauenwerkstatt, —>
weil die das Vertrauen der Versicherung hat.
usw.