Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenende geben wir Euch ein weiteres Sachverständigenkosten-Urteil bekannt. In diesem Fall war es die Zurich-Versicherung, die meinte, eigenmächtig die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ kürzen zu können. Die Anwaltliche Verrechnungsstelle hatte aus abgetretenem Recht die restlichen Sachverständigenkosten geltend gemacht. Das einzige Argument der Zurich Versicherung als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung war, dass die geltend gemachte Schadensersatzposition „Sachverständigenkosten“ übersetzt sei. Dieses aus dem Werkvertragsrecht resultierende Argument ist im Rahmen des Schadensersatzprozesses nicht relevant. Im Schadensersatzprozess kommt es auf werkvertragliche Gesichtspunkte nicht an. Im Übrigen hat der Schädiger grundsätzlich auch überhöhte Sachverständigenkosten zu ersetzen, denn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare zum Urteil des AG Regensburg vom 19.9.2013 – 11 C 1410/13 – bekannt.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Regensburg
Az.: 11 C 1410/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG, vertreten durch d. Vorstand, Schanzenstraße 30, 51063 Köln
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte R. R. GmbH in Köln
gegen
Zürich Insurance plc, Solmstr. 27-37, 60486 Frankfurt
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. M. in Köln
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Regensburg durch den Richter am Amtsgericht … am 19.09.2013 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2013 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 140,12 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 26.06.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
Die Parteien streiten um einen Teilbetrag in Bezug auf Gutachterkosten als Schadensersatzposition hinsichtlich eines Verkehrsunfalls, der sich am 17.01.2013 in Pentling ereignete.
Der Geschädigte gab ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe hinsichtlich des Unfallwagens in Auftrag. Mit Rechnung vom 14.02.2013 berechnete das Sachverständigenbüro einen Betrag von 820,80 Euro brutto. Mit Schreiben vom 26.02.2013 rechnete die Beklagte die geforderten Sachverständigenkosten dahingehend ab, dass ein Betrag von 680,68 Euro geleistet und ein Betrag von 140,12 Euro gekürzt wurde. Dieser Restbetrag wird seitens der Klagepartei aus abgetretenem Recht von der Beklagten ersetzt verlangt.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagten wird verurteilt, an die Klägerin 140,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, die Sachverständigenkosten seien überhöht. Das Sachverständigenhonorar sei lediglich in der tatsächlich gezahlten Höhe angemessen und auch erforderlich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 249, 398 BGB besteht ein Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Gutachterkosten in der geforderten und zugesprochenen Höhe.
1.
Die Klägerin ist aufgrund der wirksamen Abtretung unbestritten akitvlegitimiert.
2.
Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall steht außer Streit.
3.
Die Kosten des Sachverständigengutachtens sind erstattungsfähig.
Die Sachverständigenvergütung stellt einen ersatzpflichtigen Folgeschaden des Unfallereignisses dar, da die Gutachtenskosten bei dem im konkreten Fall eingetretenen Schaden am Fahrzeug des Geschädigten, welcher mit 4.086,76 Euro netto bewertet wurde, aus Sicht des Geschädigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Insbesondere handelt es sich nicht um einen bloßen Bagatellschaden, der eine sachkundige Schadensfeststellung als überflüssig erschienen ließe. Insoweit hatte der Geschädigte das Recht ein Sachverständigengutachten zu erholen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist dabei grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB anzusehen.
Eine Grenze ergibt sich lediglich aus der Obliegenheit der Geschädigten zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 BGB. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift konnte nicht festgestellt werden. Der Geschädigte ist vor Beauftragung eines Sachverständigengutachtens mangels Kenntnis der branchenüblichen Marktpreise nicht gehalten, Marktforschung zu betreiben. Er kann insofern die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen.
Bei dem abgerechneten Honorar für die Gutachtenserstellung handelt es sich aufgrund der durch Schätzung gem. § 287 ZPO gewonnenen Überzeugung des Gerichts um den erforderlichen Geldbetrag im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Als Grundlage der Schätzung ist auf die BVSK-Honorarbefragung 2013 abzustellen. Diese Befragung stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar. Das vorliegend angesetzte Grundhonorar hält sich entsprechend der zugrundeliegenden Schadenshöhe im Rahmen dieser Schätzgrundlage. Insoweit kommt es hier auch nicht darauf an, ob, wie von der Beklagtenseite bestritten, eine Honorarvereinbarung getroffen wurde, oder ob es sich um eine Bestimmung nach billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB handelt.
Auch liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten vor. So steht die Höhe des geltendgemachten Honorars nicht derart in einem Mißverhältnis zur Schadenshöhe oder zur Höhe der ausgewiesenen Reparaturkosten, dass dem Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Insofern ist dem Gericht nicht nachvollziehbar, wie der Geschädigte eine behauptete Überhöhung der Honorarforderung von 140,12 Euro zur geleisteten Zahlung der Beklagten in Höhe von 680,68 Euro als ohne weiteres erkennbar betrachten kann. Aus der dargestellten Relation zwischen den genannten Beträgen sowie der mitgeteilten Gesamtschadenshöhe und des Gesamtbetrages der Sachverständigenrechnung ist kein Anhaltspunkt für eine Überhöhung ersichtlich. Unter Berücksichtigung einer Schadenshöhe von bis zu 4.250,00 Euro, ausgehend von den Reparaturkosten netto und der merkantilen Wertminderung im Sinne der BVSK-Tabelle, errechnet sich ein Grundhonorarkorridor, bei welchem je nach Schadenshöhe zwischen 50 % und 60 % der BVSK-Mitglieder ihrer Honorar in Höhe von 510,00 Euro bis 553,00 Euro netto zzgl. Nebenkosten und Mwst berechnen. Der Sachverständige hat insoweit bei seiner Honorarrechnung das Grundhonorar in einem Korridor abgerechnet, in welchem je nach Schadenshöhe zwischen 50 % und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar abrechnen. Dies ist nicht zu beanstanden.
Der Sachverständige hat sich auch bei den Nebenkosten im Rahmen des einem Sachverständigen zustehendem Ermessen bei der Schadensfeststellung und Schadensdokumentation gehalten. Der Sachverständige kann daher auch in Routinefällen bestimmen, welche Fotodokumentationen er für erforderlich hält. Mutwilligen, überobligationsmäßigen Aufwand kann das Gericht vorliegend nicht feststellen. Die geringfügige Überschreitung der BVSK-Tabelle im Hinblick auf Büro-und Verbrauchsmaterial bzw. Restwertermittlung macht die Festsetzung des Sachverständigen nach § 315 BGB nicht unzulässig. Der zweite Fotosatz erscheint erstattungsfähig, da er zur Rechtsverfolgung notwendig war, da ansonsten der Geschädigte dieses Beweismittel bei der Geltendmachung des Schadens aus der Hand geben müsste. Die kostenpflichtigen Fremdleistungen (Restwertermittlung) erscheinen zudem zur Gutachtenserstattung als erforderlich. Das Gericht vermag die Nebenkosten daher nicht zu beanstanden.
Nach der dargelegten Schätzung im Sinne von § 287 ZPO halten sich die hier abgerechneten Kosten im Bereich des Üblichen, so dass jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen. Die Klägerin hat somit nach Teilerfüllung gem. § 362 BGB gegen die Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch aus abgetretenem Recht in der tenorierten Höhe.
4.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
5.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Regensburg (vgl. Urteil im Verfahren 2 S 134/10) ist die Berechnung eines pauschalen Grundhonorars in Abhängigkeit von der Schadenshöhe allgemein üblich und zulässig. Insofern ist auch für die Höhe der Sachverständigenkosten die ermittelte Honorartabelle (BVSK) als Schätzgrundlage geeignet. Bei einem angemessenen Verhältnis zwischen Schadenshöhe und Begutachtungskosten hat eine Überprüfung der einzelnen Positionen, insbesondere einzelner Nebenkosten grundsätzlich zu unterbleiben.
Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Ein Urteil zur Schadenersatzverpflichtung für das entstandene Sachverständigenhonorar mit den bereits bekannten Argumenten.-
Die Schätzung war aber nicht erforderlich und die Bezugnahme auf ein Honorartableau ebenso wenig, denn selbst bei einer Abrechnung außerhalb der Grenzen eines solchen Honorartableaus könnte man nicht ohne weiteres auf eine Überhöhung schließen, die der Geschädigte bemerkt haben müßte und einmal davon abgesehen, wäre auch noch dann das Honorar erstattungspflichtig. Ein Gutachten ist erst dann in a l l e n Ausfertigungen vollständig, wenn es die zum Schaden angefertigte Fotodokumentation enthält und wie diese ihrem Umfang nach als erforderlich anzusehen ist, entscheidet einzig und allein der Sachverständige, denn es geht u.a. dabei um die schlüssige Untermauerung und Verdeutlichung zur Schadenbeschreibung im Gutachten selbst. Fast einzig die Bezugnahme aus § 315 BGB kommt mir hier spanisch vor. Auch der Frage der Angemessenheit wurde hier wieder eine Bedeutung zugemessen. Auch dieser Gedankengang war schadenersatzrechtlich nicht veranlaßt. Trotzdem kann die Beklagte auch mit diesem Urteil nicht hausieren und auf Dummenfang gehen.
Mit besten Grüßen
Gabriel F.