Mit Urteil vom 18.10.2013 (811b C 238/12) hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek die Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 71,17 € sowie zur Freihaltung von vorgerichtlichen RA-Kosten verurteilt. Die Rechtsanwälte der Halterin, von der HUK-Coburg beauftragt, hatten wie üblich das Urteil des LG Saarbrücken vom 03.02.2012 angeführt. Das Gericht folgt dem ausdrücklich nicht. Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nur in dem zugesprochenen Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall vom xx.xx.2012 aus den §§ 7 StVG, 823,249 BGB aus abgetretenem Recht.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von Euro 71,17. Dem geschädigten Zedenten sind Sachverständigenkosten in Höhe von netto Euro 461,17 entstanden. Hierauf hat die Versicherung der Beklagten lediglich Euro 390,00 gezahlt und den Ausgleich weiterer Sachverständigenkosten unter dem 09.09.2012 abgelehnt. Sie ist nicht berechtigt, die Zahlung des Restbetrages zu verweigern. Insbesondere kann sie dem Geschädigten nicht vorwerfen, er habe durch die Beauftragung des Klägers gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Nach diesem Gebot ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insgesamt auf seine individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um für einen Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Nach diesen Maßstäben war die Beauftragung des Klägers durch den Geschädigten kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Preise des Klägers weichen nicht in einer solchen Weise von den üblichen Marktpreisen ab, dass eine Überhöhung für den Zedenten ohne weiteres erkennbar war. Der Nettopreis lag gerade 18 Prozent über dem von der Haftpflichtversicherung der Beklagten als ortsüblich bezeichneten Betrag. Damit liegt er in einem Bereich, in dem der durchschnittliche Geschädigte keine Veranlassung hat von einer Unangemessenheit der Höhe der Vergütung auszugehen. Dahin stehen kann nach der Auffassung des Gerichts, ob einzelne Positionen der Nebenkosten deutlicher von den üblichen Vergütungen abweichen. Entscheidend ist die letztlich anfallende Gesamtvergütung. Dieser Erwägung liegt zu Grunde, dass auch im Falle einer Marktvergleichung für die Entscheidung der Beauftragung eines Gutachters die Gesamtvergütung der entscheidende Bezugspunkt ist, denn höhere Nebenkosten können möglicherweise durch niedrigere Honorare ausgeglichen werden. Der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken aus seiner Entscheidung vom 3. Februar 2012 folgt das Gericht nicht.
Die Beklagte hat ihren Vortrag, das beschädigte Fahrzeug gehöre zum Betriebsvermögen des Zeugen X nicnt beweisen können. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass das beschädigte Fahrzeug nicht zum Betriebsvermögen gehört, sondern dem Privatvermögen des Zeugen zuzurechnen ist. Dies hat der Zeuge glaubhaft unter Vorlage eines Schreibens seines Steuerberaters, welches diesen Vortrag bestätigt, ausgesagt. Damit ist der Geschädigte insoweit nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Ein auf den Schaden anzurechnender Vorteil ist nicht gegeben.
Der Anspruch auf Schadensersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 39,00 EUR folgt aus § 286 i.V.m. § 249 Abs. 2, 398 Satz 1 BGB, da diese aufgrund der Weigerung der Versicherung der Schädigerin vom 21.04.2012, den restlichen Betrag der Gutachterkosten auszugleichen als notwendige Rechtsverfolgungskosten angefallen sind.
Ein Schadensersatzanspruch bezüglich der Kosten i.H.v. 5,10 EUR für die Einholung einer Halterauskunft bestehen hingegen nicht. Der Kläger hat für die bestrittene Behauptung, dem Geschädigten seien die Daten der Hafterin nicht bekannt gewesen, keinen Beweis angetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die dem Kläger nicht zugesprochenen Nebenkosten haben den Streitwert nicht erhöht und sind vom Umfang her im Verhältnis zur Hauptforderung als verhältnismäßig geringfügig anzusehen, da sie unter 10% liegen (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 92 Rn 11 m.w.N.). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Klage ist lediglich in Bezug auf die Kosten der Einholung einer Halterauskunft abgewiesen worden. Die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor.
Soweit das AG HH-Barmbek.
Hallo Babelfisch,
mein Glückwunsch geht an die Anwälte der Kanzlei „Hamburger Meile“.
Ein perfektes Urteil, ganz ohne Honorarerhebungen. Und dann noch die marktwirtschaftliche Erkenntnis des Richters bezüglich der Erstattung der Neben-Aufwendungen, ohne die kein Sachverständiger den Auftrag „Erstattung des Gutachtens zum Zweck der Beweissicherung und zu Feststellung der zu erwartenden Schadenersatzleistungen aus Sicht des Auftraggebers“ erfüllen kann:
„Der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken aus seiner Entscheidung vom 3. Februar 2012 folgt das Gericht nicht.“
Obwohl bzw. weil der Gesetzgeber keine Überprüfung von Urteilen von Amtswegen vorgesehen hat, findet diese dennoch und jedem zur Kenntnis, wie hier – zunehmend öffentlich – statt.
Gruß Virus
Hallo, Willi Wacker,
wieder ein Argument weniger, was die Nebenkostenfrage betrifft und auch hier ist das Urteil des LG Saarbrücken verworfen worden. Zutreffend hat das Gericht vielmehr darauf abgestellt, ob dem Kläger die Höhe der Gesamtvergütung als unverhältnismäßig hätte ins Auge springen müssen. Dafür gibt es aber regelmäßig kein Argument und auch hier hat die hinter der Schädigerin stehende Haftpflichtversicherung in ihrem Kürzungswahn das Verurteilungsrisiko auf die Versicherungsnehmerin abgewälzt. Hoffentlich erfährt diese, dass sie wegen der rechtswidrigen Regulierung ihrer Versicherung verurteilt wurde.
„Dahin stehen kann nach der Auffassung des Gerichts, ob einzelne Positionen der Nebenkosten deutlicher von den üblichen Vergütungen abweichen. Entscheidend ist die letztlich anfallende Gesamtvergütung. Dieser Erwägung liegt zu Grunde, dass auch im Falle einer Marktvergleichung für die Entscheidung der Beauftragung eines Gutachters die Gesamtvergütung der entscheidende Bezugspunkt ist, denn höhere Nebenkosten können möglicherweise durch niedrigere Honorare ausgeglichen werden. Der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken aus seiner Entscheidung vom 3. Februar 2012 folgt das Gericht nicht.“
Mit freundlichen Grüßen
aus Frankfurt
E.F.
Hallo E.F.,
zunächst einmal muss ich darauf hinweisen, dass nicht ich, sondern Babelfisch das Urteil eingestellt hat. Ich glaube aber, dass ich auf Folgendes hinweisen darf, nämlich
dass das Urteil des LG Saaarbrücken eine Einzelfallentscheidung ist und im Ergebnis eine absolute Mindermeinung darstellt und diese Tatsache sich mittlerweile in ganz Deutschland herumgesprochen haben dürfte. Sogar die um Saarbrücken liegenden Landgerichte wenden das Saarbrücker Nebenkosten-Urteil nicht an. Sie sprechen sich vielmehr gegen LG Saarbrücken aus.
Mit freundlichen Grüßen nach Frankfurt
Willi Wacker
Hallo Virus,
zwar kommt das Gericht offensichtlich ganz ohne Honorarerhebungen aus. Inzidenter überprüft das erkennende Gericht aber die vom Sachverständigen berechneten Kosten mit „den üblichen Marktpreisen“ (was auch immer darunter zu verstehen ist!). Insoweit erfolgt gleichwohl eine interne Prüfung, und zwar offensichtlich mit gerichtsbekannten Preisen, die dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt geworden sind.
Wenn ein Gericht im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO vorgehen will, muss es einfach Vergleichsmassstäbe haben, sonst ist eine vergleichende Schätzung nicht möglich.
Hier hat zwar das Gericht nicht wörtlich auf irgendwelche Vergleichsmassstäbe Bezug genommen, im Urteil jedioch die „üblichen Marktpreise“ zugrunde gelegt.
Hallo und besten Dank für die regelmäßigen Aktualisierungen.
Zum Urteil:
„Ein Schadensersatzanspruch bezüglich der Kosten i.H.v. 5,10 EUR für die Einholung einer Halterauskunft bestehen hingegen nicht. Der Kläger hat für die bestrittene Behauptung, dem Geschädigten seien die Daten der Hafterin nicht bekannt gewesen, keinen Beweis angetreten.“
Eine derartige Kostenaufstellung habe ich persönlich noch in keinem SV-Gutachten gesehen. Aber an einer solchen Position kann man sicherlich arbeiten, denn der SV ist mitunter der Erste, der den Schaden begutachtet und danach folgt erst die Weiterleitung an den RA oder auch die Versicherung.
Ausgehend davon, dass der SV auch für die Haftpflichtversicherung des Unfallveruraschers tätig wird, wäre es – bei geeignetem Beweisantritt – folgerichtig, diese Kosten gesondert in Rechnung zu stellen und auch entsprechend auszuurteilen.
Next time…..
Weiter zum Urteil:
„Der Anspruch auf Schadensersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 39,00 EUR folgt aus § 286 i.V.m. § 249 Abs. 2, 398 Satz 1 BGB, da diese aufgrund der Weigerung der Versicherung der Schädigerin vom 21.04.2012, den restlichen Betrag der Gutachterkosten auszugleichen als notwendige Rechtsverfolgungskosten angefallen sind.“
Das neue RVG 2013 führt hoffentlich dazu, dass man sich nicht mehr um „Peanuts“ streiten muss, denn die nunmehrigen RA-Gebühren sind „überproportional“ gestiegen. Vlt. erzieht dies so manche Versicherung.
Wir führen gerne Streitigkeiten um diese „Peanuts“, denn die Musterklagen für die SV liegen in der Schublade.
Soweit man den abwegigen Argumentationen der Versicherungen folgen sollte, dass nur dies zu ersetzen sei, was diese als angemessen ansieht, sollte man sodann auch nur den Versicherungsbeitrag an seine eigene Haftpflichtversicherung überweisen, den man selbst als angemessen erachtet.
Auf die Antwort wäre ich gespannt, auch wenn die Kündigung des Versicherungsschutzes die zwingende Folge wäre.
Bei allem Lob für das Urteil möchte ich Folgendes anmerken:
Das Gericht hat als Maßstab für eine mögliche Überhöhung den von der Haftpflichtversicherung der Beklagten als ortsüblich bezeichneten Betrag bezeichnet. Dies ist das Gesprächsergebnis HUK – BVSK!
Wenn das Gericht diesen Maßstab bereits als ausreichend bewertet, nutzt es „Gürtel und Hosenträger“! Die vom Schädiger willkürlich als ortsüblich bezeichneten Kosten können kein Maßstab sein, weil damit dem Schädiger die Bewertung in die Hand gegeben wird.
Weiter hat das Gericht den Ersatz der Kosten einer Halteranfrage abgelehnt mit dem Hinweis, der Kläger hätte keinen Beweis angetreten für die Bestreiten des Beklagten, er habe keine Kenntnis gehabt von der Person des Halters. Wie bitte ist eine negative Tatsache zu beweisen??? Anders herum wäre es richtig: der Schädiger muss beweisen, dass der Kläger eben doch Kenntnis hatte.
Ja, Babelfisch, da haben wir es wieder – glauben ist nicht wissen.
Hallo Virus!
Also doch eine Überprüfung der berechneten Sachverständigenkosten im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO mit anderweitigen Tabellen und Listen, was nach BGH-Rechtsprechung ja auch grundsätzlich zulässig ist. Im konkreten Fall hat nach Angaben von Babelfisch das erkennende Gericht das Gesprächsergebnis sogar angewandt. Insoweit hat das Gericht eine Sondervereinbarung als Massstab zugrunde gelegt, was laut BGH VI ZR 53/09 gar nicht geht.
– Ein so hervorragendes Urteil ist es eben nicht!