Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenanfang geben wir Euch ein aktuelles Urteil zur fiktiven Abrechnung aus Berlin-Mitte mit einwandfreier Begründung gegen die Württembergische Versicherung bekannt. Die Frage der zumutbaren Verweisung wurde zutreffend verneint. Auch der Hinweis der beklagten Kfz-Versicherung, dass die Alternativwerkstatt ein EUROGARANT-Betrieb sei, war nicht zielführend. Er berechtigt alleine noch nicht die Verweisung auf diese Werkstatt als gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Der Schädiger ist nämlich darlegungs- und beweisverpflichtet. Dazu gehört dann schon mehr als nur eine reine Behauptung der Gleichwertigkeit. Auch die Ausführungen zu den Verbringungskosten und Ersatzteilaufschlägen bei fiktiver Abrechnung überzeugen. Das trifft allerdings nicht zu bei der Begründung zur Abweisung des Feststellungsantrags. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch die Kanzlei Robert Schwark in 13158 Berlin.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 112 C 3192/13 verkündet am : 08.01.2014
In dem Rechtsstreit
des …
Klägers,
gegen
die Württembergische Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Gutenbergstraße 30, 70176 Stuttgart,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 112, Littenstraße 12 -17, 10179 Berlin, im schriftlichen Verfahren gemäß § 49S a ZPO nach Schriftsatzfrist bis zum 9.12.2013 durch die Richterin am Amtsgericht …
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.5.2013 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom 7.4.2013 in Berlin zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden PKW Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen … und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … ein Anspruch auf Zahlung restlicher Reparaturkosten in Höhe von 143,30 € netto gemäß den §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249, 823 ff BGB zu.
Die alleinige Haftung der Beklagten für die dem Kläger aus dem vorgenannten Verkehrsunfall entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Soweit die Beklagte meint, der Kläger könne bei der vorgenommenen fiktiven Abrechnung seines Schadens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt nicht ersetzt verlangen, vermag das Gericht dieser Ansicht nicht zu folgen. Der Geschädigte ist auch nach den Entscheidungen des BGH vom 20.10.2009 zum Aktenzeichen VI ZR 53/09 und 23.2.2010 zum Aktenzeichen VI ZR 91/09 grundsätzlich berechtigt, die Kosten für eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt zu verlangen. Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Ab. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt verweisen, muss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Wenn das dem Schädiger, hier der Beklagten, gelungen ist, kann jedoch der Verweis auf eine freie Werkstatt immer noch unzulässig sein, und zwar dann, wenn das geschädigte Fahrzeug neu bzw. neuwertig ist, also in der Regel bis zu drei Jahre alt ist oder das Fahrzeug markenwerkstattgepflegt ist. Dies hat dann der Geschädigte darzulegen und zu beweisen.
Dass die von der Beklagten nachgewiesene, nicht markengebundene Werkstatt Firma … in Ahrensfelde tatsächlich eine gleichwertige Reparatur durchführen kann, hat die Beklagte schon nicht substantiiert dargelegt. Soweit die Beklagte behauptet, bei der nachgewiesenen Werkstatt handele es sich um einen Fachbetrieb, der Originalersatzteile verwende und die Arbeiten unter Berücksichtigung der Herstellergarantien nach den entsprechenden Empfehlungen und Richtlinien der Hersteller durchführe, handelt es sich ersichtlich um eine bloße floskelhafte Aufzählung abstrakter Merkmale, ohne Bezug auf den konkret vorliegenden Fall. So ist zum Beispiel nicht ersichtlich, welche Erfahrung die genannten Werkstätten mit der Reparatur von Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz haben, d. h. wie viele Fahrzeuge dieser Marke in welchem Zeitraum dort bereits repariert wurden. Daraus ließe sich zumindest ein bestimmtes Maß an Erfahrung ableiten. Auch ist offen, wie hoch der Ausbildungsstand des Personals ist, wie groß die Fluktuation des Personals ist. Ferner fehlen Angaben zur tatsächlichen Reparaturqualität (z. B. Mängelquote, Zahl der Reklamationen im Vergleich zu Markenwerkstätten bezogen auf Fahrzeugmarken und -typen) über einen längeren Zeitraum. Auch dies ist ein Parameter für die Qualifikation der Werkstatt. Auch der Hinweis auf eine Zertifizierung sowie die Mitgliedschaft im ZKF sowie im Eurogarant-Verbund ist nicht weiterführend. Die Zertifizierung betrifft ausschließlich das Managementsystem, nicht aber die Qualität der Reparaturen. Der ZKF und der Eurogarant-Verbund sind keine von den Kfz-Versicherern unabhängigen Verbände. Die Mitgliedschaft in diesen Verbänden ist damit kein Beleg für eine qualitativ hochwertige Reparatur wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt.
Darüber hinaus bietet die Reparatur in einer „freien“ Werkstatt keinen gleichwertigen Ersatz gegenüber der Reparatur in einer Markenwerkstatt. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Reparatur technisch gleichwertig ist. Denn gleichwertig ist nur die Ersatzmöglichkeit, die den Vermögensschaden vollständig beseitigt. Das ist bei einer Reparatur in einer freien Werkstatt nicht der Fall. Denn die Reparatur in einer Markenwerkstatt ist am Markt – ebenso wie Scheckheftpflege u. ä. – ein wertbildender Faktor. Die Gesamtheit der Autofahrer bringt Reparaturen in Markenwerkstätten eine größere Wertschätzung entgegen, als Reparaturen in freien Werkstätten. Dies kann das Gericht aus eigener Sachkunde beurteilen, da die erkennende Richterin in den vergangenen Jahrzehnten diverse Pkw selbst erworben und veräußert hat und darüber hinaus seit nahezu zehn Jahren ausschließlich mit Verkehrssachen befasst ist. Diese Wertschätzung ist ein realer Wirtschaftsfaktor und nicht bloß ein ideeller Wert. Im Ergebnis bedeutet die Offenbarung, ein Fahrzeug weise einen reparierten Unfallschaden auf, eine Minderung des Verkaufswertes.
Schließlich vermag das Gericht auch nicht die Argumentation nachzuvollziehen, wonach der Schädiger dem Geschädigten ein annahmefähiges Angebot, etwa in Form eines konkreten Kostenvoranschlages, nicht unterbreiten müsse. Die Begründung, der Geschädigte wolle ja gar nicht sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen, so dass er auch kein tatsächliches Reparaturangebot benötige, trägt nicht. Schließlich ist ja eine Gleichwertigkeit der nachgewiesenen Reparaturmöglichkeit durch den Geschädigten zu überprüfen und zwar unabhängig davon, ob er sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen will oder nicht. Nur wenn eine Gleichwertigkeit vom Geschädigten erkennbar ist, muss er sich auch auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweisen lassen. Wenn dem Geschädigten aber kein prüffähiges Angebot vorgelegt wird, vermag das Gericht nicht zu erkennen, wie der Geschädigte dann die Prüfung der Gleichwertigkeit vornehmen soll. In der Konsequenz würde das nämlich bedeuten, dass der Geschädigte auf den Zuruf einer markenfreien Alternativwerkstatt durch den Schädiger selbst Ermittlungen zur Qualität der angebotenen Reparaturmöglichkeit entwickeln muss, um feststellen zu können, ob die Gegenseite tatsächlich eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit angeboten hat. Gerade hierzu ist der Geschädigte aber nicht verpflichtet. Nach Auffassung des Gerichts muss das Angebot des Schädigers so konkret sein, dass der Geschädigte, ähnlich der Lage bei abweichenden (höheren) Restwertgeboten, tatsächlich nur noch zugreifen muss; nur dann kann von einer „mühelos“ zugänglichen Alternative gesprochen werden. Hierfür bedarf es grundsätzlich eines verbindlichen Reparaturangebotes der aufgezeigten Werkstatt.
Insgesamt ist eine Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit in der von der Beklagten angebotenen freien Werkstätten nicht ersichtlich. Auf das Alter des klägerischen Fahrzeugs sowie die Frage der Scheckheftgepflegtheit kommt es damit im Ergebnis nicht an.
Der Kläger kann von der Beklagten auch den Ersatz der im klägerischen Gutachten berechneten UPE-Aufschläge verlangen, da diese zu den notwendigen Kosten der Wiederherstellung gehören, die unabhängig von der tatsächlichen Durchführung der Reparatur zu erstatten sind. Die Höhe des Kleinteilezuschlags von 8 % ist nicht zu beanstanden, § 287 ZPO.
Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Zinsen auf die Gerichtskosten war mangels hinreichender Bestimmbarkeit zurückzuweisen. Es ist nicht feststellbar, auf welche Gerichtskosten der Kläger Zinsen begehrt. Darüber hinaus ist auch das Ende des Zinszeitraums nicht bestimmbar und unterliegt ausschließlich dem Willen des Klägers. Je nachdem, ob der Kläger den Kostenfestsetzungsantrag früher oder später einreicht, verkürzt oder verlängert sich der Zinszeitraum.
Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288 BGB begründet. Soweit der Kläger Zinsen ab 25.4.2013 begehrt hat, unterlag die Klage der Abweisung, da die vom Klägervertreter mit Schriftsatz vom 10.4.2013 (Anlage K2) gesetzte Regulierungsfrist von knapp 14 Tagen zu kurz bemessen ist. Verzug trat daher erst mit der endgültigen und ernsthaften Leistungsverweigerung der Beklagte mit Abrechnungsschreiben vom 22.5.2013 (Anlage K3) ein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. II ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. IV ZPO nicht vorliegen. Der Streitwert für den Klageantrag zu 2) wird gemäß § 3 ZPO auf 3,00 € festgesetzt.
Ein hervorragendes Urteil.
Wieder einmal hat sich gezeigt, dass Eurogarant alleine kein Kriterium für gleichwertiges Reparieren ist.
Hervorragend auch, dass Verbringungskosten und UPE-Zuschläge fiktiv zugesprochen wurden.
Nicht überzeugend sind die Ausführungen zur Abweisung der Gerichtskosten, die der Kläger eingezahlt hat und damit für den Beklagten, der die Kosten des Rechtsstreites zu tragen hat, vorgeschossen hat.