AG Eisenhüttenstadt entscheidet zu der Umsatzsteuer bei tatsächlich durchgeführter Ersatzbeschaffung nach wirtschaftlichem Totalschaden mit Urteil 28.5.2013 – 6 C 105/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

es hat zwar etwas länger gedauert als ich wollte, um dieses interessante Mehrwertsteuer-Urteil hier im Blog einzustellen. Nachfolgend geben wir Euch hier eine Streitsache um die Mehrwertsteuer aus Eisenhüttenstadt bekannt. Der erkennende Richter hat sich nicht von der Allianz  Versicherungs AG  hinters Licht führen lassen und die angefallene Mehrwertsteuer zugesprochen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

6 C 105/12                                                                              Verkündet am 28.05.2013

Amtsgericht Eisenhüttenstadt

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Allianz Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt
auf die mündliche Verhandlung vom 02. Mai 2013
durch Richter am Amtsgericht …

für  R e c h t  erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.081,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 15. September 2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Unstrittig ist dem Grunde nach die Beklagte vollumfänglich ersatzpflichtig für die Schäden, welche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom xx. Juni 2011 auf der Landstraße zwischen Eisenhüttenstadt und Vogelsang an ihrem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … entstanden sind. Streit besteht ausschließlich darin, in welchem Umfang die Klägerin Ersatz für die geleistete Umsatzsteuer bei der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges beanspruchen kann. Hierauf hatte die Beklagte vorgerichtlich 349,49 EUR geleistet.

Die Klägerin hat behauptet, dass ausgehend vom Gutachten des Dipl-Ing. Q. die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 7.530,86 EUR betragen würden, bei 19 % würde die Mehrwertsteuer 1.430,86 EUR betragen. Der Wiederbeschaffungswert sei mit netto 8.550,21 EUR zu veranschlagen. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch ein vergleichbares Gebrauchtfahrzeug zu einem Endpreis von 8.990,00 EUR erworben, worin eine Umsatzsteuer von 1.435,38 EUR ausgewiesen sei. Diesen Betrag hätte die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.085,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.09.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie hat behauptet, dass das beschädigte Fahrzeug lediglich differenzbesteuert hätte gekauft werden können. Mithin schulde die Beklagte lediglich Mehrwertsteuer in Höhe der Differenzbesteuerung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02. Mai 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

In Würdigung des beiderseitigen Vortrages erwies sich die Klage als weitestgehend begründet, weshalb ihr insoweit zu entsprechen und sie lediglich hinsichtlich eines Teils abzuweisen war.

Hinsichtlich der nötigen Reparaturkosten waren in Ermangelung nachvollziehbaren Gegenvortrages die Ermittlungen des Schadensgutachtens des Herrn … zugrunde zu legen. Sofern die Beklagte einen um 379,26 EUR netto geringeren Betrag anführte, blieb mangels näherer Darstellung nicht nachvollziehbar, woraus sich konkret dieser Unterschiedsbetrag ermittelt. Dabei ist zu beachten, dass beide Ermittlungen lediglich im geringen Umfang, nämlich weniger als 5 % voneinander abweichen und dies auf Schätzungen beruhen kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die von der Klägerin zitierte Entscheidung BGH NJW 2013, 1151 für die anstehende Entscheidung einschlägig. Die durch das Schadensgutachten kalkulierten Reparaturkosten sind geringer als der Wiederbeschaffungswert. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot bestand mithin ein Anspruch nur in Höhe der Reparaturkosten. Sofern gleichwohl die Klägerin sich ein Ersatzfahrzeug anschaffte, kann sie für die Umsatzsteuer nur beanspruchen, wenn und insoweit selbige angefallen ist. Indes ist der Anspruch auf den Umsatzsteuerbetrag auf denjenigen begrenzt, der bei Durchfuhrung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.

Die als Anlage K 2 eingereichte Rechnung weist ein Umsatzsteuerbetrag von 1.435,38 EUR aus. Dieser ist höher, als der im Schadens gutachten kalkulierte Betrag für die Reparaturkosten, nämlich von 1.430,86 EUR. Mithin war letzterer Betrag derjenige, welcher von der Klägerin als Höchstbetrag an Umsatzsteuer bei der Ersatzbeschaffung von der Beklagten zum Ersatz beansprucht werden konnte. Unstrittig hat die Beklagte hierauf 349,49 EUR geleistet, weshalb sie noch den Differenzbetrag von 1.081,37 EUR zu erstatten hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich dabei aus § 288 BGB.

Demgemäß war über die Klage zu befinden. Weil das Unterliegen der Klägerin lediglich im sehr geringen Umfang besteht und mangels Sprunges in den Gebührensätzen nicht kostenrelevant ist, waren der Beklagten gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vollumfänglich die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung bestimmt sich nach § 709 ZPO.

Und jetzt bitte Eure Kommentare.

Dieser Beitrag wurde unter Allianz Versicherung, Erfreuliches, Haftpflichtschaden, Mehrwertsteuer, Urteile, Wichtige Verbraucherinfos abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu AG Eisenhüttenstadt entscheidet zu der Umsatzsteuer bei tatsächlich durchgeführter Ersatzbeschaffung nach wirtschaftlichem Totalschaden mit Urteil 28.5.2013 – 6 C 105/12 -.

  1. RA Schwier sagt:

    Der Vortrag, dass das Ersatzfahrzeug nur differenzbesteuert zu erwerben sei, mag „geschickt“ klingen, aber will die Versicherung nunmehr sogar Händlern vorschreiben, welche Umsatzsteuer auf die Fahrzeuge erhoben werden soll?!?! Schlichtweg eine Frechheit, denn die Umsatzsteuer ist zu erstatten, soweit sie angefallen ist.

    Die Entscheidung ist nur konsequent. Bei uns im Büro läuft dies unter „MissionPossible“ oder „Mischen-Possible“. Aber ld. verstehen es einige Sachbearbeiter nicht, oder müssen eben weisungsgebunden die Regulierung ablehnen.

    Ld. ist es aber auch so, dass man einen Mdt. bei einer solchen Klage auf das Prozesskostenrisiko hinweisen muss. Erklärt man sodann, dass notfalls ein SV-Gutachten eingeholt werden muss (selbst schon zu der Frage der Differenzbesteuerung erlebt), dann gehen die Mundwinkel ganz schnell runter, wenn keine RSV besteht.

  2. insider sagt:

    Vorher hat die Versicherung den Fahrzeugschaden mit Wiederbeschaffungswert netto 8550,21 minus 1800 Euro Restwert (brutto) zu 7250,21 Euro reguliert und lag damit noch unter den Reparaturkosten in Höhe von 7530,86 Euro, also für die Versicherung günstiger. Hierzu hat die Versicherung jedoch einen Bruttowert zugrundegelegt. Hätte dieses Fahrzeug einer Firma gehört (zum Betriebsvermögen), hätte die Versicherung von den 1800 Euro Restwert lediglich 1512,60 Euro abziehen dürfen, weil diese Firma die restlichen 287,40 Euro Mehrwertsteuer sofort davon hätte an das Finanzamt abführen müssen. Also hat hier die Anspruchstellerin noch zumindest diese 287,40 Euro Mehrwertsteuer aus dem Restwert gut, wenn sie diese höhere Mehrwertsteuer tatsächlich aufwendet und nachweist, gegenüber der aus den eigentlichen Reparaturkosten. Somit hätte man ihr diese 4,52 Euro auch noch zugestehen müssen.
    Aber sonst , schönes Urteil !

  3. Spezialist sagt:

    „Ld. ist es aber auch so, dass man einen Mdt. bei einer solchen Klage auf das Prozesskostenrisiko hinweisen muss. Erklärt man sodann, dass notfalls ein SV-Gutachten eingeholt werden muss (selbst schon zu der Frage der Differenzbesteuerung erlebt), dann gehen die Mundwinkel ganz schnell runter, wenn keine RSV besteht.“
    Hallo Herr Schwier
    Der Nettowert ,die Umsatzsteuer nach § 25a Ustg und nach § 10 müssen seit 2002 in jedem Gutachten drin stehen, ansonsten ist es Mangelhaft, dann muß nachgebessert oder ein qualifizierter Sachverständiger beauftragt werden und zwar noch vor Klage. Mit diesen Werten im Gutachten läßt sich, je nach Verhalten des Ast bezüglich der danach aufgewendeten Mwst, dann der entsprechende Mwst-Satz bis zu den im Gutachten enthaltenen Höchstgrenzen begründen. Die Mwst Erstattung hängt nach dem Gesetz nur davon ab (so wollten es systemwidrig die von den Versicherungen-hat sogar BGH schon bemerkt nach 10 Jahren), nicht vom Unfallauto selbst. Vgl. auch ZFS 10/2003 !
    Nix Klagerisiko Sachverständigengutachten-voher selbst abklären ist der richtige Weg. Autohändler können (zum eigenen Umsatzvorteil) mit dieser Rechtssprechung sehr gut Privatkunden gegenüber zum Erwerb von neueren Fahrzeugen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer raten, weil diese nur dann mehr Geld von der Versicherung erstattet bekommen (zusätzlich die Differenz zwischen Ust nach §25a-also nur aus der Händlerhandelsspanne und 19% Ust vom Nettofahrzeugwert).

  4. Ra Imhof sagt:

    Liebe Kommentatoren.
    Bitte lesen : BGH v.05.02.2013 VI ZR 363/11
    Die Klägerin hat -mindestens gleichwertig- Ersatz beschafft.
    Sie hat deshalb in dieser Konstellation,in der bei der Ersatzbeschaffung Ust anfällt, Anspruch auf die Bruttoreparaturkosten falls sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist,Punkt, Aus,Ende,Feierabend!
    Urteil ist falsch,weil das Gericht das einschlägige BGH-Urteil nicht anwendet.
    So kommt es,dass der Klägerin 4,52€ zu Unrecht aberkannt wurden.
    Klar, das kann man im Ergebnis verschmerzen,aber hier handelt es sich um einen Verständnisfehler,der das Urteil leider grob entwertet,zumal der Klägervertreter völlig Richtigerweise auf das einschlägige Urteil hingewiesen hat.

  5. insider sagt:

    Herr Imhof bitte mal selbst das Urteil hier genau lesen!

    „Sie hat deshalb in dieser Konstellation,in der bei der Ersatzbeschaffung Ust anfällt, Anspruch auf die Bruttoreparaturkosten falls sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist,Punkt, Aus,Ende,Feierabend!“

    und im Urteil

    „die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 7.530,86 EUR betragen würden, bei 19 % würde die Mehrwertsteuer 1.430,86 EUR betragen. … Reparaturkosten sind geringer als der Wiederbeschaffungswert.Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot bestand mithin ein Anspruch nur in Höhe der Reparaturkosten.“

    Also genau was sie schreiben hat das Gericht hier auch ALS HÖCHSTMÖGLICHE UST zugestanden.
    Der Verständnisfehler lag hier lediglich in der Bewertung der bisherigen REGULIERUNG DIE AUS WBW NETTO MINUS RESTWERT BRUTTO BESTAND- ANSONSTEN WAR DIESES URTEIL GENAU IM SINNE DIESES BGH URTEILS.

  6. Ra Imhof sagt:

    @ Insider
    wir sind uns doch einig,dass 4,52€ zu Unrecht aberkannt wurden,oder etwa nicht?

  7. nachgehakt sagt:

    Bei älteren Autos gibt es auch volle 19% Mehrwertsteuer auf Nachweis- Spektakulär !!!
    Auch das Berufungsurteil des LG Frankfurt hierzu liegt bereits seit längerem bei C-HUK vor.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert