Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zwischendurch veröffentlichen wir auch interessante Mietwagen-Urteile. Nachfolgend geben wir hier wieder einmal ein Urteil zu den Mietwagenkosten mit deutlichen Worten des erkennenden Amtsrichters der 118. Zivilabteilung des AG Leipzig bekannt. Wieder einmal wollte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung die günstigeren Tarife der Fraunhofer-Erhebung durchsetzen. Der erkennende Richter hat mit deutlichen Worten jedoch auf die tatsächlichen Gegebenheiten hingewiesen. Die Begründung zeigt auf, dass Rechtsdogmatik und die Realität zweierlei paar Stiefel sind. Insgesamt handelt es sich um ein herrlich begründetes Urteil pro Schwacke. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab. Das gut begründete Urteil ist kein Aprilscherz.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 118 C 7198/13
Verkündet am: 22 11.2013
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2013 am 22.11.2013
für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 414,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 02.06.2011 zuzahlen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 414,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bezahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 414,11 € aus §§ 115 VVG, 249 BGB zu.
Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die Beklagte für sämtliche der Unfallgegner der Firma … GmbH entstandenen Schäden in vollem Umfang einzustehen hat, da der Verkehrsunfall, auf dem die Ansprüche beruhen, von der Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges allein verschuldet wurde.
Entgegen der Auffassung der Beklagten umfasst der Schadensersatzanspruch auch noch weitere 414,11 € Mietwagenkosten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie auch verpflichtet, nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 berechnete Mietwagenkosten zu begleichen.
Das Gericht erachtet, anders als die Beklagte, den Schwacke-Mietpreisspiegel als eine hinreichende Bemessungsgrundlage für eine Schadensschätzung hinsichtlich der Mietwagenkosten. Zwar mag es sein, dass eine Schwäche des Schwacke-Mietpreisspiegels in der nicht anonymen Erhebungsmethode zu sehen ist, die den einen oder anderen Vermieter dazu verleitet haben mag, Preise anzugeben, deren Realisierung er sich wünschen würde, die er aber tatsächlich nicht am Markt erzielt. Dieser Schwäche des Schwacke-Mietpreisspiegels kann man jedoch ohne weiteres dadurch Rechnung tragen, dass man auf die dort ausgeworfenen Tarife keine weiteren Zuschläge für die auf der Hand liegenden Mehraufwendungen im Unfallersatzgeschäft vornimmt. Wie die zahlreichen gerichtlichen Verfahren belegen liegen diese Mehraufwendungen jedenfalls in der deutlich erschwerten Durchsetzbarkeit der Forderung. Die Mühewaltung der Beitreibung der Mietwagenkosten ist erheblich größer als im Selbstzahlergeschäft.
Im Übrigen wiegen die Schwächen der von der Beklagten bevorzugten Erhebung des Fraunhofer Institutes erheblich schwerer. Das Fraunhofer Institut berücksichtigt bei seiner Erhebung auch Internettarife. Der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall kann jedoch die Aufwendungen ersetzt verlangen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in seiner Situation aufwenden würde. Zu besonderen Sparbemühungen zu Gunsten des Schädigers ist er nicht verpflichtet. Unzulässig ist auch die Kontrollerwägung, ob der Geschädigte, wenn er wüsste, dass er die Mietwagenkosten letztlich selbst zahlen müsste, bereit wäre, Mietwagenkosten in der vereinbarten Höhe zu bezahlen, da bei einem nicht verschuldeten Verkehrsunfall auch der wirtschaftlich denkende Geschädigte weiß, dass letztlich nicht er für diese Kosten aufkommen muss. Es spricht einiges dafür, dass ein wirtschaftlich denkender Automieter sich heutzutage auch im Internet über die dort möglichen Preise informiert. Dies muss er allerdings als Geschädigter eines Verkehrsunfalls nicht tun. Eine Internetrecherche ist, abgesehen davon, dass, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, sie nicht für die Vergangenheit möglich ist, von daher in keinem Fall eine taugliche Basis für eine Schätzgrundlage. Bei ihren Überlegungen verkennt die Beklagte ferner, dass auch wirtschaftlich vernünftig denkende Menschen nicht stets Leistungen zu dem geringst möglichen Preis in Anspruch nehmen. Wäre dies die Lebensrealität, müsste man bei einem Blick aus dem Fenster ausschließlich Fahrzeuge ostasiatischer Provenienz sehen. Darüber hinaus wäre der Einzelhandel im Wesentlichen nicht existent, sondern Käufe würden über das Internet abgewickelt und beim Discounter getätigt. Auch die Beklagte wäre von Direktversicherungen verdrängt worden. Wenn man nicht wesentlichen Bevölkerungsteilen die wirtschaftliche Vernunft absprechen will, muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch wirtschaftlich vernünftig denkende Menschen nicht stets und ausschließlich das billigste am Markt verfügbare Angebot wahrnehmen, sondern aus den verschiedensten Gründen bereit sind, mehr als unbedingt notwendig für eine Leistung auszugeben. Umso weniger kann daher der schuldlos seiner Mobilität beraubte Verkehrsteilnehmer verpflichtet sein, zu Gunsten des Schädigers Recherchen und Bemühungen anzustellen, um ja den günstigsten am Markt verfügbaren Preis zu erzielen. Tarife, die sich nnerhalb des Schwacke-Mietpreisspiegels bewegen sind unter diesem Blickwinkel nicht wirtschaftlich unvernünftig
Dies führt zu folgender Berechnung:
Die Wochenmiete der Klasse 4, die vier Klasse unter der von der Zedentin gefahrenen Fahrzeugklasse liegt, beträgt im Postleitzahlengebiet 476 627,00 €, hinzukommen Haftungsbefreiung für 7 Tage ä 21,55 €, 7 Tage Zusatzfahrer ä 12,00 €, 2 x Zustellung und Abholung ä je 23,00 € und 7 Tage Winterreifen je 10,00 pro Tag, davon abzuziehen sind 19 % Mehrwertsteuer, sodass ein Nettobetrag von 821,72 € verbleibt, der noch über den abgerechneten 776,47 € liegt, sodass unter Berücksichtigung einer Zahlung von 359,00 € jedenfalls aer geltend gemachte Anspruch von 417,47 € zur Zahlung noch offen steht. Das Gericht erachtet anders als die BeKlagte auch die Kosten, der auch beim verunfallten Fahrzeug vorhandenen Haftungsbefreiung, den Zusatzfahrer und die Zustellung und Abholung und die Winterreifen für erstattungsfähig. Was den Zusatzfahrer angeht, ergibt sich dies schon daraus, dass die Beklagte nicht behauptet, dass das Fahrzeug der Zedentin niemand anderes hätte fahren dürfen. Wenn aber das Fahrzeug für mehrere Fahrer mangels Beschränkung der entsprechenden Versicherung zum Fahren zur Verfügung gestanden hat, gibt es keine Gründe, warum nunmehr nach dem Schadensfall die Zedentin schlechter gestellt werden soll und lediglich noch ein Fahrer das Fahrzeug fahren darf. Auch die Kosten für Zustellung und Abholung sind erstattungsfähig, da der Geschädigte nicht verpflichtet ist von der Reparaturwerkstatt aus auf seine Kosten hin sich zum Mietwagenunternehmen zu begeben. Wäre der Verkehrsunfall nicht passiert, hätte der Geschädigte sein Fahrzeug zur steten sofortigen Verfügung gehabt und hätte es auch nicht von irgendwo abholen oder zurückbringen müssen. Im Übrigen mag es sein, dass Winterreifen zur vorgeschriebenen Standardausstattung an Wintertagen mit Schnee gehören. Das ändert nichts daran, dass diese Geld kosten und man entweder die Zusatzkosten auf alle Mieter über das Jahr verteilt abwälzt oder nur von den Mietern erhebt, die im Winter ein Fahrzeug anmieten, was durchaus sachgerecht erscheint.
Die Nebenforderung rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.