Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
es gibt offenbar Dinge, die es einfach nicht geben darf. Da bestreitet eine Kfz-Haftpflichtversicherung aus München bezüglich der Folgen eines von ihrem VN schuldhaft verursachten Verkehrsunfalls einfach Alles. Ich glaube, die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die Allianz Vers-AG, wollte diesen Rechtsstreit provozieren. Was hatte der Vorstand noch gegenüber Herrn Lütgert von der ARD erklärt? – Die aufgezeigten Fälle seien schreckliche Einzelfälle und man wolle daraus lernen! Blablabla! Das Unfallopfer wird nach wie vor mit fadenscheinigen Argumenten, notfalls auch mit allumfassenden Bestreiten, verunsichert. Dieses Unfallopfer hat sich – zu Recht – gewehrt. Die Klage vor dem Amtsgericht München hatte in vollem Umfang Erfolg. Jetzt muss die Allianz nicht nur den bestrittenen Gesamtbetrag, sondern auch Anwalts- und Gerichtskosten und Zinsen zusätzlich zahlen. Ein wahrlich schlechtes Geschäft. Wie will man das den Aktionären – und insbesondere den eigenen Versicherungsnehmern – erklären? Obwohl das Ergebnis zufriedenstellend ist, überzeugt die vom Gericht durchgeführte Angemessenheitsprüfung bezüglich der Sachverständigenkosten nicht. Bedauerlicherweise spricht die Amtsrichterin auch von „Gebühren“, obwohl der Sachverständige derartige nicht berechnet. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht München
Az.: 334 C 28838/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
1) …
– Beklagte –
2) Allianz Versicherung AG
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2014 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.979,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.09.2013 sowie weitere 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 07.11.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abwicklung eines Verkehrsunfalles, welcher sich am xx.08.2013 auf dem Föhringer Ring 140 in München ereignete.
Die 100 %-ige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Streit geht lediglich zur Schadenshöhe.
Der Kläger trägt vor, ihm sei durch den streitgegenständlichen Unfall folgender Schaden entstanden:
Wiederbeschaffungsaufwand: 3.700,– €
Sachverständigenkosten: 749,11 €
Fahrtkosten während der 122,20 €
Wiederbeschaffungsdauer:
Nutzungsausfall 228,- €
6 Tage á 38,– €:
Auslagenpauschale: 25,– €
Achsvermessungskosten: 95,– €
An- und Abmeldekosten: 60,– €
Gesamtschaden: 4.979,31 €.
Der Kläger macht zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € geltend.
Der Kläger beantragt daher,
die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger 4.979,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.09.2013 sowie weitere 492,54 € aussergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter hat nach Vorlage der Lichtbilder durch die Klagepartei mit Schriftsatz vom 15.01.2014 die Unfallbedingtheit der dort sichtbaren Beschädigungen nicht mehr bestritten.
Die Beklagten bestreiten jedoch die Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge der Verbringungskosten sowie der Stundenverrechnungssätze.
Sie sind der Ansicht, dass sich der Kläger auf eine günstigere Werkstatt verweisen lassen müsste.
Die Beklagten bestreiten zudem die geltend gemachten Fahrtkosten.
Insbesondere bestreiten sie, dass diese unfallbedingt tatsächlich erforderlich gewesen sei.
Die Beklagten bestreiten desweiteren die Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten.
Diese seien überhöht.
Die Beklagten bestreiten zudem die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalles.
Sie tragen vor, dass daneben konkrete Fahrtkosten geltend gemacht werden würden und diese daher nicht mehr ersatzfähig seien.
Die Beklagten bestreiten desweiteren die Kosten der Achsvermessung sowie die An- und Abmeldekosten.
Desweiteren bestreiten die Beklagten die Voraussetzungen des Verzuges sowie die Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger durfte vorliegend nach Wiederbeschaffungsaufwand abrechnen.
Es liegt ein klarer wirtschaftlicher Totalschaden vor. Dem Kläger stehen daher 3.700,– € an Wiederbeschaffungsaufwand zu.
Dem Kläger stehen zudem die Sachverständigenkosten in Höhe von 749,11 € zu.
Diese sind auch nicht überhöht.
Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind grundsätzlich gemäß § 249 I BGB ersatzfähig. Dabei ist gemäß § 249 BGB entscheidend, welche Aufwendungen „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und geboten halten darf“ (BGHZ 115, 364/369).
Dabei ist der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten. Die Sachverständigenkosten sind daher in der Regel voll erstattungsfähig, es sei denn die Rechnung wäre in einer Weise überhöht, dass selbst ein Laie die Überhöhung erkennen hätte müssen und als wirtschaftlich denkender Mensch die Sachverständigenrechnung nicht bezahlt hätte. Solange der Geschädigte also den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. LG München I, 17 S 24136/10 vom 13.1.2012 m.w.N.)
Es ist nicht die Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen oder etwa den billigsten Sachverständigen auszuwählen (so auch BGH NJW 2007, 1450; so auch Landgericht München I, Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11). Selbst wenn die Rechnung insgesamt oder einzelne Positionen tatsächlichüberteuert sein sollten, trägt das Risiko hierfür grundsätzlich nicht der Geschädigte. Auf eine Auseinandersetzung mit dem Gutachter muss er sich insoweit nicht einlassen (vgl. z.B. AG Bochum, Urteil vom 6.12.1995, 70 C 514/95). Es ist also nicht die Aufgabe des Geschädigten, einzelne Positionen der Rechnung nach Überhöhung/Plausibilität zu durchforsten.
Das Gericht orientiert sich bezüglich der Frage der Angemessenheit der Sachverständigenkosten an der BVSK-Honorarbefragung für die Jahre 2010/2011.
Das Grundhonorar liegt bei einem Reparaturschaden von 5.552,19 € netto mit 563 € noch im Bereich des HB V Korridors der BVSK Tabelle, in welchem 50%-60% der Mitglieder ihr Honorar berechnen.
Auch sind die Nebenkosten in sich bei Heranziehung der BVSK Honorarbefragung 2011 nicht überhöht, sie liegen sogar noch unterhalb des HB V Korridors der BVSK Befragung, der Sachverständige ist im Vergleich zu anderen also eher billig.
Die Gesamtgebühren von 749,11 € brutto erscheinen im Hinblick auf die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten in Höhe von brutto 6.428,61 € und den hier zusätzlich noch zu treffenden Feststellungen zum Wiederbeschaffungswert nicht als so unangemessen hoch, dass der Kläger als Laie bei der Bezahlung gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht des § 254 BGB verstoßen hätte.
Der Kläger kann zudem die konkret abgerechneten Fahrtkosten in Höhe von 122,20 € sowie den Nutzungsausfall für 6 Tage á 38,– € in Höhe von 228,– € ersetzt verlangen. Die Wiederbeschaffungsdauer betrug 14 Tage.
Die Mischung aus konkreter Abrechnung für die Fahrtkosten, für die Fälle, wo der Kläger tatsächlich ein Taxi benutzt hat und den Nutzungsausfall für die restlichen 6 Tage ist deutlich günstiger, als wenn der Kläger, wozu er auch durchaus berechtigt gewesen wäre, für die gesamte Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tage á 38,– €, nämlich 532,- €, verlangt hätte. Der Kläger hat somit den Schaden extra geringer gehalten. Dieser ist jedenfalls ersatzfähig.
Dem Kläger stehen zudem die Kosten für die Achsvermessung in Höhe von 95,– € zu. Diese war unfallbedingt jedenfalls erforderlich. Dies ergibt sich bereits aus dem vorgelegten Sachverständigengutachten Anlage K 5.
Da der Kläger die Wiederbeschaffung seines Fahrzeuges ausreichend nachgewiesen hat, kann er auch die Kostenpauschale für An- und Abmeldung ersetzt verlangen.
Verzug besteht ebenfalls bereits seit dem 19.09.2013. Das Schreiben Anlage K 4 mit Fristsetzung zum 18.09.2013 ist jedenfalls als Mahnung im Sinne des Gesetzes zu werten.
Dem Kläger stehen im Übrigen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
Die Klage war daher vollumfänglich begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Jaja. Die Allianz…
Man streitet sich nach dem kürzlichen Erwerb der Kö-Gallerie in Düsseldorf (Kaufpreis ca. 300.000.000,- Euro) wohl um so heftiger um jeden Cent weiterer Ausgaben.
Übrigens: Die Allianz möchte die Kö-Gallerie gern umgestalten. Aber es droht deswegen ggfs. weiterer Ärger.
Star-Architekt und Kö-Galerie-Erbauer Walter Brune (88, baute u.a. auch die Karstadt-Hauptverwaltung in Essen, die Schadow-Arkaden) droht den neuen Besitzern mit einem Rechtsstreit: „Ich habe die Urheberrechte an dieser Galerie, dulde keine Veränderung, die nicht mit mir persönlich abgesprochen ist. Wenn die Allianz etwas umbaut, dem ich nicht zustimme, erwirke ich sofort eine einstweilige Verfügung.“ (Quelle: Bild online)
Hallo, W.W.
Es fing in den Entscheidungsgründen so hervorragend zusammengestellt an, bis zum letzten Satz der mustergültigen angesprochenen Beurteilungskriterien, wo es abschließend heißt:
„Es ist also nicht die Aufgabe des Geschädigten, einzelne Positionen der Rechnung nach Überhöhung/Plausibilität zu durchforsten.“
Was danach kommt, wäre eigentlich überflüssig gewesen angesichts der vorausgegangenen Überlegungen, wo u.a. ausgeführt wurde:
„Solange der Geschädigte also den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. LG München I, 17 S 24136/10 vom 13.1.2012 m.w.N.)“
Und was macht dann das Gericht ? Es prüft wieder unter werkvertraglichen Gesichtspunkten und unter Hinweis auf eine Honorarerhebung mit Vergangenheitsdaten im Detail die „Angemessenheit“, also genau das, worauf es unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten nicht ankommt.
Ein Phänomen angesichts der damit verbundenen Widersprüche oder erfolgte in der Klage kein ausführlicher Hinweis auf die beurteilungsrelevante BGH-Rechtsprechung.
I. Keine Berechtigung zur Preiskontrolle
II. Auch überhöht abgerechnete Kosten unterliegen der Regulierungsverpflichtung und das, weil der Geschädigte zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht wissen kann und nicht wissen muss, was das Gutachten kosten wird und das auch später als Laie kaum nachprüfen kann und weil mögliche Ausweitungen nicht zu Lasten des Geschädigten gehen können, denn …..
Sehr selten wird in Urteilen ausreichend deutlich herausgestellt, dass gerade auch der Schädiger nicht zu einer Preiskontrolle berechtigt ist. Würde dies beachtet, wären solche Klagen einfach und kurz zu erledigen. Kann mir mal jemand erklären, warum dies von Gerichten immer wieder unbeachtet bleibt ?
Es genügte doch, was schon zigfach hier ausreichend verständlich als schadenersatzrechtlich relevant herausgestellt wurde:
„Da es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein darauf ankommt, dass bei dem Aufwand zur Wiederherstellung der beschädigten Sache der Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt wird, hat eine Überprüfung der einzelnen Positionen, auch der einzelnen Nebenkosten, deshalb grundsätzlich zu unterbleiben.“
Jens S.
@Mister L
Da dürfte Herr Brune gar nicht so falsch liegen? Sofern eine „schöpferische Tiefe“ und „Einmaligkeit“ vorliegt, gibt es für die Allianz tatsächlich ein Problem mit dem Urheberrecht. Die Besonderheit und Einmaligkeit dieses Bauwerks ist wohl nicht bestreitbar? Der „künstlerische Aspekt“ wohl auch nicht?
Aber letztendlich geht es wahrscheinlich nur ums Geld, so dass man sich irgendwann „einigen“ wird. Ob die Sache über den Tod weiterverfolgt wird (a la Leo Kirch), ist sowieso eine andere Sache. Grundsätzlich sollte man aber auf der Hut sein beim Kauf von Gebäuden, die einen „künstlerischen Wert“ haben. Da kann man sich ganz schnell übernehmen.