Hallo verehre Captain-Huk-Leser,
heute wollen wir Euch ein erfreuliches Urteil des AG Straubing zu restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG bekannt geben. Die erkennende (junge) Richterin hat den vollen Durchblick zum Anspruch selbst, zur Aktivlegitimation, zur Ausgestaltung der Abtretungserklärung und zum Rechtsstand des Abtretungsinhabers. Man könnte fast meinen, die Richterin hat sich in der Begründung an den hier im Blog immer wieder dargelegten Ansichten, insbesondere an denen von Imhof und Wortmann (in DS 2011, 149 ff.) orientiert. Was meint Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Straubing
Az.: 004 C 138/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Sachverständigenbüro …
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-UnterstützungsKasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertreten durch d. Vorstand, Willy-Brandt-Platz 16, 90312 Nürnberg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Straubing durch die Richterin … am 09.04.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 158,05 Euro nebet Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.2.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 158,05 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Tatbestand und Entscheidungsgründe
I. Der Kläger macht weitere Gutachterkosten aus abgetretenem Recht geltend. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs dem Grunde nach ist unstreitig. Der Kläger erstellte für den unfallgeschädigten Zedenten am 17.12.2013 ein Gutachten, wofür Kosten von 608,05 Euro berechnet wurden. Mit Erklärung vom 16.12.2013 trat der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars seine „Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer … in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich der Mehrwertsteuer gemäß Rechnung … in der Reihenfolge Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten“ an den Kläger ab. Die Beklagte hat bereits 450 Euro an den Kläger bezahlt. Weitergehende Zahlung wurde am 23.1.2014 verweigert.
Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 158,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.1.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers. Die Abtretung sei zu unbestimmt. Die Gutachterkosten seien übersetzt. Insbesondere seien zuviele Fotos gefertigt worden und der Umfang der Nebenkosten am Gesamtbetrag sei zu hoch. Die Restwertermittlung sei überflüssig gewesen ebenso wie die Fahrtkosten des Gutachters, da das Kfz noch verkehrssicher war.
II. Die Klage ist zulässig und begründet. Gem. §§ 7 I, 171 StVG, § 115 VVG, §§ 249, 398 BGB besteht ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Gutachterkosten in der verlangten und zugesprochenen Höhe.
1. Der Kläger ist aufgrund der wirksamen Sicherungsabtretung aktivlegitimiert. Die Abtretung ist wirksam. Insbesondere ist sie nicht zu unbestimmt. Die abgetretenen Forderungen, ihre Höhe und die Parteien der Abtretung sind aus der Abtretungserklärung hinreichend erkennbar. Zwar wird eine Forderungsmehrheit, nämlich sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall, nur bis zu einem Höchstbetrag (Hononaranspruch brutto) abgetreten. Allerdings ist durch die Angabe der Reihenfolge, in welcher die Ansprüche abgetreten werden sollen, hinreichend erkennbar, auf welche (Teil-)forderungen sich die Abtretung bezieht. Es ist damit – anders als in dem vom BGH in NJW 78, 1050 entschiedenen Fall – erkennbar, welche Forderung jeweils „nachrücken“ soll.
2. Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall steht außer Streit.
3. In der Hand des Geschädigten bestünde gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 2 BGB, §§ 1, 3 Nr. 1 PflVG bzw. § 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten in zugesprochener Höhe.
a) Die Kosten des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Der Geschädigte hatte das Recht, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes zu erholen. Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensereatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144). Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB anzusehen (BGH, a.a.O.). Der Geschädigte kann von dem Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH, a.a.O.).
b) Bei dem abgerechneten Honorar für die Gutachtenserstellung handelt es sich nach durch Schätzung gem. § 287 ZPO gewonnener Überzeugung um den erforderlichen Geldbetrag i.S.d. § 249 II 1 BGB. Als Grundlage der Berechnung ist auf die BVSK-Honorarbefragung 2013 abzustellen. Diese Befragung stellt eine geeignete Schätzungsgrundlage dar. Die vorliegend angesetzten Werte des Grundhonorars und der Nebenkosten halten sich – wenn auch knapp – noch in dem Bereich, in welchen nach der gerichtsbekannten BVSK-Honorarbefragung 2013 50 % bis 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen. Die Anzahl der Fotos ist nicht zu beanstanden. Es wurden nach Auffassung des Gerichts keine Mehrfachaufnahmen desselben Motivs erstellt.
Hinsichtlich der Nebenkosten konnte der Geschädigte die entsprechende Rechnungstellung der Höhe nach nicht beeinflussen. Es liegt insoweit ein Fall des sog. Werkstattrisikos vor. Etwaige Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten durch zu lange Anfahrtswege lösten allenfalls einen Schadensersatzanspruch aus, welchen schadensmindernd geltend zu machen dem Geschädigten selbst nicht zumutbar ist. In der Hand des Geschädigten bestehen daher die Gutachterkosten auch in der abgerechneten Art und Weise. Dies gilt aus den oben angeführten Gründen für Zeitaufwand ebenso wie für Foto-, Schreib- und Fahrtkosten sowie Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten, da auch hierauf der Geschädigte keinen Einfluß hat. Die Restwertermittlungskosten sind nicht zu beanstanden, da der Klager mehrere Angebote eingeholt hat und zumindest ein konkretes Angebot in das Gutachten aufgenommen hat (LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321, 323).
Darüber hinaus ist es der Beklagten im Verhältnis zum Geschädigten auch verwehrt, sich auf eine vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen. Es ist nämlich einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtensauftrages nicht zuzumuten, Marktforschung zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, § 254 BGB analog. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständlgenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der Sachverständige ist ebenso wie der Mietwagenunternehmer auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 II 2, 278 BGB zugerechnet würde. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder den Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (Grunsky NZV 2000, 4; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471).
Nach der oben dargelegten Schätzung im Sinne von § 287 ZPO halten sich die hier abgerechneten Kosten jedenfalls im Bereich des Üblichen und Regelmäßigen, sodass jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln. Der hierzu von Hörl (NZV 2003, 305 [307]), dem wohl auch das AG Regensbung folgt, vertretenen Ansicht, dass der Sachverständige, wenn er auf Grund einer Sicherungsabtretung seinen Vergütungsanspruch gegen den Geschädigten beim Schädiger/Versicherer selbst geltend macht, die volle Darlegungs-und Beweislast für die Billigkeit seiner Vergütungsbemessung i.S.d. § 315 BGB trägt, kann nicht beigetreten werden. So hat auch das OLG Sachsen-Anhalt (NZV 2006, 546) gegen eine Anwendung des § 315 BGB bei Sicherungsabtretung entschieden (so auch die Klägerseits zitierten Urteile des AG Straubing). Bei der Abtretung wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich nämlich um ein Verfügungsgeschäft. Der Gläubiger eines Anspruchs wird ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen. Es ist der Rechtsordnung schlicht fremd und mit der Normentheorie zur Beweislast nicht vereinbar, dass – wie Folge der von Hörl vertretenen Ansicht wäre – die Darlegungs- und Beweislast allein von der Frage abhängt, wer hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs aktivlegitimiert ist. Die Beklagte ist insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da sie sich gegebenenfalls die Rechte des Geschädigten gemäß §§ 315 Abs. 3 bzw. 230, 631 Abs. 1, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung hätte geltend machen können (OLG Nürnberg, OLGR 2002, 471). In diesem Fall wäre es dann Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist. Den entsprechenden Anspruch kann die Beklagte hier auch nicht mit dem dolo-agit-Einwand dem Kläger entgegenhalten. Er besteht in der Hand des Geschädigten, nicht in der Hand der Beklagten. Eine Zession solcher Ansprüche ist mit dem Versicherungsvertrag nicht verbunden.
Der Kläger hat somit nach Teilerfüllung gem. § 362 BGB gegen die Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch in tenorierter Höhe.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, ll, 286,187 I BGB analog.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 703 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen, innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.