Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier und heute geben wir Euch wieder ein Top-Urteil aus Rosenheim zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die LVM in Münster, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, bekannt. Der westfälische Versicherungsverein a.G. meinte, die berechneten Sachverständigenkosten um knapp 96,– € kürzen zu können. Dabei hat er allerdings die Rechnung ohne den erkennenden Amtsrichter in Rosenheim gemacht. Mit zutreffender Begründung hat er dem Geschädigen auch diese Differenz zugesprochen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 13 C 2848/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
LVM Landw. Versicherung Münster a.G., vertreten durch d. Vorstand, Kolde-Ring 21, 48151 Münster
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch den Richter am Amtsgericht … am 07.04.2014 auf Grund des Sachstands vom 07.04.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an das Sachverständigenbüro … , zu der Gutachterrechnung Nr. … , vom 02.04.2013 95,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 95,44 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der geforderten 95,44 € gem. §§ 115 VVG, 823, 249 BGB. Die Beklagte haftet wegen Schadensersatzansprüchen aufgrund eines Verkehrsunfalls vom xx.03.2013 in der Friedrich-Jahn-Straße in Bruckmühl unstreitig der Geschädigten … gegenüber. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen der entstandenen Sachverständigengutachtenskosten aufgrund eines Haftpflichtgutachtens geltend. Nachdem auf den Rechnungsbetrag von 535,74 € brutto ein Betrag von 440,30 € eingegangen war und weitere Zahlung seitens der Beklagten verweigert wurde, stehen der Klägerin weitere 95,44 € zu; in dieser Höhe kann sie Zahlung an den Sachverständigen als Empfangsberechtigten verlangen.
Die aufgrund des Verkehrsunfalls hat der Geschädigte einen Anspruch nach § 249 BGB auf Ersatz aller erforderlichen Kosten, welche aufgrund des schädigenden Ereignisses kausal und in erforderlicher Weise eingetreten waren. Es wird auch seitens der Beklagten grundsätzlich anerkannt, dass ein Sachverständigengutachten an sich einen erforderlichen Aufwand aufgrund des schädigenden Ereignisses darstellt. Streitig war lediglich die Höhe dessen, was hier als erforderlich angesehen werden kann, hier insbesondere wegen der separierten Geltendmachung von EDV Kosten, Kosten für die Fahrt zur Geschädigten, Schreibkosten und Porto- und Versandkosten, sowie Kosten für Restwertermittlung.
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens per se ist grundsätzlich ein erforderlicher Aufwand. Diesen muss der Schädiger bzw. die Versicherung desselben dem Geschädigten ersetzen. Es kann hierbei offen bleiben, ob das Sachverständigenhonorar wegen einer einzelnen Position der Nebenkosten überhöht ist oder nicht, da auch im Falle einer Überhöhung das Sachverständigenhonorar von der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers zu bezahlen ist. „Auch wenn das vereinbarte oder vom Sachverständigen eindeutig festgesetzte Entgelt objektiv überhöht ist, ist es bei der gewohnten und subjektiven Schadenbetrachtung regelmäßig als der erforderliche Aufwand anzuerkennen“ (Eggert Verkehrsrecht aktuell 2007, 217).
„Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihm ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Dies ist vorliegend nicht der Fall, auch sind einzelne Posten nicht für einen Laien ersichtlich überhöht oder für die Gutachtenerstattung nicht erforderliche Nebenkosten.
Der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen. Würde man dem Geschädigten Marktforschungen zur Frage der möglichen Kosten und der einzelnen Rechtsansichten zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einzelner Posten je nach Belieben einzelner Versicherungen zumuten, wäre einem Geschädigten hierbei dann wohl auch als weiterer erforderlicher Aufwand i.S.d. § 249 BGB die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu zuzugestehen. Das grundsätzliche Kostenrisiko möglicherweise leicht erhöhter Nebenkosten liegt vorliegend beim Schädiger.
Hält der Ersatzpflichtige die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten analog § 255 BGB Abtretung seiner Ansprüche gegen den Sachverständigen verlangen. Es ist grundsätzlich allein Sache des Haftpflichtversicherers, sich mit dem Sachverständigen wegen dessen Rechnungsforderung auseinanderzusetzen.“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07).“ Nur bei einer ihm persönlich ohne weiteres erkennbaren Überteuerung muss sich der Geschädigte eine Kürzung gefallen lassen“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, aaO.).
Unter Annahme dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall der Anspruch in voller Höhe gegeben. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist nicht ersichtlich. Ein solches ist von der Beklagten auch nicht ausreichend vorgetragen worden und auch nicht zu erkennen. Es liegt auch keine derart evidente Überhöhung vor, dass eine Beanstandung von der Klägerin verlangt werden muss. Diesbezüglich hat die Beklagte vorgetragen, dass die abgerechneten Nebenkosten überhöht seien. Dieser Ansicht folgt das Gericht nicht. Bezüglich der als zu hoch bezeichneten Positionen nach der Sachverständigenrechnung ist nach Ansicht des Gerichts nicht evident ersichtlich, ob diese abgerechneten Nebenkosten überhöht sind. Bei der Betrachtung konnte auch nach § 287 ZPO geschätzt werden. Insbesondere ist auch ein Restwert im Gutachten angegeben und ermittelt, offenbar zudem wohl auch seitens der Beklagten akzeptiert worden. Auch hier ist die Geschädigte nicht gehalten gewesen, zu prüfen, wie dieser ermittelt wurde und welchen Zeitaufwand und Kosten dies verursachte.
Somit bleibt es hier bei dem Grundsatz, dass der Schädiger bzw. dessen Versicherung gegenüber der Geschädigten vorliegnd keine Einwände hinsichtlich der Höhe der Gutachterrechnung geltend machen kann, sondern sich bezüglich einer Rückforderung mit dem Sachverständigen auseinandersetzen muss. Der Klageanspruch war somit zuzusprechen.
2. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Es ist unerfindlich, warum die LVM sich mit einer behaupteten Überhöhung bis heute immer wieder aufs Glatteis wagt und die dagegen stehende Rechtsprechung – bis rauf zum BGH – schlicht ignoriert. Was soll das auf Dauer einbringen, wenn zukünftig die Versicherungsnehmer der LVM erfahren, was von ihrem Versicherungsunternehmen a.G. da abgeht und sie überdies direkt in die Pflicht genommen werden, bezüglich gekürzter Kosten, obwohl auch nach dem aktuellen BGH-Urteil ein solcher Mummenschanz dem Ansehen einer Versicherung in der Öffentlichkeit erheblichen Schaden zufügt und das dann auch noch im erzkatholischen Münster. Ich bin allerdings auch bei obsiegenden Urteilen, wie hier, keineswegs schadenfroh, denn letztlich geht es es dabei doch um ganz andere Dinge, wie beispielsweise ein erträgliches und respektierliches Miteinander, von dem eine Versicherung garantiert mehr profitiert als von solchen Scharmützeln. Putinsche
Machtspielchen sollten nicht als Vorbild dienen, schon gar nicht im schönen Münsterland.
Mit freundlichen Grüßen
Elmar B.
Hallo, Elmar, da hast Du die richtigen Worte gefunden angesichts solcher Exzesse. Ob auf der einen oder der anderen Seite sprechen sich solche Schandtaten sehr schnell herum und auch die Versicherungsagenturen sind über kurz oder lang nachhaltig davon betroffen. Empfehlungspraxis ade !-
Und das soll dem Versicherungsverein a.G. dienlich sein ? Ich glaube es nicht; nein, da bin ich mir sogar ganz sicher, denn da wird der Spieß am falschen Ende gedreht und die Aktion reduziert sich in ihrer Bedeutung auf ein Döneken. Groß denken und gleichzeitig verantwortungsbewußt handeln, sollte für den Vorstand eines solchen Unternehmens das tägliche Brot sein.
Freundlichst
Gunnar
Die Highlights aus den Entscheidungsgründen kann man sich gut merken, wie ich meine:
A. „Es kann hierbei offen bleiben, ob das Sachverständigenhonorar wegen einer einzelnen Position der Nebenkosten überhöht ist oder nicht, da auch im Falle einer Überhöhung das Sachverständigenhonorar von der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers zu bezahlen ist. “Auch wenn das vereinbarte oder vom Sachverständigen eindeutig festgesetzte Entgelt objektiv überhöht ist, ist es bei der gewohnten und subjektiven Schadenbetrachtung regelmäßig als der erforderliche Aufwand anzuerkennen” (Eggert Verkehrsrecht aktuell 2007, 217).“
B. „Diesbezüglich hat die Beklagte vorgetragen, dass die abgerechneten Nebenkosten überhöht seien. Dieser Ansicht folgt das Gericht nicht. Bezüglich der als zu hoch bezeichneten Positionen nach der Sachverständigenrechnung ist nach Ansicht des Gerichts nicht evident ersichtlich, ob diese abgerechneten Nebenkosten überhöht sind.
C. „Hält der Ersatzpflichtige die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten analog § 255 BGB Abtretung seiner Ansprüche gegen den Sachverständigen verlangen. Es ist grundsätzlich allein Sache des Haftpflichtversicherers, sich mit dem Sachverständigen wegen dessen Rechnungsforderung auseinanderzusetzen.” (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07).” Nur bei einer ihm persönlich ohne weiteres erkennbaren Überteuerung muss sich der Geschädigte eine Kürzung gefallen lassen” (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, aaO.).“
D. Somit bleibt es hier bei dem Grundsatz, dass der Schädiger bzw. dessen Versicherung gegenüber der Geschädigten vorliegend keine Einwände hinsichtlich der Höhe der Gutachterrechnung geltend machen kann, sondern sich bezüglich einer Rückforderung mit dem Sachverständigen auseinandersetzen muss. Der Klageanspruch war somit zuzusprechen.
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Zwar sind auch in den Entscheidungsgründen dieses Urteil ein paar Haken, aber überwiegend sind die angestellten Überlegungen doch gut nachvollziehbar und stellen den Schadenersatzgedanken strikt in den Vordergrund. Das Gericht hat sich allerdings primär auf die alleinige Betrachtung der Nebenkosten beschränkt, obwohl es gute Gründe gibt, diese Beschränkung zu umgehen, weil letztlich nur das zählt, was unter dem Strich steht und auch hier wurde wiederum mit dem Trick gearbeitet, das Gericht zu einer Überprüfung zu veranlassen, obwohl es letztlich nicht auf die Erkenntnisfähigkeit des Gerichts ankommt, sondern auf die Sichtweite des Geschädigten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung oder später nach Vorlage der ihm aufgegebenen Rechnung.
Für eine „Schätzung“ nach § 287 ZPO war deshalb auch keine Veranlassung gegeben–> A.
Ich meine, dass in allen Fällen, bei denen eine Überhöhung angesprochen wird, sollte man das Kind so konkret wie möglich beim Namen nennen. Was ist „nicht evident überhöht“ ? Und wann genau müßte nach Ansicht des Gerichts ein Geschädigter eine Überhöhung erkennen müssen ? Das verkehrsfähige Beweissicherungs-Gutachten eines unabhängigen, berufserfahrenen und qualifizierten Sachverständigen ist unter Umständen 300,00 € mehr wert als das 08/15-„Gutachten“, das viele Versicherer maßstäblich favorisieren, so wie beispielsweise die HUK-Coburg dabei auf „Routinegutachten“ abhebt. Da reden irgendwelche Volljuristen über etwas, was sie dem Grunde nach überhaupt nicht beurteilen können und mit diesem Gedankenmüll müssen sich dann auch noch die Gerichte auseinandersetzen, wie man es auch an diesem Urteil wieder sieht. Liebe Leute, wacht endlich mal richtig auf und findet endlich auch mal den Mut, ohne jedwede Umschweife, das Kind beim Namen zu nennen, so dass es jeder versteht. Ansonsten steht die Unabhängigkeit der Sachverständigen auf dem Spiel, welche auch die Gerichte tagtäglich benötigen. In einem gerichtlichen Verfahren kann beispielsweise die Minderwertfrage, bei der gerade einmal 400,00 € im Streit stehen problemlos gutachtlich abgehandelt werden mit Kosten von mehr als 1000,00 € und dann kommt noch Müll dabei heraus, so dass schließlich der Richter selbst den Minderwert berechnet und genau auf einen Betrag von 180,00 € abhebt. Das ganze Überprüfungsprocedere paßt also vergleichbar vorne und hinten nicht und es ist nach den Vorgaben des BGH auch nicht veranlaßt, weil selbst überhöhte Gutachterkosten zu regulieren sind und aus guten Gründen die immer wieder wie eine Droge verlockende Überprüfungstätigkeit vom BGH ebenfalls verworfen wurde. Wer also die Gerichte vor diesem Hintergrund vorsätzlich verführen will, eine Überprüfung vorzunehmen, sollte sich 100 Schläge auf die Fußsohlen verdient haben, damit es mal eingängig wird, mit welchen Scheinargumentationen man keinen Blumenpott gewinnen kann. Allerdings ist der damit vermeintlich erkennbare „Freiraum“ keineswegs als „Freibrief“ für ungezügelte Abrechnungen zu verstehen. Darunter verstehe ich solche, die als Wucher in Betracht gezogen werden könnten, was ja in anderen Berufssparten weitaus häufiger beobachtet werden kann. So kann man sicher aber auch feststellen, dass selbst das nicht „Übliche“ das „Erforderliche“ keineswegs ausschließt, um dem Sinn und Zweck des § 249 BGB nicht mit abwegigen Überlegungen im Wege zu stehen.
G.v.H.