Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
durch das aktuelle BGH-Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13″ – ( = BGH DS 2014, 90 ff.) sind die im Saarland getroffenen Nebenkostenentscheidungen letztlich überholt worden. Mit dem BGH-Urteil hat sich auch im Saarland die Rechtsprechung geändert. Nachfolgend geben wir Euch ein prima Urteil aus Saarbrücken unter anderem zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG bekannt. Zugegebenermaßen ist das saarländische Urteil nach der Veröffentlichuung des BGH-Urteils gesprochen worden, so dass der Einfluss aus Karlsruhe unverkennbar ist. Na also, es geht doch auch im Saarland? Die Amtsgerichte verweigern jetzt offenbar in Ansehung des BGH-Urteils zu Recht dem LG Saarbrücken die Gefolgschaft. Bei der Unkostenpauschale war wohl – unserer Auffassung nach – etwas „Profilneurose“ der erkennenden Amtsrichterin im Spiel. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Geschäftsnummer verkündet am 09.04.2014
3 C 168/13
AMTSGERICHT SAARBRÜCKEN
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
des Herrn T. K. , S.
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. & P., A.
gegen
1. Herrn E. I., S.
– Beklagter zu 1) –
2. HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertr.d.d. Vorstand, Großherzog-Friedrich-Straße 40, 66111 Saarbrücken
– Beklagte zu 2) –
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2: Rechtsanwalt M. S., K.
wegen: Schadensersatz
hat das Amtsgericht Saarbrücken
im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten am 19.03.2014
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 537,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten jährlich über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 220,98 € seit dem 06.05.2013 und aus einem Betrag in Höhe von 316,15 € ab dem 05.02.2014 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1) und 2) als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Entfällt gem. § 313 a ZPO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Nachdem der Kläger die Klage teilweise zurück genommen hat, und zwar wegen der Reparaturkosten in Höhe von 460,99 €, wegen der Unkostenpauschale in Höhe von 4 €, wegen der eingeklagten Rechtsanwaltsgebühren und wegen der Feststellung der Verpflichtung zur Verzinsung der Prozeßkosten;
sowie die Klage zugleich um 316,15 € (Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten) erweitert hat, war nur noch über die restlichen Reparaturkosten (316,15 €), die Differenz der Unkostenpauschale (1,00 €) und die restlichen Sachverständigenkosten (219,98 €) zu entscheiden.
Der Klageantrag ist auslegungsfähig. Unter Berücksichtigung der Begründung im Schriftsatz vom 16.01.2014 konnte der Klage mit dem vom Antrag abweichenden Tenor vollumfänglich stattgegeben werden.
Die Beklagte zu 2) hatte auf die Reparaturkosten 1.663,99 €, auf die Sachverständigenkosten 497,00 € und die Pauschale 25,00 € geleistet, zuzüglich der hierauf entfallenden Zinsen in Höhe von 30,92 €. Die Tilgungsbestimmung war zu beachten, und führt im Rahmen der gebotenen Klarheit zur sprachlich abweichenden Abfassung des Hauptsachetenors, ohne das dem Kläger damit weniger zugesprochen wurde, als er begehrt.
I.
Die Klage ist begründet.
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten zu 1) und 2) ergibt sich aus §§ 823 I BGB, 71, 17, 18 I StVG, § 115 VVG, § 421 BGB.
Die Haftungsquote zu Lasten der Beklagten von 100 % ist unstreitig.
Streitig ist allein die Schadenhöhe.
Die Höhe des Anspruchs folgt aus §§ 249 ff BGB.
Im Einzelnen:
I.I.
Mehrwertsteuer
Der Kläger hat Anspruch auf weitere 316,15 € Mehrwertsteuer.
Die Parteien haben die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten mit netto 1.663,99 € und brutto 1.980, 14 € unstreitig gestellt.
Unbestritten hat der Kläger eine Ersatzbeschaffung vorgenommen, wobei 1.995,80 € Mehrwertsteuer anfielen.
Der Kläger hat daher Anspruch auf weitere 316,15 € Mehrwertsteuer.
Der BGH hat mit Urteil vom 05.02.2013 (Az. VI ZR 363/11) entscheiden, dass dem Geschädigten dann, wenn er den Weg der Ersatzbeschaffung wählt, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs abrechnet; diesem ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer zusteht, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Der Anspruch ist allerdings auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.
Das AG folgt dieser Rechtsprechung. Die Parteien haben Reparaturkosten zugrunde gelegt, deren Höhe im Streitfall zur Annahme eines Reparaturschadens führt. Die bei der Ersatzbeschaffung angefallene Mehrwertsteuer ist durch Vorlage der Rechnung belegt und unbestritten. Der Kläger kann daher den auf die fiktiven Reparaturkosten anfallenden Mehrwertsteuerbetrag von 316,15 € als weiteren Schaden geltend machen.
I.II.
Unkostenpauschale
Der Kläger hat Anspruch auf 1 € restliche Unkostenpauschale. Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass bei Straßenverkehrsunfällen zur Regulierung aufgewendete Nebenkosten (Porto, Telefonkosten usw.) pauschal geltend gemacht werden können. Es handelt sich um einen selbständigen Teilbetrag des materiellrechtlichen Anspruchs (vgl. BGH: Beschluss vom 13.02.2007 – VI ZB 39/06). Das Gericht schätzt die Unkostenpauschale gem. § 287 ZPO auf 26 €. Hierauf wurden 25 € geleistet; es verbleibt ein Anspruch von 1 €.
I.III.
Sachverständigenkosten
Der Kläger hat Anspruch auf weitere 219,98 € Sachverständigenkosten.
Der Kläger durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann von den Beklagten nach § 249 II S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 mit weiteren Nachweisen). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein Verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH a.a.O. m.w.N.).
Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 II Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl.BGH a.a.O. m.w.N.) Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch, wie der Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat, vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH a.a.O., m.w.N.). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs.2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH a.a.O. m.w.N.).
Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 II Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132, 373, BGHZ Band 132, 381 mwN).
Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH-Senatsurteile vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 und – VI ZR 528/12, jeweils aaO). Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132 373, 381 f.).
Der BGH geht davon aus, dass es mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist, die dem Kläger vom Schadensgutaehter in Rechnung gestellten Kosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes kürzen.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte SachverständigeHonorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, aaO Rn. 19 mwN).
Solche Umstände sind im Streitfall nicht festgestellt.
Die Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts bereits nicht zu beanstanden. Soweit es die Höhe der Nebenkosten betrifft, ist nicht erkennbar, dass der Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber den Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein. Damit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderliehen Geldbetrags nach § 249 II 1 BGB. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13).
Die Kosten des Gutachtens hat der Kläger durch Vorlage der Rechnung in Höhe von 716,98 € zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen.
Abzüglich der hierauf geleisteten 497 € verbleibt ein Anspruch von 219,98 €.
II.
Der Zinsanspruch ist im tenorierten Umfang gem. §§ 280 I, II, 286, 288 bzw. § 291 BGB begründet. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2) auf die Hauptforderung bereits Zinsen in Höhe von 30,92 € geleistet hatte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; soweit die Klage zurück genommen wurde auf § 269 ZPO.
Soweit wegen eines Betrages von 2.185,99 € und weiteren 272,87 € der Rechtsstreit übereinstimmend für (teilweise) erledigt erklärt wurde auf § 91 a ZP0; hiernach waren die Kosten derBeklagtenseite aufzuerlegen. Dies entsprieht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes, da die Beklagten den Anspruch anerkannt haben und mit derLeistung in Verzug waren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Lieber Willi Wacker,
es gibt gewiß Schlimmeres, als sich über eine Erhöhung der Unkostenpauschale von 1,00 € Gedanken zu machen. Die Entscheidungsgründe überzeugen ansonsten in ihrer Deutlichkeit, auch was die Berücksichtigung der aktuellen BGH-Entscheidung angeht.
G.v.H.
„Das Gericht schätzt die Unkostenpauschale gem. § 287 ZPO auf 26 €. Hierauf wurden 25 € geleistet; es verbleibt ein Anspruch von 1 €.“
siehe hierzu:
Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 6.5.2004 – VII 22/04 (Klage wegen 0,66 EUR)
„Der Kläger ist als Hamburger Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege. Der Beklagte ist als Hamburger Behörde dem Grundsatz der sparsamen und effektiven Haushaltsführung verpflichtet. Das Gericht bestimmt gemäß § 94 a FGO sein Verfahren nach billigem Ermessen. Es wendet daher den römischrechtlichen Grundsatz
MINIMA NON CURAT PRAETOR
(um Kleinigkeiten kümmert das Gericht sich nicht)
FERNER:
BERNHARD KAPSA, Die Regel „Minima non curat praetor“ im Lichte des Verfassungsrechts , Festgabe Graßhof