AG Norderstedt verurteilt Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten (42 C 429/13 vom 23.04.2014)

Mit Urteil vom 23.04.2014 (42 C 429/13) hat das AG Norderstedt die Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 41,40 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten und den Kosten einer Halteranfrage verurteilt. Im Ergebnis zutreffend ist dem Gericht vorzuhalten, dass die Entscheidung vor allen Dingen ohne Einstieg in eine Einzelprüfung hätte getroffen werden können bzw. müssen, zumal die Entscheidung des BGH vom 11.022014 (Az: VI ZR 225/13) dem Gericht vorlag. Es hätte darüber hinaus viel unnötige Arbeit erspart. Erstritten und eingesandt wurde dieses Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger kann aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB von der Beklagten aus §§ 7, 18 StVG, 249 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB weitere Sachverständigenkosten in Höhe von 41,40 EUR ersetzt verlangen.

Insgesamt kann der Kläger sein Grundhonorar i.H.v. 295,00 EUR zzgl. Nebenkosten i.H.v. 117,94 EUR, somit insgesamt 491,40 EUR beanspruchen. Abzüglich der bereits gezahlten 450,00 EUR waren noch EUR 41,40 erstattungsfähig.

Der Kläger ist aufgrund erfolgter Abtretung der Ersatzansprüche des Geschädigten vom 15.08.2013 aktivlegitimiert.

Die Beklagte haftet dem Geschädigten zu 100 % auf Schadensersatz. Dazu gehören auch die Sachverständigenkosten.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Gelbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten gezahlte oder abgetretene Rechnungsbeträge zu erstatten (AG Berlin-Mitte, Urteil v. 18.06.2010, 114 C 3027/10, zitiert nach Juris).

Jedoch müssen die erstgenannten Voraussetzungen – Wahrung des Rahmens des zur Wiederherstellung Erforderlichen – § 249 Abs. 2 BGB – vorliegen.

Erforderlich sind nur solche Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender und verständiger Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (LG Berlin, Urteil vom 18.07.2011 – 43 S 41/11).

Insoweit ist auf eine subjektbezogene Schadensbetrachtung abzustellen, es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten (BGH v. 11.3.2008 – VI ZR 164/04).

Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH, Urteil vom 12.07.2005 – VI ZR 132/04).

Der Geschädigte wird aber in aller Regel von der Erforderlichkeit und Angemessenheit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Denn es fehlt bei der Abrechnung von Sachverständigenkosten an einer einheitlichen Abrechnungsmethode. Erst wenn für den Geschädigten auch als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder Honorarberechnung vorliegen, kann vom Schädiger nicht mehr ein vollständiger Ausgleich der getätigten Aufwendungen bzw. Freistellung verlangt werden, weil derart überhöhte Kosten nicht mehr angemessen sind (AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 15.02.2011, 911 C 568/10).

Wahrt der Geschädigte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, was auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars gilt (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 18.06.2010, 114 C 3027/10). Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderliche Kosten entscheidend (vgl. Senatsurteil v. 07.05.1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132, 373, 381 mwN).

Vorliegend kommt es, entgegen der Behauptung der Beklagten, nicht auf § 632 Abs. 2 BGB und die Bestimmung einer üblichen und angemessenen Vergütung an, denn die getroffene Honorarabrede war im Streitfall nicht nach §§ 305 c, 307 BGB unwirksam. Die Honorartabelle wurde vom Verkehrsunfallgeschädigten ausdrücklich einzeln unterzeichnet, so dass Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind. Die tatsächlich vom Kläger abgerechneten Gutachterkosten in Höhe von 491,40 EUR übersteigen die von der Kfz-Versicherung der Beklagten erstatteten und von dieser als üblich angesehenen Kosten in Höhe von 450 EUR um 9,2 % und halten sich noch in einem vertretbaren Rahmen. Die Preistabelle des Klägers weicht nicht derart erheblich von den von der Beklagten vorgelegten Preisen ab, als dass sich bei dem Geschädigten die Erkenntnis hätte aufdrängen müssen, dass er es mit einem besonders teuren Sachverständigen zu tun hatte(AG Hamburg, Urteil vom 02.11.2010, Az. 53a C 39/10). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2004 – VI ZR 211/03 – VersR 2004, 1189, 1190 f.). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. AG Essen VersR 2000, 68, 69; AG Siegburg ZfS 2003, 237, 238; Roß NZV 2001, 321, 323). Eine Kürzung der vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten allein auf Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes, hätte nicht erfolgen dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13).

Das Gericht hält die vom Kläger abgerechneten Nebenosten i.H.v. 117,94 EUR für angemessen. Das Gericht hält an einer starren Toleranzgrenze von 100,00 EUR nicht fest (so auch AG Lebach, Hinweisbeschluss v. 26.10.2012 – 14 C 43/12 (10)). Eine pauschale Festsetzung von Nebenkosten ist nicht möglich und es kommt ist einzelfallabhängig. Die in Rechnung gestellten Kosten können je nach Sachverständigen variieren. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass solche Nebenkosten oft im Rahmen einer Mischkalkulation des Sachverständigen in das Pauschalhonorar einfließen, kann der Geschädigte hier Missverhältnisse schwer erkennen. Der eine Sachverständige berechnet geringe Fahrtkosten, dafür hohe Schreibkosten und ein anderer Sachverständiger fällt durch besonders günstige Fotokosten auf, berechnet aber besonders hohe Fahrtkosten (Vgl. AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 15.02.2011, 911 C 568/10). So hat auch der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung dem Kläger Nebenkosten i.H.v. 189,20 EUR zugesprochen und sich, entgegen der Entscheidung des LG Saarbrücken vom 22.06.2012 Az.: 13 S 37/12, nicht an einer Preisgrenze von 100,00 EUR orientiert. (BGH, Urteil v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13). Der Geschädigte hätte auch bei einzelner Betrachtung der Nebenkosten nicht von einer evidenten Überhöhung ausgehen dürfen, die diesem auch hätte auffallen müssen (AG Hamburg St. Georg, Urteil vom 25.02.2011, Az.: 910 C 65/11).

Die vom Kläger berechneten 2,00 EUR pro Foto für den ersten Fotosatz ist nicht als zu hoch anzusehen. Dies wurde u.a. in dem jüngsten Urteil des BGH bestätigt (BGH, Urteil vom 11.02.2013 – VI ZR 225/13; AG Münster, Urteil vom 25.09.2012 – 28 C 1999/12; AG Amberg, Urteil v. 30.09.2013 – 3 C 548/13). Es mag zwar sein, dass anderorts Abzüge von Digitalfotos zu wesentlich günstigeren Preisen zu erwerben sind. Die bedeutet aber nicht, dass auch Sachverständige die von Ihnen für die Gutachtenerstellung angefertigten Fotos nur zu diesen Preisen abrechnen dürfen (LG Hamburg, Urteil v. 17.06.2011 – 331 0 262/10, zitiert nach juris).

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst entgegen der Auffassung der Beklagten auch die durch den Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten für einen zweiten Farbfotosatz. Dem Geschädigten kann es nicht zugemutet werden, Originalfotos aus der Hand zu geben. Dementsprechend ist der zweite Fotosatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und demnach erforderlich im Sinne des § 249 BGB (AG Hamburg-Harburg, Urteil v. 30.03.2007 – 644 C 72/07).

Auch erscheinen für die hinreichende Dokumentation des Schadens 10 Fotos ausreichend. Es ist zwar zutreffend, dass auf den Fotos 2, 3, 8 und 10 kein Schaden zu sehen ist. Allerdings sind Bilder von den unbeschädigten Seiten des PKW für die Berechnung des Wiederbeschaffungs- und Restwerts nötig und waren für die Schadensdokumentation geeignet (AG Münster, Urteil vom 25.09.2012 – 28 C 1999/12).

Vorliegend sind die geltend gemachten Nebenkosten jedenfalls nicht derart hoch angesetzt worden, dass für den Geschädigten als Laien ein auffälliges Missverhältnis zwischen Gesamtpreis und Gesamtleistung erkennbar gewesen wäre.

Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 EUR als Verzugsschaden, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 280 Abs. 2 BGB. Nachdem sich die Beklagte hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht in Verzug befunden hat, durfte sich der Kläger zur weiteren Rechtsverfolgung anwaltlicher Hilfe bedienen. Die Einschaltung des Rechtsanwalts erfolgte nach Verzugseintritt. Der Anspruch ist in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG (1,3 x 25,00 EUR) nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG (20 %) begründet, also in Höhe der geltend gemachten 39,00 EUR (netto). Zwar mag es sein, dass die vorgerichtliche anwaltliche Geltendmachung der Klageforderung gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten aus Gründen der Schadensminderungspflicht nicht erforderlich gewesen wäre, da der Kläger schon nach seinen Angaben die Regulierungspraxis bzw. die Kürzungen der Haftpflichtversicherung kannte. Im vorliegenden Fall nimmt er jedoch nicht die Haftpflichtversicherung, sondern die Beklagte als Halterin des Unfallfahrzeugs in Anspruch. Dass eine außergerichtliche Geltendmachung gegenüber der Beklagten von vornherein aussichtlos war, ist nicht ersichtlich.

Der Freihaltungsanspruch erstreckt sich auch auf die Kosten der Halterermittlung. Auch insoweit beruht der Ersatzanspruch auf §§ 286 Abs. 1, Abs.2 Nr. 3, 280 Abs. 2 BGB. Die Anfrage war auch erforderlich. Ohne weitere Angaben bzw. Nachweise musste sich der Kläger nicht auf die Auskunft des Geschädigten in der Auftragserteilung und Abtretungserklärung verlassen, zumal er lediglich Angaben über den Namen des Versicherungsnehmers erhalten hat und Halter und Versicherungsnehmer nicht unbedingt übereinstimmen müssen (AG Barmbek, Urteil v. 19.02.2014 – 823 C 212/13).

Die Zinsforderung ergibt sich aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Verzug ist eingetreten mit dem Ablehnungsschreiben des Haftpflichtversicherers der Beklagten vom 18.09.2013 gemäß § 286 Abs. 2 Nr.2 BGB. Darin wird endgültig und ernsthaft die weitere Zahlung von Sachverständigenkosten über den erstatteten Betrag hinaus abgelehnt. Die Erfüllungsverweigerung wirkt auch zu Lasten der Beklagten als Fahrzeughalter. Insoweit tritt wegen § 10 Abs. 5 AKB Gesamtwirkung des Verzuges ein (so Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 425 Rn. 3 m.w.N. für den Fall der Mahnung gegenüber dem Haftpflichtversicherer). Ein Zinsanspruch besteht damit jedenfalls ab dem geltend gemachten Zeitpunkt in gesetzlicher Höhe gemäß § 288 Abs. 1 S.2 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO

IV.

Von der Zulassung der Berufung wird gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO abgesehen. Die Rechtssache erfordert keine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall und insbesondere zu den vorliegend zu klärenden Rechtsfragen Stellung genommen.

Soweit das AG Norderstedt.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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