Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachstehend geben wir Euch hier ein Urteil aus Pforzheim zum Restwert und zu den Mietwagenkosten bekannt. Während das Thema Restwert durch das erkennende Gericht punktgenau abgearbeitet wurde, betehen hinsichtlich der Entscheidungsgründe bei den Mietwagenkosten erhebliche Bedenken. Ein Mittelwert zwischen Schwacke und Fraunhofer oder gar Fraunhofer pur geht gar nicht! Ansonsten müsste der Geschädigte Hellseher sein, wie und was das entsprechende zuständige Gericht irgendwann entscheidet. Bei der uneinheitlichen (zerstrittenen) Rechtsprechung ist das wohl eine unlösbare Aufgabe. Richtig ist meiner Meinung nach folgender Weg: Der zuständige VI. Zivilsenat des BGH gibt vor, dass Schwacke als Schätzungsgrundlage geeignet ist (vgl. BGH VersR 2008, 699 = ZfS 2008, 383, 441; BGH VersR 2008, 1706 = ZfS 2009, 82). Wenn der Geschädigte demnach einen Mietwagen zum Schwacketarif anmietet, kann er nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen und braucht auch keine „Vergleichsangebote“ einholen. So einfach dürfte das sein. Bei der Schadensposition „Mietwagenkosten“ ist nicht anders zu verfahren, wie bei anderen Schadenspositionen. Es kommt auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung an. Diese Ansicht ist durch die neueste Rechtsprechung des BGH bestätigt worden (BGH DS 2014, 90 mwN.). Der normale, wirtschaftlich denkende Mensch in der Lage des Geschädigten wird sich nach dem Normaltarif nach dem gängigen Schwacke-Mietpreisspiegel erkundigen. Rechenwerke, um einen Mittelwert zu errechnen, wird er nicht anstellen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare dazu ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
13 C 21/14
Verkündet am
27.03.2014
Amtsgericht Pforzheim
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Pforzheim
durch die Richterin …
am 27.03.2014 nach dem Sach- und Streitstand vom 17.03.2014 ohne mündliche Verhandlung
mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1530,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.12.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 114,48 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.12.2013 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 28 Prozent und die Beklagte 72 Prozent zu tragen.
5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.126,03 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über restliche Mietwagenkosten und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall.
Am 19.03.2013 kam es gegen 20:15 Uhr in Pforzheim zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Fahrzeug des Klägers, amtliches Kennzeichen … und dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug, amtliches Kennzeichen … . Die Beklagte war daraus zu 100 % einstandspflichtig. Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Totalschaden.
Der Kläger benötigte für 14 Tage einen Mietwagen. Am Tag nach dem Unfall mietete er ein Fahrzeug der Gruppe 8 an. Der Kläger ließ am Donnerstag, den 21.03.2013 ein Sachverständigengutachten erstellen, welches der Beklagten umgehend übersandt wurde.
Am 26.03.2013 veräußerte der Kläger das Unfallfahrzeug für 2.000,00 €. Mit Schreiben vom 27.03.2013 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Restwertangebot in Höhe von 3.530,00 €. Dieses ging den Prozessbevollmächtigten des Klägers per Email am 27.03.2013 und dem Kläger postalisch am 30.03.2013 zu. Eine Empfangsvollmacht für Restwertangebote bestand seitens der Prozessbevollmächtigten nicht.
In der Folgezeit zog die Beklagte bei der Begleichung des entstandenen Schadens vom Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.800,00 € den Restwert in Höhe von 3.530,00 € ab, und ersetzte nur den Differenzbetrag. Zudem zahlte die Beklagte auf die geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von 1.951,03 € nur einen Betrag von 1.355,00 €. Auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € zahlte die Beklagte 661,16 €. Darüber hinausgehende Zahlungen lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger meint, er müsse sich nicht auf das Restwertangebot der Beklagten verweisen lassen. Vielmehr sei er nicht verpflichtet gewesen, abzuwarten, ob die Beklagte ein höheres Restwertangebot vorlegt. Er meint außerdem, der „Schwackemietpreisspiegel“ sei eine geeignete Grundlage zur Berechnung des Normaltarifs der Mietwagenkosten.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, 2.126,03 € an ihn nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn nicht streitwerterhöhende Nebenforderung 176,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basisizinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Meinung, der durch das Sachverständigengutachten ermittelte Restwert von 2.000,00 € sei zu niedrig. Die Restwertermittlung würde schon nicht den formalen Anforderungen entsprechen. Die Beklagte habe ein bis zum 24.04.2013 annahmefähiges konkretes Restwertangebot vorgelegt, gegen das auch keinerlei Einwendungen erhoben worden seien. Das Angebot sei auch rechtszeitig vorgelegt worden. Durch die Veräußerung innerhalb von nur sieben Tagen habe der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil ein solcher Zeitraum der Beklagten zur Prüfung des Schadensgutachtens zur Verfügung stehen müsse. Die Beklagte ist der Ansicht, die Mietwagenkosten seien aus dem Mittelwert zwischen der „Schwacke-Mietpreisliste“ und der „Fraunhofer-Liste“ zu ermitteln. Daraus ergebe sich ein Wert von 1.219,21 €, sodass die Zahlung in Höhe von 1.355,00 € schon überobligatorisch gewesen sei. Die Beklagte meint, der Kläger habe nur ein Fahrzeug der Gruppe 7 anmieten dürfen, weil es sich bei dem Unfallfahrzeug auch nur um ein Fahrzeug dieser Gruppe handele.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht die Zahlung der Restwertdifferenz in Höhe von 1.530,00 € aufgrund des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 ff BGB zu.
Der Kläger muss sich den Restwert des Fahrzeugs nur in Höhe von 2.000,00 € anrechnen lassen, also den Preis, den der Kläger bei Inzahlunggabe des Kfz bei einem Gebrauchtwagenhändler erzielen kann. Dabei konnte der Unfallgeschädigte Kläger den vom Sachverständigen für den regionalen Markt ermittelten Restwert zugrunde legen, wobei der Sachverständige in der Regel drei Angebote einzuholen hat (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 249 Rn. 17 m.w.Nachw.).
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 21.03.2013 drei konkrete Angebote angegeben und damit die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass der Kläger den von ihm ermittelten Restwert zugrunde legen durfte.
Der Kläger hat auch nicht dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, dass er schon kurze Zeit nach der Übersendung des Sachverständigengutachtens an die Beklagte, das Fahrzeug zum ermittelten Preis von 2.000,00 € veräußerte und damit das durch die Beklagte später übermittelte Angebot in Höhe von 3.530,00- € nicht mehr annehmen konnte.
Zwar können besondere Umstände den Geschädigten dazu anhalten, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen und sich eine andere ihm darbietende Verwertungsmöglichkeit zu ergreifen, eine derartige Ausnahme muss allerdings in engen Grenzen gehalten werden und darf nicht dazu führen, dass dem Geschädigten bei der Schadesbehebung die vom Schädiger bzw. dessen Versicherer gewünschte Verwertungsmodalität aufgezwungen wird (vgl. BGH Urt. v. 01.06.2010, VI ZR 316/09 = NJW 2010, 2722).
Zum Zeitpunkt der Veräußerung lag dem Kläger kein entsprechendes Angebot vor. Der Kläger hat auch nicht durch sein rasches Handein gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Ihn traf keine Wartepflicht, weil ihn als Geschädigten schon keine Verpflichtung trifft, dem Schädiger oder dessen Versicherung das Gutachten mit Restwertschätzung zu übermittelt (BGH Urt. v. 06.04.1993, VI ZR 181/92 = NJW 1993, 1849; Grüneberg, a.a.O.). Der Gegenansicht des OLG Köln (Beschl. v. 16.07.2012, 13 U 80/12 = NJW-RR 2013, 224) wird angesichts des Grundsatzes der Ersetzungsbefungnis nicht gefolgt. Wenn ihn schon keine Pflicht trifft, das Gutachten zu übermitteln, so kann ihn erst recht keine Pflicht treffen, nach Übermittlung des Gutachtens einen bestimmten Zeitrahmen abuzuwarten, bis er auf Grundlage des Sachverständigengutachtens sein Fahrzeug verkauft, und dem Schädiger somit Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot vorzulegen.
Dem Kläger stehen jedoch keine weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 596,03 € gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 ff BGB zu.
Grundsätzlich gehören die Kosten für die Inanspruchnahme eines Mietwagens zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und erforderlich halten darf (BGH, NJW 2005, 51; NJW 2010, 1445).
Grundsätzlich muss der Geschädigte zunächst darlegen und beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war (BGH NJW 2008, 1519). Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen hat (BGH a. a. O.). Die – in der Beweislast des Schädigers liegende – Frage der Schadensminderungspflicht stellt sich erst dann, wenn der Schädiger dargelegt und beweist, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war (BGH NJW 2008, 2190).
Im hier vorliegenden Fall hat die Klägerseite schon nicht hinreichend dargelegt, dass ihr ein günstigerer als der von ihr geltend gemachte Tarif nicht zugänglich war und dass ihr dies auch nicht möglich war. Dabei entfällt die Erkundigungspflicht der Klägerin im vorliegenden Fall nicht bereits deshalb, weil die Anmietung des Ersatzfahrzeuges am tag nach dem Unfall erfolgte. Gründe, die für eine besondere Eilbedürftigkeit sprechen, durch die die Erkundigungspflicht entfallen könnte, sind nicht vorgetragen.
Den als „Normaltarif bezeichneten Mietpreis schätzt das Gericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urt. v. 11.08.2011, 1 U 27/11) auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwertes zwischen dem Wert des Schwacke-Mietpreisspiegels (Modus) und dem Mittelwert des Marktpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts für Arbeit, Wirtschaft und Organisation (nachfolgend: Fraunhofer-Liste).
Diese Methode erscheint nach derzeitigem Erkenntnisstand am ehesten geeignet, die in Rechtsprechung und Literatur im Einzelnen aufgezeigten Mängel, die beiden Listen innewohnen, auszugleichen und so zu einem der tatsächlichen Anmietsituation eines „Normalkunden“ am ehesten vergleichbaren Ergebnis zu kommen. Denn sowohl die Schwacke-Liste als auch die Fraunhofer-Liste weisen Mängel auf, die es weniger sachgerecht erscheinen lassen, ausschließlich eine der beiden Listen als Schätzungsgrundlage heranzuziehen. Das Gericht macht sich die vom OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 11.08.2011 (1 U 27/11) angeführten Gründe ausdrücklich zu eigen.
Die konkrete Berechnung im vorliegenden Fall erfolgt unter Anwendung der für das Anmietungs-jahr zeitnächsten Tabellen, wobei für den anzuwendenden PLZ-Bereich der Anmietungsort maßgebend ist und unter Heranziehung von Wochenpauschalen, 3-TagespauschaIen und 1-Tagespauschalen (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Einstellung von Wochenpauschalen vgl. BGH NJW 2010, 2569, Rn. 10).
Bei der Bemessung des Normaltarifs nach der Schwacke-Liste ist vom gewichteten Mittel (sogenannter „Modus“) auszugehen. Das gewichtete Mittel gibt im Gegensatz zum ebenfalls ausgewiesenen arithmetischen Mittel die tatsächlich angebotenen Preise wieder. Dies stellt – auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2010, 1445 ff.; NJW 2010, 2569) – eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Normaltarifs dar.
Bei Fraunhofer ist mangels Angabe eines Moduswertes von dem Mittelwert der Ergebnisse nach zweistelligen Postleitzahlenbereichen auszugehen.
In die jeweiligen Endpreise sind sowohl beim Schwacke-Automietpreisspiegei als auch bei der Fraunhofer-Liste bereits die Kosten der Kaskoversicherung einbezogen.
+Der Kläger hat ein Fahrzeug der Gruppe 8 angemietet. Die Beklagte hat Bezugnahme auf die Reparaturkalkulation des Sachverständigen (Anlage K1) nachgewiesen, dass es sich beim unfallbeschädigten klägerischen Fahrzeug um das Modell Opel Signum 1.9 CDTI Edition (88kw, Schaltgetriebe) letzte Produktionsserie 2007 handelt, welcher nach der von der Bekfagtenseite vorgelegten Anlage W 1 in die Kategorie 07 einzustufen ist. Der Kläger kann daher nur Mietwagenkosten für ein Fahrzeug der Gruppe 7 abzüglich Eigenersparnis in Höhe von fünf Prozent geltend machen. Ein Zuschlag für unfallbedingte Mehrleistungen ist vorliegend nicht vorzunehmen.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
…
Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht ein weiterer Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 114,48 €. Durch die noch zugesprochenen Restwertdifferenz ergibt sich ein maßgeblicher Gegenstandswert von 9.594,26 €. Unter Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr errechnet sich hieraus für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ein Betrag von 775,64 €. Von diesem Betrag sind bereit bezahlte 661,16 € abzuziehen, sodass ein Restbetrag in Höhe von 114,48 € verbleibt.
Der Zinsanspruch ergibt sich §§ 291, 288 BGB. Als Zinsbeginn ist dabei analog § 187 BGB der Tag nach der Rechtshängigkeit anzusetzen.
Wegen der weitergehenden Forderungen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.