Mit Urteil vom 11.03.2010 (8 C 38/09) hat das AG Calw die HDI-Gerling Industrie Versicherungs AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 520,42 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab. Ein sauber begründetes Urteil, indem wohltuend auch darauf hingewiesen wird, dass die Anforderungen an den – juristisch im Allgemeinen nicht vorgebildeten – Geschädigten nicht überspannt werden dürfen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung von 520,42 € aus den §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, §§ 823, 249 BGB.
Nach der Rechtsprechung kann der Geschädigte vom Schädiger gem. § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf (BGH NJW 2007, 2966 m.w.N).
Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz abgeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu beheben. Bezogen auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugss bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt allgemein zugänglichen Tarifen grundsätzlich den günstigeren als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Allerdings verstößt der Geschädigte nicht schon deshalb gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, weil er ein Fahrzeug zu einem sog. Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist. Ein solcher Unfallersatztarif kann sich daraus rechtfertigen, dass der Vermieter des Ersatzwagens durch die Unfallsituation besondere Leistungen erbringen muss.
Das Gericht entscheidet über die Höhe des zur ersetzenden Schadens zunächst unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, § 287 ZPO.
Gleichwohl werden zur Entscheidung des Gerichts insbesondere zur Schätzung des Schadens externe Erkenntnisquellen herangezogen.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Schwacke-Mietpreisspiegel grundsätzlich als geeignete Schätzgrundlage für den Normaltarif heranzuziehen. Insoweit folgt das Gericht der Rechtsprechung des LG Tübingen und des 3. Zivilsenats des OLG Stuttgart (Urteil vom 10 06 2006 Az 3 U 30/09) Auch der BGH hat eine Schätzung auf Grundlage der Schwacke -Liste wiederholt ausdrücklich gebilligt (BGH NJW 2009 ,58; 2008, 2910; 2007, 3782).
Im vorliegenden Fall wurden dem Kläger für den in Anspruch genommenen Mietwagen 1.431,96 € in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat von dieser Rechnung lediglich 911,54 € reguliert.
Das Gericht hält jedoch den gesamten Betrag für erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Als Vergleichsgrundlage dient dem Gericht der Schwacke-Mietpreisspiegel 2007. Der vom Kläger geltend gemachte Betrag entspricht genau dem ermittelten Bundesdurchschnitt für den Normaltarif. Im Verhältnis zum örtlichen Normaltarif für den Wohnort des Klägers im Postleitzahlengebiet 762 ergibt sich sogar, das die geltend gemachte Klagesumme noch unterhalb des dort ermittelten Mittelwertes von 1575,43 € liegt.
Die von Beklagtenseite vorgelegten günstigeren Vergleichsangebote können als wahr unterstellt werden, führen jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen stammen die Angebote sämtlich aus dem Februar 2009. Der Unfall und die Anmietung des Wagens erfolgten jedoch am 06.06.2008, so dass die Angebote schon in zeitlicher Hinsicht keine wirklichen Alternativangebote sind.
Zum anderen ist das Gericht der Ansicht, dass dem Geschädigten, der letztendlich zum Normaltarif anmietet und schnell auf einen Ersatzwagen angewiesen ist, nicht zumutbar ist, sämtliche Möglichkeiten der Anmietung eines Mietwagens durchzuprüfen. Vielmehr genügt der Geschädigte gerade durch die Anmietung zum Normaltarif seiner Schadensminderungspflicht.
Im Übrigen sollten alle Parteien die an der Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten über Mietwagenkosten beteiligt sind, nicht übersehen, dass „der Geschädigte“ in aller Regel juristisch nicht gebildet ist und von den anstehenden Streitigkeiten nichts weiß. Gerade auch insoweit sollten die Anforderungen an den Geschädigten nicht künstlich überspannt werden. Noch immer sollte die Prämisse gelten, dass derjenige, der ohne eigenes Verschulden einen Schaden erleidet, diesen auch ersetzt bekommt.
Die von Beklagtenseite vorgebrachten Einwendungen gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste greifen nach Ansicht des Gerichtes nicht durch. Aus Sicht des erkennenden Gerichts erscheint es gerade zweifelhaft, ob der Mietspiegel des Fraunhofer Institutes eine geeignete Schätzgrundlage darstellen kann. Die Fraunhofer-Studie hat sich bei seiner Recherche nach den marktüblichen Preisen auf die Suche im Internet und dort auf die einschlägigen Internetportale beschränkt, welche eine verbindliche Buchung erlauben. Somit ist die Fraunhofer-Studie auf die namhaften und großen Anbieter beschränkt. Darüber hinaus beschränkt sich die Fraunhofer-Untersuchung auf zweistellige, hinsichtlich der telefonischen Erhebung sogar auf einstellige Postleitzahlenbereiche, so dass aus Sicht des Gerichtes die Gefahr besteht dass Besonderheiten regionaler Märkte nicht berücksichtigt werden. Problematisch ist außerdem, dass bei Erhebung der Fraunhofer-Studie, eine Vorbuchungszeit von einer Woche als Grundlage angenommen wurde. Diese Vorbuchungszeit kann jedoch gerade bei Anmietung eines Fahrzeugs in Folge eines Unfalles in der Regel nicht eingehalten werden. Aus Sicht des Gerichts muss schließlich auch die Unabhängigkeit der Studie in Zweifel gezogen werden, wurde sie jedoch von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegeben. Im Übrigen setzen Buchungen im Internet in aller Regel den Einsatz von Kreditkatten mit all seinen Risiken des Missbrauches voraus. Einem Geschädigten kann nicht zugemutet werden, zwangsweise eine Kreditkarte einzusetzen, zumal nicht jeder Geschädigte automatisch im Besitz einer Kreditkarte ist.
Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt als Verzugsschadnn aus §§ 280,286 BGB.
Die Zinsausprüche finden ihre Anspruchsgrundlage in den §§ 286,288 8GB.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 48 GKG, 3 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, nachdem die gesetzichen Voraussetzungen aus § 511 II, IV ZPO nicht vorlagen.
Soweit das AG Calw.