Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenbeginn geben wir Euch ein Hammer-Schrotturteil aus Nürnberg bekannt. In der Redaktion wurde lange diskutiert, ob wir dieses Urteil veröffentlichen sollten oder nicht. Letztlich gewann die Erkenntnis, dass wir dieses Urteil als warnendes (abschreckendes) Beispiel einstellen sollten, die Oberhand. Obwohl der BGH in dem Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – entschieden hatte, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls BVSK und dessen Honorarumfrage nicht kennen muss, wird auf diese Umfrage im nachfolgenden Urteil abgestellt. Die promovierte Amtsrichterin des AG Nürnberg prüft im Schadensersatzprozess werkvertragliche Gesichtspunkte. Darüber hinaus hat sie offenbar noch nicht einmal ins Gesetz geschaut, denn die von ihr bezeichnete“ortsübliche Vergütung“ gibt es nicht im § 632 II BGB. Dort steht lediglich „übliche Vergütung“. Der Geschädigte bekommt im konkreten Fall eine Abfuhr, indem im Schadensersatzprozess nach werkvertraglichen Gesichtspunkten auf der Grundlage von BVSK gekürzt wird, was das Zeug hält. Und das nach den beiden neueren BGH-Urteilen. Einfach nur noch unglaublich, sind wir der Meinung. Was meint Ihr?
Viele Grüße und – trotzdem – eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Nürnberg
Az.: 18 C 4522/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
Allianz Versicherungs AG, vertreten durch d. Vorstand Severin Moser, Königinstraße 28, 80802 München,
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht Dr. W. am 05.09.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 sowie weitere 26,30 € zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 104,10 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Bezahlung der restlichen Sachverständigenkosten gemäß §§ 823, 249 BGB, § 7 StVG i.V.m. § 115 VVG in Höhe von noch 17,71 EUR.
Gegenstand der Klage sind restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 08.12.2013, für dessen Folge die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist. Der Kläger beauftragte den Sachverständigen … mit der Erstellung eine Schadensgutachtens, welcher einen Betrag in Höhe von 573,16 EUR in Rechnung stellte. Der Sachverständige kalkulierte den Schaden am Fahrzeug auf 1.897,07 € netto. Die Beklagte zahlte auf das Sachverständigenhonorar einen Betrag iHv 469,06 EUR.
Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustan-des erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierzu zählen grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war, vgl. Palandt, BGB, 69. A., § 249 Rn.58. Dies ist bei einem Sachschaden in Höhe von 1.897,07 € der Fall. Ein Bagatellschaden liegt bei dieser Schadenshöhe nicht vor.
Dass mit dem Sachverständigen eine konkrete Vergütung im Vorfeld der Begutachtung vereinbart wurde, ist nicht vorgetragen. Es findet daher zur Bestimmung der Vergütung § 632 Abs. 2 BGB Anwendung. Nachdem eine taxmäßige Vergütung nicht existiert, ist die ortsübliche Vergütung maßgeblich.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen, vgl. BGH, NJW 2005, S. 1108 ff. Allerdings ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen.
Die übliche Vergütung bestimmt das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO anhand der BVSK-Befragung 2013. Diese stellt eine taugliche Schätzgrundlage dar (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 24.01.2011, Az. 423 C 11179/10; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.02.2012, Az. 8 S 2791/11). Einen praktikablen Wert für die Üblichkeit liefert das arithmetische Mittel des sog. HB V Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2013, da 50 – 60 % der Befragten, also die Mehrheit, ihr Honorar innerhalb dieses Korridors berechnen, vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.02.2012, Az. 8 S 2791/11.
Ausgehend von der BVSK-Honorarbefragung und der Schadenshöhe beträgt das durchschnittliche Grundhonorar innerhalb von HB V 354,00 €.
Neben dem Grundhonorar hält das Gericht grundsätzlich auch (pauschale) Nebenkosten für erstattungsfähig. Dass neben dem Grundhonorar üblicherweise keine Nebenkostenpauschalen abgerechnet werden, ergibt sich aus den BVSK-Honorarbefragungen gerade nicht. Vielmehr ist es nach dem Ergebnis der Befragungen durchaus üblich, weitere Nebenkosten (pauschal) in Rechnung zu stellen. Es mag sein, dass vielleicht nicht alle Sachverständigen die Nebenkosten, die die Tabellen des BVSK ausweisen, kumulativ in Rechnung stellen, sondern nur einzelne Positionen. Wenn sich jedoch die in Rechnung gestellten Einzelpositionen im Rahmen des Üblichen bewegen, ist dies nicht zu beanstanden, so LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.02.2012, Az. 8 S 2791/11.
Fahrkosten sind für 9 km mit 0,60 €/km nicht überhöht seitens des Sachverständigen angesetzt.
Die Fotokosten sind pro Foto für den ersten Fotosatz auf 2,38 €/Foto, mithin bei 14 Fotos auf 33,32 € festzusetzen. Für Porto und Telefon ist eine Pauschale von 16,33 € berechtigt. Diesen Ansatz überschreitet der Sachverständige mit 32,15 €.
Für die Position Auslagen/Nebenkosten sieht die BVSK-Tabelie keinen Zuschlag vor. Es ist überdies völlig unklar, welche Kosten hiermit erfasst sein sollen. Auch für EDV-Kosten ist ein Ansatz als Nebenkosten in der Honorarbefragung nicht vorgesehen. Überdies gehört die EDV-Ausstattung zur Grundausstattung der Sachverständigen und ist mit dem Grundhonorar abgegolten.
Es ergeben sich Gesamtkosten von 409,05 € netto und 486,77 € brutto.
Hiervon sind die geleisteten 469,06 € in Abzug zu bringen.
Die Verurteilung zur Verzinsung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten berechnen sich aus einem Streitwert von 1.975,69 € (regulierter Betrag 1.957,98 € zzgl. 17,71 €). Sie betragen 255,85 €. Hierauf wurden 229,55 egeleistet. Es verbleiben 26,30 €.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO sind nicht gegeben.
Hallo, W.W.,
ich denke mal, dass der Richter die BVSK-Honorarbefragung wie eine Gebührenordnung bewertet hat, was ursprünglich ja auch wohl so beabsichtigt war. Da hat dann jedoch der BGH dieser Absicht bzw. Handhabung einen Riegel vorgeschoben. Unabhängig davon ist der erste Teil der Entscheidungsgründe doch verständlich, dann hat er allerdings aus der BVSK Befragung etwas herausgelesen, was sie nicht hergibt und das was da geschrieben steht, allzu wörtlich im Verhältnis 1:1 einfach übernommen, obwohl es um Honorarbandbreiten geht. Und das mit der „Üblichkeit“ ist ja bekanntlich so eine Sache und zwar erst recht mit der BVSK-Honorarüblichkeit. Die Honorargestaltung beim BVSK war schon immer geprägt von Anbiederungstendenzen gegenüber der Assekuranz.
Gruß
J.F.
Hi, J.F.
Du hast es auf den Punkt gebracht. Es wäre erfreulich, wenn sich einige Gerichte in ihren Entscheidungsgründen nicht auf eine Befragung abstützen würden, die schadenersatzrechtlich nichts hergibt. Was geht denn einen unabhängigen Sachverständigen in seiner Honorargestaltung die Honorarbefragung eines Berufsverbandes überhaupt was an, dessen Mitglied er nicht ist ? Diese Honorarbefragung mit fragwürdigen Vergangenheitsdaten und Kommentierungen des GF Fuchs sollten besser kritisch hinterfragt werden, wenn man schon glaubt, darauf nicht verzichten zu können.
Allerdings hat hierzu die HUK-Coburg -Versicherung schon deutliche Worte gefunden, was die Einordnung angeht. Umso mehr muss es verwundern, dass sie sich dennoch darauf bezieht. Ein Widerspruch, der nicht ins Bild paßt.
Gruss aus dem Watt
Malte
@ Willi Wacker,
ich denke mal es handelt sich einfach nur um bayrische Klüngelei.
Gericht in Bayern, beklagte Gewerbesteuerzahlerin in Bayern.
Wenn jetzt noch der Kläger aus Baden Württemberg stammt wundert es mich nicht,
wenn es lautet:
„Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen“.
Lokalpatriotismus hat eben auch Vorteile. Das sollten die Schwaben doch auch mal lernen.
Grüße aus dem Wilden Süden
Gottlob Häberle