Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum beginnenden Wochenende geben wir Euch wieder eine interessante Lektüre bekannt. Es handelt sich um ein Urteil des zuständigen Amtsrichters der 38. Zivilabteilung des AG Bochm gegen die Unfallverursacherin persönlich, die bei der DA-Direkt Versicherung haftpflichtversichert war. Die eigentlich voll haftende Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden des Unfallopfers M. allerdings nur zum Teil. Insbesondere die Schadensposition der Sachverständigenkosten wurde durch die DA-Direkt Versicherung nur zum Teil reguliert. Der restliche abgetretene Schadensersatzanspruch wurde bei dem zuständigen Amtsgericht Bochum direkt gegen die Unfallverursacherin rechtshängig gemacht. Zwar wurde jetzt von dem bekannten Kölner Rechtsanwalt nunmehr die Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten M. und dem klagenden Sachverständigen bestritten, obwohl bereits vorgerichtlich auf die Kostenrechnung des Sachverständigen geleistet wurde. Das nennt man treuwidriges Verhalten, das gegen § 242 BGB verstößt. Aber auch dem Grunde nach hatte die Klage in vollem Umfang Erfolg. Zutreffend hat das erkennende Gericht u.a. auch auf das Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 = NZV 2014, 255 = r+s 2014, 203) abgestellt. Zutreffend wurde auch darauf hingewiesen, dass der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn er die Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht durch den Geschädigten rügt. Eine sehr gut begründee Entscheidung des AG Bochum, wie wir meinen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare bekannt. Das Urteil wurde dem Autor durch die Anwaltskanzlei Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg zugesandt.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
38 C 210/14
Amtsgericht Bochum
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn Dipl.-Ing. H. R. aus B.,
Klägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
Frau … (Versicherungsnehmerin der DA-Direkt Versicherung) ,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. B. aus K.,
hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2014
duch den Richter am Amtsgericht Dr. B.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den kläger 95,60 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.07.2013 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. 70,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2014 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Hauptforderung
Der Kläger kann gem. §§ 7, 17 StVG, 398 BGB aus abgetretenem Recht der Geschädigten M. von der Beklagten anlässlich des Verkehrsunfall vom 01.07.2013 in Bochum Ersatz weiterer Sachverständigenkosten i. H. v. 95,80 € verlangen.
1.
Soweit die Beklagtenseite eine Honorarvereinbarung pauschal bestreitet, ist dies zum einen unsubstantiiert und zum anderen nach Ansicht des Gerichts auch treuwidrig, §242 BGB, weil sie vorprozessual einen Teilbetrag der Sachverständigenkosten in Höhe 848,55 € als Zahlung an den Kläger leistete, im Rechtsstreit sich aber darauf beruft, dass eine Honorarvereinbarung nicht bestehe.
2.
Die Beklagte hat gem. § 248 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand auch die erforderlichen Sachverständigenkosten zur Schadensermittlung zu ersetzen.
Der Höhe nach sind die Kosten gemäß Rechnung vom 03.07.2013 (Bl. 15 d.A.) nicht zu beanstanden. Ausgehend von dem Rechnungsbetrag in Höhe von 744,15 € und bereits erstatteten 648,55 € schuldet die Beklagte auch die Differenz in Höhe von 95,60 €.
a)
Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Geschädigte zwar gehalten, den Aufwand zur Schadensbeseitigung im Rahmen des Zumutbaren möglichst gering zu halten. Hierbei ist auf eine subjektive Schadensbetrachtung abzustellen, d.h. mit Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Der Geschädigte muss insbesondere zuvor keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (zum Ganzen: BGH, Urt v. 11.02.2014, VI ZR 225/13 Juris, Rn. 7).
b)
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der gerichtlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Aufwands i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (BGH a.a.O , Rn. 8).
c)
Diesen Anforderungen ist die Klägerseite gerecht geworden.
Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das Grundhonorar nach der Schadenshöhe (ermittelt wurde insoweit ein Reparaturkostenschaden von brutto 3.892,48 €, mithin kein Bagatellschaden) – und nicht etwa nach Zeitaufwand – richtete (vgl. hierzu etwa LG Bochum, Urt. 10.01.2006, 11 S 253/05, Juris Rn. 24 ff.).
d)
Ein einfaches Bestreiten der Beklagten der Erforderlichkeit des hier ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 8). Letzteres lässt sich hier indes nicht feststellen.
e)
Nach der Rechtsprechung des BGH darf sich der Geschädigte nur dann nicht mit Erfolg auf die ausgewiesene Rechnungshöhe des von ihm beauftragten Gutachters berufen, wenn aus Sicht des Geschädigten erkennbar war, dass der von ihm beauftragte Gutachter eine Vergütung verlangt, die die branchenüblichen Preise (einschließlich der üblichen Nebenkosten) deutlich überschreiten. Dann nämlich gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, a.a.O., Rn. 9). Hierfür ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (BGH, a.a.O., Rn. 11).
Die Beklagtenseite hat indes keine substantiierten Umstände dafür vorgetragen, dass die Geschädigte M. von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige R. nach der pauschalen Behauptung der Beklagten „überhöhte“ Kosten vereinbaren bzw. ansetzen würde.
Soweit sich die Beklagte auf ein Gutachten des Herrn D. beruft, so bezieht sich dieses erkennbar nicht auf das hier vorliegende Schadensgutachten. Dass nicht nach Zeitaufwand abgerechnet werden muss, sondern auch nach der Schadenshöhe abgerechnet werden kann, wurde oben bereits unter c) dargelegt.
Das im vorliegenden Fall keine deutliche Überschreitung der marktühüchen Preise vorliegt, ergibt sich zudem anber auch daraus, dass die Haftpflichtversicherung der Beklagten offenbar selbst Kosten in Höhe von bis 648,55 € für angemessen hielt. Die Abweichung der in Rechnung gestellten 744,15 beträgt prozentual lediglich 12,8 %. Dies kann jedoch nicht als „deutliche“ bzw. „erhebliche“ (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, Juris Rn. 17) Überschreitung angesehen werden.
Angesichts dessen und im Lichte der oben zitierten BGH-Rechtsprechung hätte die Beklagte schon substantiiert und konkreter vortragen müssen, warum hier Umstände vorlagen, die aus Sicht der Geschädigten den Schluss zulassen, dass der von ihr beauftragte Sachverständige R. in ihrem konkreten Fall branchenübliche Preise (einschließlich der üblichen Nebenkosten) deutlich übersteigt. Hierzu hat die Beklagte jedoch nichts Konkretes vorgetragen, sondern sie hat die Erforderlichkeit und Angemessenheit der (Neben-) Kosten lediglich pauschal bestritten.
II. Nebenforderungen
Auch die beantragten Nebenforderungen des Klägers (Verzugszinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosen) sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges der Beklagten gem. den §§ 286, 288 BGB begründet.
In Bezug auf die Hauptforderung bestand vor dem Hintergrund des Abrechnungsscbreibens der Haftpflichtversicherung vom 11.07.2013 (Bl. 17 d.A.), welches sich die Beklagte zurechnen lassen muss, Verzug ab dem 12.07.2013 gem. S 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind ebenfalls nach § 286 BGB zu ersetzen, weil der Kläger die Beklagte insoweit durch die auf den 01.11.2013 befristete Mahnung vom 17.10.2013 (Bl. 18 d.A.) wirksam in Verzug gesetzt hat und die anwaltliche Tätigkeit nach Verzugseintritt vorgenommen wurden. Die Zinspflicht hinsichtlich der Anwaltskasten ergibt sich aus der Mahnung vom 19.12.2013 (Bl. 20 d.A.).
Der Höhe nach sind die Anwaltskosten, wie beantragt, in Höhe von 70,20 € auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr bei einem Streitwert bis 500,- € zzgl. Pauschale nicht zu beanstanden. Die ursprüngliche „Zuvielforderung“ ist nach Ansicht des Gerichts unschädlich.
III. Prozessuale Nebenentscheidungen
Die prozessualen Nebentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1. 708 Nr. 11, 713 ZPO.
IV. Entscheidung über die Zulassung der Berufung
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Die, Gründe einer Zulassung gem. § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO sind vorliegend nicht gegeben, und zwar hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung, noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die betroffenen Rechtsfragen sind hinlänglich u.a. durch die Entscheidungen des BGH (zuletzt Urt. v. 11.02.2014, VI ZR 225/13 und Urt. v. 22.07.2014, VI ZR 357/13) und des LG Bochum (Urt. v. 10.01.2008 – 11 S 253/05, Juris) entschieden. Auf die Verfügung des Gerichts vom 27.05.2014 wird ergänzend Bezug genommen.
V. Streitwert
Der Streitwert wird auf bis zu 500,- € festgesetzt.
Hallo, W.W.,
ein in den Entscheidungsgründen durchgängig klares Urteil des AG Bochum, das einzig und allein auf schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante Kriterien abstellt und deshalb auch relativ kurz gehalten werden konnte. Der zuständige Richter hat sich nicht durch Argumente ins Blaue hinein verunsichern lassen und ist auch nicht der Versuchung erlegen, sich auf eine Erörterung unter werkvertraglichen Gesichtspunkten einzulassen.
Mit besten Grüßen
nach Bochum
Gregor