Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier und heute wollen wir Euch ein Urteil des OLG München zur fiktiven Abrechnung, bei dem die UPE-Aufschläge und Verbringungskosten zugesprochen wurden, vorstellen, allerdings nur in den Entscheidungsgründen. Obwohl das Urteil schon aus dem Februar dieses Jahres stammt, wurde es bis heute kaum veröffentlicht. Im Volltext erst recht nicht. Lesenswert ist die Argumentation des Gerichts zu der Erforderlichkeit der Verbringungskosten und der UPE-Zuschläge auch bei Schadensabrechnung auf der Basis des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens. Mithin gibt es durchaus auch fiktive Verbringungskosten und UPE-Zuschläge. Auch die Reparaturkosten werden von den eintrittspflichtigen Versicherungen erstattet, obwohl tatsächlich eine Reparatur nicht vorgenommen wird. Warum einmal ja und beim anderen nein, diesen Widerspruch wird die Versicherungswirtschaft sinnvoll nie erklären können. Denn diese Unterscheidung bei der fiktiven Abrechnung ist schlichtweg falsch und findet keine Stütze im Gesetz. Dem Geschädigten steht nun einmal die Dispositionsfreiheit zu, nämlich zu entscheiden, wie, ob, wo und wann er den eingetretenen Schaden, für den der Schädiger bereits bei Schadenseintritt haftet, beseitigen lassen will. Trotz dieser wichtigen Entscheidung gab es für dieses Urteil keine „Pressemeldung“ im Gegensatz zu dem „Bagatellurteil“ des AG München. Es ist ein Tor, der böses dabei denkt? Lest aber selbst und gebt zu diesem Urteil bitte Eure Kommentre ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Oberlandesgericht München
Aktenzeichen: 10 U 3878/13
4 O 575/12 LG Passau
Vekündet am 28.02.2014
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
1. …
– Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte –
2. …
– Drittwiderbeklagter und Berufungsbeklagter –
3. …
– Drittwiderbeklagte und Berufungsbeklagte –
gegen
1. …
– Beklagter, Widerkläger und Berufungskläger –
2. …
– Beklagter, am Berufungsverfahren nicht beteiligt –
wegen Schadensersatzes
erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2014 folgendes
Endurteil
I.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) vom 30.09.2013 wird das Endurteil des LG Passau vom 26.08.2013 (Az. 4 O 575/12) in Nr. 2 und 3 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Auf die Widerklage werden die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) verurteilt, samtverbindlich an den Beklagten zu 1) einen Betrag in Höhe von 7.644,83 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 638,- € jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.08.2012 zu bezahlen.
2.
Von den Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin 16% alleine, weitere 77% die Klägerin sowie die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) samtverbindlich und die Beklagten samtverbindlich weitere 7%.
Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Parteien wie folgt:
die der Klägerin die Beklagten samtverbindlich zu 7%,
die des Beklagten zu 1) die Klägerin alleine zu 16% und die Klägerin sowie die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) samtverbindlich zu weiteren 77%, die der Beklagten zu 2) die Klägerin zu 70%.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin sowie die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) samtverbindlich.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung sind Verbringungskosten bei Abrechnung des Schadens auf Basis fiktiver Reparaturkosten nicht erstattungsfähig und auch Ersatzteilpreisaufschläge nur dann ersatzfähig, wenn sie konkret angefallen sind (OLG Schleswig SP 2013, 194; OLG Hamm, Urt. v. 04.01.2001 – 27 U 115/00; LG Paderborn, Urt. v. 25.06.2013 – 20 O 95/13; LG Hannover, Urt. v. 25.03.2008 – 14 S 83/07; LG Limburg, Urt. v. 20.05.2011 – 3 S 20/11; LG Oldenburg, Beschl. v. 10.03.2008 – 9 S 720/07; AG Witten, Urt. v. 02.05.2013 – 2 C 12/13; AG Dinslaken, Urt. v. 21.07.2010 – 32 C 107/10; AG Hannover, Urt. v. 21.12.2010 – 401 C 13400/09; AG Lennestadt, Urt. v. 16.10.2012 – 3 C 233/12; AG Münster, Urt. v. 11.11.2009 – 8 C 3459/09 und AG Offenbach, Urt. v. 16.11.2010 – 38 C 184/10).
Hinsichtlich der Ersatzteilpreisaufschläge und Verbringungskosten ist Anknüpfungspunkt die Erforderlichkeit i. S. d. § 249 II 1 BGB. Ein Schadengutachten legt den zu beanspruchenden Schadensersatz für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs nicht bindend fest. Bei den Kosten für die Verbringung des Fahrzeugs zu einer Lackiererei handelt sich nicht um einen unmittelbaren Schaden an der Fahrzeugsubstanz, sondern nur um einen mittelbaren Begleitschaden, der in dieser oder einer anderen Höhe anlässlich der Reparatur in einer bestimmten Werkstatt möglicherweise anfallen kann. Andererseits ist für das, was zur Schadensbeseitigung nach der letztgenannten Vorschrift erforderlich ist, ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Die Festlegung des für die Reparatur erforderlichen Geldbetrages kann dabei im Wege einer fiktiven Abrechnung sachgerecht auf der Grundlage des Gutachtens eines anerkannten Kfz-Sachverständigen erfolgen. Hierbei muss der Sachverständige eine Prognose darüber erstellen, welche Kosten bei einer Reparatur in einer Fachwerkstatt anfallen. Auch hinsichtlich der UPE-Aufschläge handelt es sich um unselbständige Rechnungspositionen im Rahmen der Reparaturkostenermittlung, deren Beurteilung durch den Sachverständigen nicht anders zu behandeln ist als seine hinsichtlich der Arbeitszeit oder des benötigten Materials erfolgte Einschätzung (OLG Hamm NZV 2013, 247).
b) Maßgeblich ist nach Auffassung des Senats, ob im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten (darauf hat der Geschädigte vorliegend im Hinblick auf die Erstzulassung am 12.07.2011 Anspruch) typischerweise Verbringungskosten und UPE-Aufschläge erhoben werden (vgl. auch OLG Düsseldorf DAR 2008, 523; KG KGR 2008, 610; Senat, Urt. v. 27.05.2010 – 10 U 3379/09 [juris, dort Rz. 25]).
Nach dem ergänzenden Sachverständigengutachten verlangen sämtliche markengebundenen Fachwerkstätten (darauf hat der Geschädigte vorliegend im Hinblick auf die Erstzulassung am 12.07.2011 Anspruch) im Wohnumfeld des Beklagten zu 1) sowohl Ersatzteilpreisaufschläge in Höhe von mindestens 10% als auch – mangels eigener Lackiererei – Verbringungskosten für die Fahrt zum Lackieren, so dass es sich insoweit auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung um erforderliche Kosten i. S. d. § 249 II 1 BGB handelt.
Das Urteil ist zwar begrüßenswert, ärgerlich aber, wenn trotz Nennung dieses Urteils die Amtsrichter selbst am Amtgericht München sogar nach Gehörsrüge es nicht einmal für nötig erachten, ein Sachverständigengutachten einzuholen mit der Argumentation, der Gutachter könne ja niemals alle Werkstätten befragen (soviele markengebundene Fachwerkstätten gibt es im Raum München nun auch nicht). Und leider ist immer noch nicht geklärt, ob mit „typischerweise“ mehr als 50 %, nahezu alle oder zwangsläufig alle Werkstätten gemeint ist. Bei manchen Gerichten reichen „mehr als die Hälfte“, andere weisen darauf hin, es gäbe die eine oder andere Werkstatt, die Verbringungskosten nicht berechnen und diese dann als nicht „zwangsläufig“ zurückweisen. Es wäre mal eine genaue Definition von „typischerweise“ begrüßenswert.
@RAin Schiffelholz
Wenn man wissen will, was in München läuft, dann muss man bei google nur die beiden folgenden Aktenzeichen eingeben:
OLG München Az.: 10 U 3878/13 vom 28.02.2014
AG München Az.: 331 C 34366/13 vom 04.04.2014
Einerseits alles verseucht mit Lobgesängen auf das grottenfalsche „Bagatellurteil“ des AG München einschl. Fehlinterpretation sowie tatkräftiger Unterstützung der Pressestelle und andererseits Schweigen im Walde für das völlig korrekte (und wegweisende) Münchner OLG-Urteil zur fiktiven Abrechnung – das übrigens schon länger „draußen“ ist als der „Sondermüll“ vom Amtsgericht. Die einzige Plattform, die das komplette AG-Pamphlet veröffentlicht hat und sich kritisch mit den Inhalten dieses Fehlurteils auseinandersetzt, ist zur Zeit Captain HUK. Der Rest plappert einfach nach, schreibt alles ungeprüft ab oder bedient sich aus der offiziellen Presseinformation, bei der die wesentlichen Elemente der Fehlerhaftigkeit einfach unterschlagen wurden. Warum wohl?
Man beachte auch bei den (wenigen) Veröffentlichungen im Internet zum OLG-Urteil: In der Regel kein Hinweis auf die fiktive Abrechnung, sondern nur zur Haftungsteilung.
Wenn das keine typischen Beispiele sind für Medienmanipulation, was dann?
Mia san mia (am Amtsgericht). So war’s schon immer (beim königlich bayrischen Amtsgericht) und daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern?
@Karle….der Aloisius werd halt no immer im Bräustüberl hocken….
@Buschtrommler
Genau. Vielleicht hockt der aber inzwischen nicht mehr alleine da herum.
Fuileichd hogga doa no a boar AG-Rüchder oam Disch bis’s Doag werd? Noa Moas un noa Moas…
Damit erklärt sich dann auch das eine oder andere „königlich bayerische Urteil“.
Halleluja, Luja, Luja sog i …