AG Hagen spricht Geschädigtem die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten zu, weil Sondervereinbarungen mit der von der Beklagten benannten Referenzwerkstatt bestehen (19 C 477/09 vom 11.01.2010).

AG Hagen verurteilt die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung der restlichen gekürzten Stundenverrechnungssärtze einer markengebundenen Fachwerkstatt auch bei Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis mit Urteil vom 11.01.2010 ( 19 C 477/09 )

Urteilstenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 848,15 Euro (i.W. achthundertachtundvierzig 15/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18,04.2009 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte … in Höhe von 446,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt als Eigentümerin des Pkw VW-Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am …2009 auf der Wehringhauser Straße in Hagen, Höhe … ereignete.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte der Klägerin den unfallbedingten Sachschaden in voller Höhe zu ersetzen hat. Die Parteien streiten letztlich noch um die Höhe der Reparaturkosten für das beim Unfall beschädigte Fahrzeug der Klägerin.

Gestützt auf ein eingeholtes vorgerichtliches Gutachten der … vom 07. April 2009, wegen dessen Inhalt auf Blatt 8-23 der Akten verwiesen wird, macht die Klägerin Reparaturkosten in Höhe von 3.754,22 Euro netto, 4.467,52 Euro brutto, geltend. Hierauf hat die Beklagte an die Klägerin vorgerichtlich 3.542,61 Euro geleistet. Der Differenzbetrag von 848,15 Euro macht die Klageforderung aus.

Die Klägerin behauptet, die notwendigen Reparaturkosten beliefen sich auf 3.754,22 Euro netto. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf das eingeholte vorbezeichnete Gutachten der …

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt den Standpunkt, über die bereits geleisteten 3.542,61 Euro hinaus könne die Klägerin keine Reparaturkosten beanspruchen, sie habe der Klägerin hier die Möglichkeit einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt nachgewiesen. Zu dieser Werkstatt bestehe eine Sondervereinbarung zwischen der Beklagten und der Werkstatt dergestalt, dass die in dem von Beklagtenseite zugrunde gelegten Preise für Werkstattkunden gelten, denen die Beklagte schadensersatzverpflichtet sei. Diese Preise würden von der markengebundenen Fachwerkstatt zugunsten des Werkstattkunden berechnet, wenn er auf die Einstandspflicht der beklagten Versicherung hinweise. Der gesonderten Mitwirkung der Beklagten bedürfe es hierzu nicht. Auf diese kostengünstige Reparaturmöglichkeit müsse sich die Klägerin hier verweisen lassen. Diese günstigere Reparaturmöglichkeit habe sie der Klägerin unter Bezugnahme auf den Prüfbericht … vom 21. April2009 bei der VW-Markenwerkstatt … nachgewiesen. Diese Firma würde einen kostenlosen Hohl- und Bringservice bieten. Der Karosserielohn werde dort mit 72,00 Euro und der Lacklohn nur mit 90,00 Euro berechnet im Falle, dass die Beklagte eintrittspfiichtig war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den zwischen den Parteien gewechselten Inhalt der Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Beklagte haftet der Klägerin hier auf restlichen Schadensersatz in Höhe von 848,15 Euro aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 03.April 2009. Ihre volle Haftung auf Ersatz des unfallbedingten Sachschadens hat die Beklagte hier nicht in Abrede gestellt. Der Höhe nach kann die Klägerin von der Beklagten gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen. Dieser beläuft sich hier ausweislich des eingeholten vorgerichtlichen Gutachtens der … am 07. April 2009 auf insgesamt 3.754,22 Euro netto, einschließlich Mehrwertsteuer auf 4.467,52 Euro brutto. Unter Berücksichtigung der hierauf bereits vorgerichtlich erhaltenen Zahlung kann die Klägerin von der Beklagten noch 848,15 Euro verlangen.

Bei der Ermittlung der erforderlichen Reparaturkosten geht das vorbezeichnete Gutachten vom 07. April 2009 von Werkstattkosten einer markengebundenen Werkstatt aus. Die Kosten einer Markenwerkstatt sind hier ersatzfähig im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGS. Das wird, soweit erkennbar, von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Auf die von der Beklagten aufgezeichneten Abrechnungsmodalität der … in Hagen muss sich die Klägerin hier nicht verweisen lassen. Die von der Beklagten vorgetragenen Abrechnungsmodalitäten mit dieser Werkstatt werden nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ausschließlich den von der Beklagten als Haftpflichtversicherer vermittelten Kunden gewährt und entsprechen mithin in keiner Weise den sogenannten „Markenwerkstattkosten.“  Auf eine bestimmte Markenwerkstatt, die wie hier mit der Haftpflichtversicherung Sonderkonditionen, die nicht den allgemeinen Marktpreisen entsprechen, vereinbart hat, muss sich die nicht verweisen lassen.

Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten rechtfertigen sich aus Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs, 1 ZPO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

So das überzeugende Urteil des AG Hagen zu den Stundenverrechnungssätzen auch bei fiktiver Schadensabrechnung. Für die beklagte Versicherung war dieses Urteil ein sog. Eigentor. Sie selbst hat vorgetragen, dass Sondervereinbarungen mit der Werkstatt bestehen, mit hin die Unzumutbarkeitsvoraussetzungen des BGH selbst vorgetragen. Das musste nur mal so auch gesagt werden.

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4 Antworten zu AG Hagen spricht Geschädigtem die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten zu, weil Sondervereinbarungen mit der von der Beklagten benannten Referenzwerkstatt bestehen (19 C 477/09 vom 11.01.2010).

  1. Friedhelm S. sagt:

    Hi Willi,
    Selbsttor kann ich nur sagen. Nur mal so muss man tatsächlich die Frage stellen, ob die Versicherer sich das VW-Urteil überhaupt verinnerlicht haben. Sonderkonditionen sind out. Wenn der Versicherer dann schriftsätzlich auf diese Sonderkonditionen hinweist, muss man nur mal so an der Erkenntnisfähigkeit des Sachbearbeiters und / oder des Versicherungsanwaltes mehr als zweifeln. Die Gleichwertigkeit muss der Schädiger beweisen. Einfach Referenzwerkstatt benennen und Prüfbericht von CE oder DEKRA oder, oder beifügen war gestern. Heute sind Stundensätze der Partnerwerkstätten Vergangenheit. Nur bei echter nachgewiesener Gleichwertigkeit, die der Schädiger und oder der Versicherer zu beweisen hat, und zwar auch bereits vorgerichtlich! hat der Schädiger die Möglichkeit, den Geschädigten auf günstigere Werkstattpreise der freien oder der von dem Haftpflichtversicherer benannten Partner- (Partner der Versicherung)Werkstatt zu verweisen. Wenn die Versicherung bereits im Vorfeld auf eine Partnerwerkstatt verweist, hat sie schon mit dieser die Stundenverrechnungssätze abgesprochen. Diese sind dann keine marktüblichen Preise mehr. Damit ist die Verweisung schon unzumutbar. Na nur mal so, was für ein Pech aber auch! Ich habe noch im Ohr, dass der Verweis auf Partnerwerkstätten kein Problem sei. Die Rechtsprechung sieht das ganz anders.
    Noch einen schönen Abend.

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Friedhelm,
    sag´ ich doch. Die Auswirkungen des VW-Urteils des BGH gehen weiter als man sich das früher vorgestellt hat. Mit den Sonderkonditionen hat der VI. Zivilsenat praktisch die Verweisungen auf Partner- oder Referenzwerkstätten, das letztere klingt unverfänglicher, unmöglich gemacht. Wie will der Versicherer jetzt noch günstigere Stundenverrechnungssätze benenen, wenn er nicht vorher die Stundensätze schon kennt. Diese so ermittelten Stundensätze reichen dann allerdings noch nicht aus, sondern die Qualität der Reparatur in der Partnerwerkstatt muss mit der Reparatur in der Markenfachwerkstatt gleichwertig sein. Das hat unstreitig der Schädiger und der hinter ihm stehende Haftpflichtversicherer darzulegen und sogar vorgerichtlich auch zu beweisen. Nur so kann der Geschädigte überprüfen, ob die behauptete Gleichwertigkeit auch tatsächlich vorliegt, und zwar bereits vorgerichtlich. Nicht erst im Rechtsstreit, sondern bereits vorgerichtlich sind von dem Schädiger die Beweise vorzulegen. DEKRA-Zertifikat alleine reicht dabei als Beweis nicht aus. Es sind schon Nachweise über die gleichwertige Austattung der Partnerwerkstatt zur Markenfachwerkstatt vorzulegen, ebenso Befähigungsnachweise sämtlicher Werkstattmonteure mit den Markenfachwerkstattmitarbeitern. Wann und wie haben die Werkstattmitarbeiter ihre Markenqualifikationen erworben? Beweise sind noch und noch durch die Schädigerseite zu erbringen, um die behauptete Gleichwertigkeit zu beweisen. Hinsichtlich der Beweise sind strenge Maßstäbe anzulegen. Eigentlich ist daher die Verweisung auf Partnerwerkstätten nicht mehr effektiv, da nicht mehr durchsetzbar. Das VW-Urteil mit seinen über das Porsche-Urteil hinausgehenden Konsequenzen ist mittlerweile in jedem Amtsgericht angekommen. Die hier bekanntgegebenen Instanzurteile zeigen dies eindrucksvoll. Nach meiner Kenntnis wird sogar das eine oder andere Urteil auch mit Anmerkungen in juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht, so dass auch dadurch eine breitere Öffentlichkeit Kenntnis auch von den Instanzurteilen erhält.
    Eigentlich erübrigen sich damit auch die Prüfberichte mit Nennung von Partnerwerkstätten. Wie kann CE oder DEKRA bereits die Preise der Partnerwerkstätten kennen, wenn diese nicht vorher ausgehandelt worden sind? Weiterhin erübrigt sich der weiter Aufbau des Partnerwerkstattnetzes. Partner ist jemand, der mit dem anderen verbunden ist, sei dies durch Eheversprechen ( -> Ehepartner ), sei dies durch Vertrag ( -> Lebenspartner), sei dies durch Sozietätsvertrag o.ä. ( -> Büropartner) sei es durch Dienstvertrag ( -> Partnerwerkstatt). Schon allein diese Partnerschaft erfolgt, damit beide Seiten Vorteile haben, nämlich der Versicherer günstigere Stundensätze und die werkstatt vermeintlich mehr Auslastung. Damit ist bereits eine Sonderverbindung mit Sonderkonditionen gegeben. Wie man dann die Sondervereinbarungen erfährt, zeigt eindrucksvoll das Urteil des AG Holzminden vom 23.März 2010, hier bereits veröffentlicht. Am einfachsten ist es dann noch, wenn der Versicherer die Sondervereinbarungen selbst vorträgt, wie im obigen Fall.
    Es zeigt sich damit, dass die Existenz der Prüfberichte und der Partnerwerkstätten mehr als bedroht ist. Die Versicherer sollten daher überlegen, in Zukunft auf Prüfberichte und Partnerwerkstätten zu verzichten, um zumindest wieder glaubwürdig zu werden.
    Gute Nacht Deutschland.

  3. Schepers sagt:

    Die Versicherungen haben das BGH-Urteil de facto ignoriert. Ich glaube nicht, daß sie jetzt ihre Strategie wegen eines Urteils des AG Hagen ändern…

  4. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Herr Schepers,
    sehe ich auch so. Der Nichtanwendungserlass überträgt sich auch auf Versicherungen als Nichtbeachtungsrichtlinie! Was kümmert uns die Rechtsprechung des BGH. Wir machen weiterhin Restwertbörsen im Internet, wir stellen weiterhin Schadensbilder ins Internet, wir benennen weiterhin Partnerwerkstätten mit Sondervereinbarungen. So etwa nach dem Motto, der BGH hätte sich die Urteile sparen können, wir machen sowieso so weiter. Das ist dann allerdings bedenklich, weil auch Versicherungen an Recht und Gesetz gebunden sind und irgendwann der „Knüppel aus dem Sack“ kommt. Viel fehlt meines Erachtens nicht mehr. Da hilft aber eins, immer den Verursacher, also den VN der Versicherung, verklagen, damit ihm vom Gericht die Klage zugestellt wird. Nur so erfährt er, in was für einer Versicherung er versichert ist. Bei dem für den Geschädigten positiven Urteil dann das Urteil auch dem VN übersenden, damit er auch von dem für ihn negativen Urteil Kenntnis erlangt und erkennt, was mit seinen Versicherungsprämien geschieht. Klingelt es?
    F-W Wortmann

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