Richter des AG Hamburg-Bergedorf verurteilt zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 6.1.2015 – 410d C 86/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

heute stellen wir Euch hier ein umfangreiches Urteil aus Hamburg-Bergedorf zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht vor. Da es um erforderliche Wiederherstellungskosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ging, war einzig und allein § 249 BGB entscheidend. Dass die Versicherungswirtschaft mit langatmigen Schriftsätzen, die teilweise 30 und mehr Seiten umfassen, versucht, den Geschädigten und auch das Gericht auf nicht entscheidungsrelevante Nebenschauplätze zu leiten, ist bekannt. Daher hat in diesem Fall der junge Richter der Zivilabteilung 410 d des AG Hamburg-Bergedorf viel zu viel Aufwand für eine klare Sache aufgewandt. Für meinen Geschmack wurden viel zu viel „Vergleichsmaßstäbe“ angelegt, derer es nicht bedurft hätte. Auch das Abdriften in die Angemssenheitsprüfung gefällt mir nicht. Was der Geschädigte für die Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes, und darauf kommt es an, für notwendig erachtet, ist aus seiner Ex-ante-Sicht zu prüfen. Eine im Nachhinein durchgeführte Prüfung durch das Gericht, praktisch eine Ex-post-Betrachtung, ist dabei nur bedingt zielführend. Selbst wenn auf Seiten des Sachverständigen im Rahen der Rechnungsstellung Fehler vorliegen würden, so können diese nicht dem Geschädigten angelastet werden, denn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Vielmehr dürfte der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers sein, wie der BGH dies bereits bei der Werkstatt entschieden hat (vgl. BGHZ 63, 182 ff.). Sollte daher der Schädiger der Auffassung sein, die Kosten des Sachverständigen seien überhöht, so ist er bei voller Ausgleichung der Schadensersatzansprüche, wozu er nach § 249 II BGB verpflichtet ist, gleichwohl nicht schutzlos, denn er hat den Vorteilsausgleich. Hierauf sollte viel häufiger hingewiesen werden. Aber lest selbst das Urteil aus Hamburg-Bergedorf vom 6.1.2015 und gebt anschließend bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Hamburg-Bergedorf
Az.: 410dC 86/13

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

erkennt das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf – Abteilung 410d – durch den Richter H. am 08.01.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 98,34 € nebst Zinsen hieraus
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basfezinssatz seit 11.05.2013 zu zahlen.
2.  Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen,
3.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 98,34 € festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt gemäß § 313a ZPO)

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg, Sie ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 398 BGB ein Anspruch auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 98,34 € zu Der Schadensersatzanspruch ist jedenfalls durch die Abtretung gemäß der Anlage K6 auf den Kläger übergegangen.

Die Haftung der Beklagten gegenüber der Zedentin, der … , zu 100 % aus dem
Verkehrsunfall vom 21 November 2012 ist dem Grunde nach unstreitig.

Die vom Kfäger geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 645,40 € netto sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.

Ein Geschädigter kann von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aulwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmögfiehkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Der Geschädigte darf sich bei der Beauftragung eines Kfe-Sachverständigen damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH Urteil vom 11 Februar 2014, Az.: VI ZR 225/13). Indes ist der vom Geschädigten aufzuwendende Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH Urteil vom 22. Juli 2014, Az.: VI ZR 357/13).

Gemessen an diesen Maßstäben hatte die Zedentin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 645,40 € netto, auf die die Beklagte bislang nur 547,06 € gezahlt hat (vgl. Anlage K3), so dass also noch ein Zahlungsanspruch von 98,34 € besteht. Die Sachverständigenkosten liegen nicht erkennbar erheblich über den üblichen Preisen. Das erkennende Gericht hält den HB V – Korridor der (zur Zeit des Unfalls aktuellen} BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 insoweit für eine geeignete Vergleichsgrundlage.

Unter Heranziehung dieses Korridors erweist sich die Rechnung vorn 28. November 2012 bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung nicht als erkennbar überhöht. So liegt zwar das Grundhonorar 88 € über dem maximalen Korridorwert bei einer Schadenshöhe bis 3.000 €. Jedoch liegen weitere Positionen, wie die Pauschale für Nebenkosten/Porto/Te!efon mit 10 €, die Kosten für ein Foto mit je 2 €, die Fahrtkosten mit 0,85 € pro km und die Schreibgebühren mit 1,50 € je Seite (weit) unter den Korridorwerten. Bereits in Anbetracht dessen, dass der HB V – Korridor für Schreibkosten je Seite Kosten bis zu 3,75 € Fotokosten bis zu 2,75 € je Foto und Fahrtkosten bis zu 1,08 € pro km vorsieht, kann nach Auffassung des erkennenden Gerichts eine erkennbare Überhöhung nicht angenommen werden. Denn die geringeren Nebenkosten gleichen (bei Vornahme einer Vergieichsrechnung) das über den Korridorwerten liegende Grundhonorar aus.

Im Übrigen vermögen die Einwendungen der Beklagten nicht zu verfangen. Der Vortrag, die Fotokosten seien überhöht, greift nicht durch. Die angesetzten Kosten für Fotos liegen – wie erwähnt – unter den Korridorwerten. Soweit moniert wird, dass einzelne Fotos nicht erforderlich waren, vermag die Beklagte damit ebenfalls nicht durchzudringen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, wenn aus Beweissicherungsgründen auch Fotos gefertigt werden, die lediglich den Kilometerstand und die Fahrgestellnummer dokumentieren. Auch dass die Bilder 17 und 18 sowie 7 und 8 fast identisch sein mögen, ändert nach Auffassung des erkennenden Gerichts im vorliegenden Fall an deren Erforderlichkeit nichts, da diese die beschädigten Stellen jedenfalls aus verschiedenen Blickwinkeln abbilden. Auch die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen (Bilder 1-4) erscheinen zum Zwecke der Beweissicherung jedenfalls nicht beanstandungsbedürftig. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger treuwidrig Fotos gefertigt und abgerechnet hat, die schlechterdings nutzlos oder unbrauchbar sind. Die Anzahl der Fotos ist ebenfalls nicht zu beanstanden, auch wenn sich herausgestellt hat, dass ein Totalschaden vorliegt. Ferner können nach Auffassung des erkennenden Gerichts Schreibkosten gesondert als Nebenkosten berechnet werden. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts können diese Kosten auch neben dem Grundhonorar verlangt werden. So weist auch die BVSK-Honorarbefragung eis Nebenkosten gesondert Schreibkosten aus. Gegen den Ansatz einer Pauschale für Nebenkosten/Porto/Telefon bestehen keine Bedenken. Darauf, dass Portokosten nicht angefallen sein mögen, kommt es, da es sich um eine Pauschale handelt, nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht an. Soweit moniert wurde, dass die Fahrtkosten nicht nachvollziehbar seien, weil aus dem Gutachten nicht hervorginge, wo die Besichtigung stattgefunden habe, greift dieser Einwand jedenfalls nicht mehr, nachdem der Kläger daraufhin vorgetragen hat, er sei zur Besichtigung zum Unfalfort gefahren. Dieser Vortrag wurde auch nicht bestritten. Der Höhe nach bestehen gegen die Fahrtkosten keine Bedenken. Sie liegen sogar – wie erwähnt – unter den Werten des HB V- Korridors. Die EDV-Abrufgebühr kann ebenfalls gesondert verlangt werden. Der Kläger hat vorgetragen, dass diese Kosten für eine Datenbankrecherche anfallen. Auch die Kosten für die Restwertermittlung können angesetzt werden. Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass der Restwert über die Restwertbörse WiValue ermittelt wurde. Der Einwand, diese Kosten seien nicht nachgewiesen, ist demgegenüber nach Auffassung des erkennenden Gerichts zu pauschal.

Eine Anspruchskürzung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil die Nebenkosten etwa 30 % des Grundhonorars ausmachen. Es wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, dass die Zedentin von vornherein hätte erkennen können, dass der Kläger nach Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde. Allein weil die Nebenkosten etwa 30 % des Grondhonorars ausmachen, fallen sie nicht aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags (vgl. BGH, Urteil vom 11 Februar 2014, Az.: VI ZR 225/13, wo die Nebenforderungen – nach Berechnung des erkennenden Gerichts – einen weit höheren Prozentanteil im Verhältnis zum Grundhonorar ausgemacht haben).

Zuletzt ist eine Anspruchskurzung auch nicht deswegen vorzunehmen, weil die vorgenommene Reparaturkostenkalkulation nach Ansicht der Beklagten angesichts der Schäden ohnehin nicht erforderlich gewesen sein soll. Bereits für die Feststellung, ob ein Totalschaden eingetreten ist, ist eine Kalkulation der Reparaturkosfen erforderlich. Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch, wenn die Schäden einen Totalschaden bereits nahe legen. Denn für die konkrete Bestimmung, ist es erforderlich die Reparaturkosten zu beziffern.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

II. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Kolibri sagt:

    Da ist doch alles kleinkarierte Kackerei auf Raten. Und selbst wenn die Kosten sich nicht in dem hier angesprochenen Rahmen bewegen würden, muss doch nach der Erstattungsverpflichtung gefragt werden dürfen. Was sollen die ermüdenden und sich wiederholenden Entscheidungsgründe. Ist die Rechtslage tatsächlich so unklar, um sich ständig wiederholen zu müssen. Es reicht doch wohl hinlänglich, wenn die kürzenden Versicherer mehr auf Masse als auf Klasse setzen. Die Deutsche Richerschaft ist kompetent genug, dass nicht nachäffen zu müssen.

    Kolibri

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