Mit Urteil vom 10.04.2015 (920 C 347/14) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeug zur Zahlung von 116,23 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht liegt im Ergebnis richtig, hätte aber dieses Ergebnis ohne Probleme auch ohne Bezug zur BVSK-Honorarumfrage erzielen können. Erstritten von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Danach ist die Klage zulässig und überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.
Der Kläger hat Anspruch auf weitere Sachverständigenvergütung aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) in tenorierter Höhe aus §§ 823 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG.
Unstreitig hat der Beklagte als Halter/Fahrer des unfallgegnerischen Fahrzeugs vollen Umfangs für die Beschädigung des vom Sachverständigen begutachteten Fahrzeugs einzustehen (Schaden vom xx.xx.2014). Zum ersatzfähigen Schaden gehören auch die Kosten der Schadensfeststellung, die hier mit EUR 590,23 brutto in Rechnung gestellt wurden (Anlage K 4). Die Beklagte zahlte EUR 474,00. Der Differenzbetrag von EUR 116,23 ist Gegenstand der Klage.
Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadenshöhe sind grundsätzlich zu ersetzen, sofern der Geschädigte sie nach den Umständen des Falls für notwendig erachten durfte. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit sind die Grundsätze des § 254 Abs.2 BGB heranzuziehen, die den Geschädigten zur Schadensminderung anhalten.
Der Geschädigte war nicht verpflichtet, vor Beauftragung eines Sachverständigen Vergleichsangebote einzuholen. Eine Recherchepflicht bestand nicht (vgl. zuletzt BGH VI ZR 225/13 Urteil vom 11.2.2014). Insbesondere war er nicht gehalten, vor der Beauftragung Preisvergleiche einzuholen. Dies ist schon deshalb kaum möglich, weil sich üblicherweise das Sachverständigenhonorar nach der Höhe der kalkulierten Reparaturkosten richtet. Gerade über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten ist vor Begutachtung aber nichts Näheres bekannt. Erkenntnisse bringen hier erst die sachverständigen Feststellungen zum Reparaturumfang und die darauf aufbauende Reparaturkostenkalkulation. Der Anspruch des Geschädigten könnte allenfalls entfallen oder gemindert sein, wenn ihm ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Person des Sachverständigen zur Last gelegt werden könnte, wenn etwa bekannt wäre, dass der ausgewählte Sachverständige fortwährend überhöhte Gebühren in Rechnung stellt. Dies jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Erst wenn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann vollständiger Ausgleich der Aufwendungen nicht mehr verlangt werden. Dies wäre dann der Fall, wenn sich das Sachverständigenhonorar nicht mehr im Rahmen der ortsüblichen Vergütung bewegen würde und diese deutlich überschreitet. Unabhängig von der Frage, ob sich der Sachverständige, der aus abgetretenem Recht vorgeht, auf die mit dem Geschädigten getroffenen Vergütungsvereinbarung berufen.
kann, ist jedenfalls die übliche Vergütung als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand nach § 249 BGB geschuldet. Dies gilt gleichermaßen für den Geschädigten selbst wie auch für den Sachverständigen, der seinen Vergütungsanspruch aus abgetretenem Recht geltend macht. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Sachverständige aus rechtlichen Gesichtspunkten (Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte; Verletzung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses; Verletzung von Aufklärungspflichten) auf eine von der üblichen Vergütung nach unten abweichende Vergütung oder Pauschalbeträge verweisen lassen müsste.
Demnach schuldet die Beklagte die übliche Vergütung. Als übliche Vergütung kann nicht nur ein fester Satz oder gar ein fester Betrag herangezogen werden. Sind die Leistungen einem als einheitlich empfundenen Wirtschaftsbereich zuzuordnen, wie es etwa bei Leistungen aus den Gewerken der Handwerker oder – wie im vorliegenden Fall – bei Sachverständigen der Fall ist, kann sich eine Üblichkeit im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB auch über eine am Markt verbreitete Berechnungsregel ergeben. Darüber hinaus ist die übliche Vergütung regelmäßig nicht auf einen festen Betrag oder Satz festgelegt, sondern bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite (Staudinger/Peters, BGB, § 632 BGB Rdn. 38), neben die darüber hinaus aus der Betrachtung auszuscheidende und daher unerhebliche „Ausreißer“ treten können. Fehlen feste Sätze oder Beträge, kann es daher für die Annahme einer üblichen Vergütung ausreichen, dass für die Leistung innerhalb einer solchen Bandbreite liegende Sätze verlangt werden. In diesem Sinne bewegt sich nach Überzeugung des Gerichts das von der Klägerin verlangte Honorar im anzuerkennenden Rahmen.
Das vom Sachverständigen geltend gemachte Grundhonorar (EUR 354,00) sowie die geltend gemachten Nebenkostenliegen liegen im Bereich der Spannen nach welchen laut BVSK-Befragung 2013 zwischen 50 und 60 % der befragten Sachverständigen bei einem Nettoschaden (Wiederbeschaffungswert EUR 2.000,00) abrechnen. Das Grundhonorar findet sich im mittleren Bereich der Spanne von EUR 338,00 bis EUR 377,00. Dies gilt ebenfalls für die geltend gemachten Nebenkosten. Erstattungsfähig sind auch die Kosten für einen 2. Fotosatz und eine Gutachtenkopie. Diese sind für die eigene Schadensdokumentation der Geschädigten erforderlich. Ferner erstattungsfähig sind die für die Restwertanfrage in Ansatz gebrachten Kosten, da ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag und mithin die Ermittlung des Restwerts für die Schadenshöhe (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) erforderlich war.
Von einer Überschreitung bzw. deutlichen Überschreitung der ortsüblichen Vergütung ist deshalb nicht auszugehen. Damit kommt es auf die Frage eines erkennbaren deutlichen Missverhältnisses mangels Missverhältnis nicht an.
Die Zinsforderung ist aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs.1 BGB begründet. Verzugsbegründend war die Leistungsablehnung des Haftpflichtversicherers des Beklagten vom 4.8.2014, die dem Kläger offensichtlich am 8.8.2014 zugegangen ist (bei dem beantragten Zinsbeginn 8.8.2013 handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler).
Die Kosten der Halteranfrage in Höhe von EUR 5,10 sind als erforderliche Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.2, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-St. Georg.
Hi, Babelfisch,
es sollte sich doch inzwischen herumgesprochen haben, dass es eine „ortsübliche“ Vergütung nicht gibt und eine solche schadenersatzrechtlich auch nicht entscheidungserheblich ist für die Erstattungsverpflichtung entstandener Gutachterkosten.
Was nicht existiert, kann aber auch nicht Maßstab für eine Überschreitung sein. Einen solchen „Maßstab“ legt deshalb auch die hinter dem VN stehende Haftpflichtversicherung nicht an, denn die HUK-Coburg behauptet zunächst – und das noch nicht einmal ansatzweise konkret – eine NICHTERFORDERLICHKEIT für einen gekürzten Betrag x, den sie aber nicht aufgeschlüsselt darlegen will und auch nicht kann. Wundersamerweise wird dann im Prozessfall aus dieser angeblichen NICHTERFODERLICHKEIT eine überirdische HONORARÜBERHÖHUNG. Man merkt offenbar noch nicht einmal, dass die gewählten Begriffe keineswegs das Gleiche bedeuten.Mich stört ganz gewaltig der nachfolgende Satz in den Entscheidungsgründen:
„Der Anspruch des Geschädigten könnte allenfalls entfallen oder gemindert sein, wenn ihm ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Person des Sachverständigen zur Last gelegt werden könnte, wenn etwa bekannt wäre, dass der ausgewählte Sachverständige fortwährend überhöhte Gebühren in Rechnung stellt. Dies jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich.“
Dabei ist zwar der erste Halbsatz o.k., was aber danach kommt, ist mehr als aufklärungsbedürftig, denn jetzt ist da wieder die Rede von „Gebühren“, die es nicht gibt und im Falle der HUK-Coburg ist die Aktion „fortwährend“ doch Regulierungsalltag, was Kürzungen auch dieser Art betrifft. Dieser Überlegungsansatz ist deshalb schadenersatzrechtlich weder nachvollziehbar noch tragfähig. Auch „Ortsüblichkeit“ und Üblichkeit sind keineswegs in einen Topf zun werfen, denn auch die Üblichkeit ist nicht verifizierbar. Um das beurteilen zu können, sollte man aber die Definition und die zu erfüllenden Bedingungen lt. BGH kennen.
Das alles hat auch mit der Erforderlichkeit nichts zu tun und bedarf deshalb auch keines Vergleichs mit irgendwelchen Zahlenwerten einer Honorarerhebung, denn damit sind wir dann wieder bei der gewünschten Überprüfung und der Richteransicht hierzu und schon wieder- fast unbemerkt- bei werkvertraglichen Beurteilungskriterien. Da lachen sich die Versicherungen nur noch schief, dass sie das dann mal wieder erreicht haben, wie hier auch, denn ansonsten hätte § 632 Abs. 2 BGB nicht eingeblendet werden müssen, denn der betrifft den Werkvertrag. Vergleichend zieht deshalb der Richter des AG HH-St. Georg wieder ein Zahlenwerk auf den Spieltisch ohne zu berücksichtigen, dass schadenersatzrechtlich der BGH eine solche Überprüfung verboten hat. Da wird dann darüber entschieden, ob ein 2. Fotosatz erforderlich war und eine Gutachtenkopie oder Kosten für die Restwertanfrage usw.
Die übliche Vergütung ist geschuldet als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand ? Da steht aber im § 249 BGB doch etwas ganz anderes.- Sei wie es sei, man kennt nicht die Vorgeschichte, die zu diesem Urteil geführt hat und auch nicht die Qualität der Klagebegründung sowie die Begründung der Klageabweisung und ggf. den Inhalt einer Replik hierzu, was bedeutet, dass eben viele Einflussgrößen das Zustandekommen eines solchen Urteils (vielleicht)erklärlicher machen könnten.
Abgesehen davon ist in den Entscheidungsgründen nicht ansatzweise von der zu beachtenden ex ante Position des Geschädigten die Rede, die ja von der HUK-Coburg-Versicherung permanent mißachtet wird und ebenso ist nicht die Rede von der Erforderlichkeit der subjektbezogenen Schadenbetrachtung.
Und dann steht da noch zum guten Schluss:
„Von einer Überschreitung bzw. deutlichen Überschreitung der ortsüblichen Vergütung ist deshalb nicht auszugehen. Damit kommt es auf die Frage eines erkennbaren deutlichen Missverhältnisses mangels Missverhältnis nicht an.“ Ääääh?
De facto
Na, mein Kleiner, da rechnet doch wieder einer und schweift ab vom zu beachtenden Fundament des Schadenersatzes. Wenn das nicht weh tut.-
Ringo
“Von einer Überschreitung bzw. deutlichen Überschreitung der ortsüblichen Vergütung ist deshalb nicht auszugehen. Damit kommt es auf die Frage eines erkennbaren deutlichen Missverhältnisses mangels Missverhältnis nicht an.” Ääääh?
@De facto
Ist doch klar, wo kein Missverhältnis ist, kann auch keines erkannt werden! 🙂
Viele Grüße
Kai