Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend geben wir Euch hier ein Urteil aus Landstuhl zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die HUK-Coburg bekannt. Wieder war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die meinte, eigenmächtig den Schadensersatzanspruch des Geschädigten bezüglich der Schadensposition „Sachverständigenkosten“ kürzen zu können. Wieder einmal war der sich aus der rechtswidrigen Kürzung ergebende Rechtsstreit eine weitere Niederlage für die HUK-COBURG. Einen Wermutstropfen hat das Urteil. Leider hat sich das Gericht zum Schluss wieder in die „BVSK-Angemessenheit“ geflüchtet. Es kann hier nur noch einmal wiederholt werden: Nur bei der Überprüfung des Werkvertrages kommt es im Sinne der §§ 631, 632 BGB auf die Angemessenheit an. Beim Schadensersatz ist entscheidend die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Aktenzeichen:
2 C 10/15
Amtsgericht
Landstuhl
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG, vertreten durch d. Vorstand, Schanzenstr. 30, 51063 Köln
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch die Vorstände Wolfgang Flaßhoff und Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Landstuhl durch die Richterin am Amtsgericht R. am 25. März 2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 78,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. Januar 2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage führt auch in der Sache zum Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 27. November 2014 in Ramstein. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 115 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 249 ff BGB.
Die 100 %ige Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Abtretung ist wirksam.
Sachverständigenkosten sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH Versicherungsrecht 2005, 380).
Ob und in welchem Zustand Herstellungskosten, und damit auch Sachverständigenkosten, erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt ihm das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Weil es jedoch im Gegensatz etwa zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen, ohne dass dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtlich Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung mißachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich bezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze steht der Kläger ein Anspruch auf Ersatz der restlichen streitgegenständlichen Sachverständigenkosten zu.
Das an den Sachverständigen gezahlte Honorar hält sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen; es ist insbesondere nicht erkennbar willkürlich festgesetzt oder überhöht. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen sind nicht ersichtlich. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Mißverhältnis zur Höhe der festgestellten Reparaturkosten, da dem Geschädigten ein offenkundiges Mißverhältnis hätte auffallen müssen. Das Gericht orientiert sich bei der gem. § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Landgerichts Zweibrücken an der vom BVSK vorgenommenen Befragung zur Höhe des üblichen Sachverständigenhonorars und zwar dort an dem Honorarkorridor (HB V), innerhalb dessen je nach Schadenshöhe 50 bis 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen (vgl. LG Zweibrücken 3 S 95/10; 3 S 3/11 und 3 S 30/12).
Danach ist die hier geltend gemachte Schadensersatzhöhe angemessen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1; 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Sehr geehrte CH-Redaktion,
es sollte in einer Klagebegründung immer von vornherein klagestellt werden, dass es in schadenersatzrechtlicher Betrachung immer nur um die ERFORDERLICHKEIT geht und in diesem Zusammenhang auch nicht um eine ex post Beurteilung zur Höhe eines Sachverständigenhonorars mit Fragen zur Überhöhung, zur Angemessenheit, zur Erforderlichkeit, zur Üblickkeit oder zur Ortsüblichkeit. Solche Begriffe beziehen sich bekanntlich auf eine werkvertraglich ausgerichtete Erörterung, die im Schadenersatzprozeß themaverfehlend ist.
Entscheidungserheblich ist allerdings die subjektbezogene Schadensbetrachtung, die immer von den kürzenden Versicherungen aus verständlichen Gründen ignoriert wird, da ansonsten das Argumentationsgefüge wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen würde. Ignoriert wird gleichermaßen deshalb auch die zu beachtende ex ante Sichtweise des Unfallopfers. Nicht mehr und nicht weniger. Auf dieser Basis ist die Bezugnahme auf ein Honorartableau ebenso entbehrlich, wie eine Heranziehung des § 287 ZPO, zumal da nichts von Schätzen drinsteht, abgesehen davon, dass in der Regel eine Rechnung vorliegt, deren vollständige und korrekte Regulierung entweder mit dem Argument der Überhöhung oder aber mit dem Argument der Nichterforderlichkeit verweigert wurde, was nach § 249 BGB sowieso nicht möglich ist, wenn ein Auswahlverschulden und/oder ein Verstoß gegen die angebliche Schadenminderungspflicht nicht konkret dargelegt bzw. bewiesen wurde. Hat sich schon mal jemand gefragt, warum die Beklagtenseite dann glaubt, sich noch mit Schriftsätze zwischen 20-60 Seiten wenig umweltbewußt in Szene setzen zu müssen ? Selbst nach inzwischen mehr als 20 Jahren Kürzungshysterie haben die Verantwortungsträger bisher hierfür noch keine einleuchtende Begründung präsentiert.
Mit freundlichen Grüßen
D.M.
Hallo, D.M.,
wenn der besonders freigestellte Tatrichter unter Berufung auf die Schätzungsmöglichkeit ex post dem Unfallopfer die vollständige Regulierung der entstandenen Gutachterkosten versagt, diskreditiert er selbstverständlich auch die Person des Unfallopfers in seinen nach der Rechtssprechung erwarteten Eigenschaften ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch zu sein, was die Versicherer gleichermaßen bei massenhaften vorgenommenen Kürzungen so unterstellen. Sind es täglich 100 oder 1000 Fälle oder sogar deutlich mehr ? Eine solche ex post Betrachtung durch den „besonders freigestellten“ Tatrichter endet vielfach in einer vergleichenden Zahlenprüfung und SEINEM Gefühl, bezüglich einer bestehenden Regulierungsverpflichtung oder einem unterstellten Vorwurf, was einen Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht angeht. Eine solche Handhabung bzw. Vorgehensweise schließt ein, dass dies das Unfallopfer genau so gesehen haben müsste und das ist jedoch ein eklatanter Trugschluß. Bleibt man streng bei der BGH-Rechtsprechung, dem Schadenersatzgedanken und der subjektbezogenen Schadenbetrachtung mit der ex ante Postion und Sichtweise des Geschädigten als Unfallopfer, so verbietet sich jedwede Spekulation ex post mit der Behauptung der Nichterforderlichkeit, die anschließend in eine exorbitante Überhöhung umfunktioniert wird,um eine Überprüfungsnotwendigkeit zu suggerieren. Das haben aber inzwischen einige Gerichte schon gemerkt und stolpern nicht mehr in diese zweifelsohne geschickt ausgelegte Falle, die sich auf eine raffiniert ausgeklügelte Mogelpackung beschränkt.
Das Gleiche gilt für die partiell als „exorbitant“ behauptete Überhöhung von Nebenkostenpositionen und der frei erfundenen Behauptung diese oder jene Nebenkosten seien im Grundhonorar bereits enthalten sowie der unsinnigen Behauptung einer „Doppelberechnung“. Auch hier soll wieder unter werkvertraglichen Gesichtspunkten eine versicherungsseitig gewünschte Überprüfung in den Mittelpunkt treten. Sich von solchen Versuchen zu distanzieren ist in der Tat nicht leicht und erfordert auch zumindest etwas Denkarbeit und gesunden Menschenverstand mit Vorabklärung der Frage, wo vorab in Schriftsätzen mit dem Antrag auf Klageabweisung solche Fußangeln geschickt ausgelegt wurden. Wenn das zukünftig noch mehr Beachtung findet, führt sich die Argumentationsbandbreite der Versicherungen selbst ad absurdum.
Ich habe bis heute übrigens noch keinen unfallgeschädigten Richter oder eine unfallgeschädigte Richterin kennengelernt, der/die eine Sachverständigenrechnung begründet hätte in Zweifel ziehen wollen, was die Höhe und den Inhalt einer solchen Kostennote angeht. Auch diese Richterschaft wurde mit Honorarkürzungen, also Schadenersatzkürzungen, konfrontiert und damit abgestempelt, wie zuvor schon angesprochen. Muß man dazu noch mehr sagen ?
BORIS
Die Erforderlichkeit der Gutachterkosten ist „ex ante“ aus der Sicht des Unfallopfers zu beurteilen,vgl.BGH v.30.11.2004,VI ZR 365/03
Hat der Kläger das so vorgetragen?
Die Ersetzungsbefugnis des §249 II,1 BGB macht es notwendig:
–dem Unfallopfer die freie Wahl der Werkstatt und des SV zu überlassen.
–damit Kosten auszulösen,die ihm bei Beauftragung unbekannt,aber gleichwohl zu ersetzen sind.
Warum?
–weil das Unfallopfer-anders als z.B. bei der Anmietung eines Mietwagens- überhaupt nicht die Möglichkeit hat,diese Kosten der Reparatur oder der Begutachtung in der Höhe zu beeinflussen.
Regulierungsverkürzungen bei diesen Schadenspositionen stellen einen illegalen Angriff auf die Ersetzungsbefugnis dar,weil dadurch die gesetzliche Erlaubnis,Werkstatt und SV selbst auszusuchen,unterlaufen wird.
Kürzungen sollen das Unfallopfer dahingehend disziplinieren,künftig die Partnerwerkstatt des Versicherers zu beauftragen und die Auswahl des SV dem gegnerischen Versicherer zu überlassen,also in beiden Bereichen nur noch niedrigste Kosten zum Vorteil des regulierungspflichtigen Schadensersatzschuldners auszulösen.
Übertragen wir das gedanklich einmal auf die Finanzverwaltung,dann wäre in etwa dieselbe Situation gegeben,wenn das Finanzamt die Kosten des eigenen Steuerberaters nicht mehr als Betriebsausgaben anerkennen würde mit der Begründung,dass die Steuererklärung kostengünstiger auch vom Finanzamt selbst erstellt werden könnte.
Klingelingelingelts,Herr Richter?
@Glöckchen
Danke für die sehr wertvollen Hinweise. Wir werden Euer Engament im Kampf um die Unabhängigkeit deshalb gern weiter unterstützen.
Mit besten Grüßen
aus einer der dunklen Ecken
LAS CORUJAS