Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier veröffentlichen wir jetzt ein positives Urteil aus Seligenstadt zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Leider hatte uns der Einsender nicht die auf Beklagtenseite stehende eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung bekannt gegeben. Zum Urteil selbst ist zu sagen, dass es sehr umfangreich begründet worden ist auf der Grundlage der bisherigen BGH-Entscheidungen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Seligenstadt Verkündet am: 20.03.2015
Aktenzeichen: 1 C 990/14 (3)
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagte
hat das Amtsgericht Seligenstadt durch den Richter am Amtsgericht B. im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis 10.03.2015 Berücksichtigung fanden, für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 202,13 Euro zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seitdem 22.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 70,20 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.03.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf unter 300.- Euro festgesetzt.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten in Höhe der Klageforderung gemäß §§7, 18 StVG, 249, 823 Abs. 1, 398 BGB, 115 VVG zu aus abgetretenem Recht zu.
Die alleinige Einstandspflicht der Beklagten für die der Zedentin durch den Unfall vom 27.05.2011 entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
Die Abtretungen der Zedentin sind wirksam. Diese sind jeweils bestimmt bzw. bestimmbar und lassen klar erkennen, aus welchem Unfallereignis und in welcher Höhe die Geschädigte ihren Schadenersatzanspruch an den Kläger abgetreten hat; insbesondere wurde klar bestimmt, dass es sich um die Kosten des Sachverständigenhonorars („Gutachterkosten“) handeln sollte. Die Abtretung wurde von der Beklagten nach Vorlage der Abtretungsurkunde (Anlage K 2) bereits nicht substanziiert bestritten. Zudem wäre dies nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium unerheblich, nachdem die Beklagte bereits erhebliche Zahlungen an den Zessionar (und damit nach Kenntnisnahme der Abtretungserklärung) auf die streitgegenständliche Rechnung erbracht hat.
Die Klage ist auch der Höhe nach vollumfänglich begründet, ohne dass eine Beweisaufnahme zu erfolgen hatte:
Hierbei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen darf und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen darf. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte hierbei die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich nach § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. In diesem Fall würde der Geschädigte nämlich nicht selten Verzicht üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten, sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte deshalb damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13 mit weiteren Nachweisen).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit in diesem Sinne bildet hierbei die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt. Wissenstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgeblich Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderiichkeit des aufgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen zwischen Geschädigtem und Sachverständigen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, aaO).
Soweit das Gericht in ständiger Rechtsprechung und im Einklang mit der Rechtsprechung der Berufungskammer des Landgerichtes Darmstadt im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Sachverständigenkosten bislang allein auf Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes kürzte, so wird diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Revisionsentscheidung des BGH ausdrücklich aufgegeben. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung klargestellt, dass nur in den Fällen, in weichen der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen, wofür vom Schädiger konkrete Umstände darzustellen und zu beweisen sind (vgl. BGH, aaO).
Anhaltspunkte hierfür sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass die geschädigte Zedentin zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dieser (nach der Behauptung der Beklagten) überhöhte Grund- bzw. Nebenkosten ansetzen würde, welche gerade nicht als „erforderlich“ in obigem Sinne anzusehen wären. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war die geschädigte Zedentin gegenüber der Beklagten jedenfalls nicht verpflichtet (und ihr musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage von Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein). Damit fallen im Ergebnis die geltend gemachten Kosten nicht von vorneherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrages nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies gilt umso mehr, als das streitgegenständliche Honorar insgesamt innerhalb des Honorarkorridors der BVSK Honorarbefragung 2013 liegt.
Diese Erwägungen gelten nicht nur für das Grundhonorar, sondern auch für die geltend gemachten Nebenkosten des Sachverständen. Nachdem die zuständige Berufungskammer des Landgerichts Darmstadt dies zuletzt mit Urteil vom 30.01.2015 (Az. 6 S 131 /14) nochmals ausdrücklich klargestellt hat, war dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht stattzugeben. In der zitierten Entscheidung hat die zuständige Berufungskammer auch die Nebenkosten des Sachverständigen explizit ohne Abschläge zugesprochen, da diese nicht von vorneherein aus dem Rahmen des für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen und hat dies unter anderem damit begründet, dass diese (wie unstreitig hier auch) sich innerhalb der in der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 ausgewiesenen Preisspannen bewegen und damit als üblich anzusehen sind.
Ebenso wenig sind konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich bzw. von der Beklagten konkret vorgebracht, dass die geschädigte Zedentin gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen hat, indem sie bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlich und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.
Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.