Hallo verehrte Catain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier ein positives Urteil aus Hamburg-Barmbek zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG. Eine prima Entscheidung mit völlig korrekter Begründung, wie wir meinen. Mit dieser Argumentation kann dem widerrechtlichen Kürzen der berechtigten Schadensersatzansprüche durch die HUK-COBURG und anderer Versicherer geschickt gekontert werden. Das von der beklagten HUK-COBURG in den Prozessstoff eingebrachte Honorartableau der HUK-COBURG ist ohnehin kein Maßstab für die Bestimmung des erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 249 II BGB. Dass die HUK-COBURG immer wieder auf diese im Schadensersatzrecht unbeachtliche Liste abstellt, ist mehr als verwunderlich, da die gesamte herrschende Rechtsprechung diese Liste als Schätzgrundlage ablehnt. Lest selbst das Urteil des AG Hamburg-Barmbek vom 29.4.2015 und gebt anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-Barmbek
Az.: 818 C 236/14
Verkündet am 29.04.2015
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy und Jörn Sandig, Nagelsweg 41-45, 20090 Hamburg
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Barmbek – Abteilung 818 – durch den Richter am Amtsgericht Dr. S. am 29.04.2015 auf Grund des Sachstands vom 29.04.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 118,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.08.2014 sowie weitere 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.09.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 118,03 € nebst Zinsen in tenorierter Höhe sowie Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in tenorierter Höhe.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des noch ausstehenden Sachverständigenhonorars in Höhe von 118,03 € gemäß §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 VVG, § 398 BGB.
Die ursprüngliche Forderung in Höhe von 592,03 € wurde seitens der Beklagten in Höhe von 474,- € beglichen. Der zu zahlende Restbetrag beträgt 118,03 €.
Die volle Honorarforderung der Klägerin ist nach § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB zu ersetzen.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Dem Kläger wurde der streitgegenständliche Anspruch am 07.07.2014 von dem Geschädigten … aus dem Verkehrsunfall vom 06.07.2014 gemäß § 393 BGB abgetreten (Anlage K1).
Dieser Anspruch stand dem Geschädigten in vollem Umfang gegen den Beklagten zu.
Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Beklagte dem Grunde nach vollumfänglich für den Schaden aus diesem Unfall haftet.
Auch der Höhe nach ist der Anspruch begründet. Der Geschädigte kann vom Schädiger (bzw. über § 115 VVG von dessen Versicherung) nach § 249 Absatz 2 BGB im Fall der Sachbeschädigung statt Naturalrestitution Geldersatz verlangen. Zu ersetzen ist das Integritätsinteresse, d.h. der Geldbetrag, der zur Herstellung desjenigen Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigenden Ereignis bestünde (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Rn: 5). Kosten derSchadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Rn: 58 m.w.N.). Dies umfasst Sachverständigenkosten, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007, VI ZR 67/06, juris). Erforderlich sind Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 -, juris; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris). Dies ist Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots. § 254 Absatz 2 BGB ist entsprechend heranzuziehen (Grüneberg, Palandt, BGB, 73. Aufl., § 249, Rn: 12). Die Erforderlichkeit des Herstellungsaufwands bemisst sich mit Rücksicht auf die Situation des Geschädigten, insbesondere auf individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für den Geschädigten bestehenden Schwierigkeiten. Mithin findet eine subjektbezogene Schadensbetrachtung statt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 17/11 – juris; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – juris). Es ist daher entscheidend, ob die Abrechnung des Sachverständigen auffällig willkürlich oder erkennbar überhöht ist oder in einem außergewöhnlichen Missverhältnis von Preis und Gegenleistung steht. Dann bildet sie nicht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – juris; Grüneberg, Palandt, 73. Aufl., § 249, Rn: 58). Dabei ist der Geschädigte nicht zur Markterforschung nach einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen verpflichtet, sondern darf einen für ihn in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen (BGH, Urteil v. 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist der hier geforderte Schadensbetrag zu ersetzen. Der Geschädigte, der Zedent des Schadensersatzanspruchs, und die Klägerin, die Zessionarin, haben am 07.07.2014 einen Vertrag über die Erstellung eines KFZ-Sachverständigengutachtens geschlossen. Ein solcher Gutachtenauftrag ist ein Werkvertrag (§ 631 ff BGB/ Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Einf § 631, Rn:24).
Die geltend gemachte Vergütung wurde zwischen den Parteien vereinbart. Vertragsbestandteil ist eine Tabelle geworden, in der für die ermittelte Schadenshöhe das jeweilige Grundhonorar festgelegt ist. Des Weiteren enthält die Tabelle Auskunft über die anfallenden Nebenkosten. Dabei ist jeweils der Höchstwert ausgewiesen (K2).
Vorliegend überschreitet das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten die Werte des von der Beklagten für die Beurteilung der Angemessenheit zugrunde gelegten „Honorartableaus 2012 HUK-Coburg“ (Anlage B1, Bl. 41 d.A.) lediglich um 20 %. Danach liegt nach Ansicht des Gerichts jedenfalls keine Überschreitung vor, die es gebietet, die als Schadensersatz geltend gemachten Sachverständigenkosten als „nicht erforderlich“ im schadensersatzrechtlichen Sinne anzusehen, zumal Besonderheiten, die eine überdurchschnittliche Kenntnis des Geschädigten von der üblichen Honorarhöhe nahe legen, weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind. Dabei kann es dahin stehen, ob die Nebenkosten bzw. einzelne Nebenkosten für sich betrachtet als erkennbar überhöht angesehen werden könnten. Darauf kommt es nämlich nicht an. Entscheidend ist allein, ob das zu zahlende Gesamthonorar erkennbar überhöht war. Denn weder unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Kosten, noch unter dem der Schadensminderungspflicht, kann dem Geschädigten vorgeworfen werden, er habe einen Sachverständigen beauftragt, dessen Nebenkosten überhöht sind, solange sich das Gesamthonorar als nicht überhöht darstellt. Andernfalls käme es angesichts unterschiedlicher Abrechnungsmodalitäten in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer erkennbaren Überhöhung der üblichen Vergütung kommt (vgl. auch Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, AZ: 323 S 7/14).
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Anspruch an den Sachverständigen selber abgetreten worden ist. Auch insoweit kommt es im Rahmen der subjektiven Schadensbetraclv tung allein auf den Horizont des Geschädigten als des Zedenten an, nicht auf den des Sachverständigen als Zessionar Dies folgt ohne weiteres aus dem Wesen der Abtretung, nach dem sich durch die Abtretung der Inhalt des abgetretenen Anspruches nicht verändert. Für eine Abweichung von diesem Grundsatz gibt es weder gesetzliche, noch dogmatische Ansatzpunkte.
Auch eine Einrede nach § 242 BGB (dolo agit) i.V. mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter muss sich die Klägerin auch nicht entgegen halten lassen. Es ist schon nicht ersichtlich, welche Schadensersatzansprüche dem Geschädigten insoweit gegenüber dem Sachverständigen zustehen könnten. Dabei kann dahinstehen, ob den Sachverständigen hier eine Aufklärungspflicht dahingehend trat, dass sein „Honorar ggf. über den üblichen Abrechnungssätzen liegt und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet wird“. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass durch eine Verletzung einer solchen etwaigen Pflicht dem Zessionar hier ein Schaden entstanden wäre, denn – wie oben ausgeführt – sind im vorliegenden Fall die beim Kläger entstandenen Kosten in vollem Umfang durch die Beklagte zu erstatten.
Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus.
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich im Verzug mit der Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars. Die 1,3-Gebühr ist die übliche Geschäftsgebühr, die vorliegend nicht zu beanstanden ist. Die Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 70,20 Euro waren erforderlich und angemessen. Die Beklagte schuldet der Klägerin Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.