Hallo verehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,
nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Rosenheim zu den Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfall. Der Geschädigte klagt gegen die HUK-COBURG als die regulierungspflichtige Kfz-Hqaftpflichtversicherung. Zuerst hat sich der Richter noch in die richtige Richtung bewegt, ist dann aber doch in die BVSK-Angemessenheit abgedriftet. Eine werkvertragliche Angemessenheistprüfung bei einer Schdensersatzklage durch den Geschädigten geht gar nicht. Auch die Schadensschätzung nach § 287 ZPO geht völlig daneben, denn bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO handelt es sich um eine Schadens h ö h e n schätzung. Der Gesamtbetrag des Schadens kann der H ö h e nach vom besonders freigestellten Richter geschätzt werden, nicht jedoch einzelne Schadenspositonen. Diesen Fehler hatte auch schon die Berufungskammer des LG Saarbrücken begangen. Da gegen das Urteil des LG Saarbrücken Revision eingelegt ist, wird der VI. Zivilsenat des BGH Gelegenheit haben, auch zu dieser Frage zu entscheiden. Wenn aber einzelne Positionen nicht einer Schätzung unterworfen sind, dann entfällt auch eine Bemessung nach den Grundsätzen des JVEG. Auch dazu wird der BGH revisionsrechtlich zu entscheiden haben. Schon allein wegen der Prüfung der Einzelpositionen in den Nebenkosten unter werkvetraglichen Gesichtspunkten, die im Schadensersatzrecht nicht angewandt werden können (vgl. BGH NJW 2007, 1450), erscheint diese richterliche Leistung mit mangelhaft zu bewerten zu sein. Insoweit liegt eine Themaverfehlung vor. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 12 C 71/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUG-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschland a.G., vertreten durch d. Vorstand, Martin-Greif-Straße 1, 80222 München
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch den Richter am Amtsgericht E. am 29.04.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Sachverständigen … zu dessen Gutachten- und Rechnungsnummer … , betreffend die Rechnung vom 19.11.2014, 200,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 06.12.2014 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 220,83 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gem. § 313 a Abs. 1 ZPO)
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Parteien streiten über restliche Sachverständigenkosten aus Verkehrsunfallgeschehen vom 07.11.2014, wobei die Einstandspflicht der Beklagten zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Parteien streiten über die Angemessenheit der in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten.
Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des objektiv erforderlichen Geldbetrages und nicht etwa auf Ausgleich bezahlter Rechnungsbeträge, wobei sie jedoch regelmäßig durch Vorlage der von ihr beglichenen Rechnung ihrer Darlegungslast genügt und die Beklagtenseite einzelne Schadensbeträge konkret zu bestreiten hat, vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 3151.
Dabei ist weiters festzustellen, dass die Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Marktforschung verpflichtet ist. Auch muss der aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch sein, wenn die Preise oder Beträge auch für den Geschädigten selbst erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist zunächst festzustellen, dass gerade mangels Marktforschung für einen Geschädigten eine Erkennbarkeit bzw. Evidenz der Überhöhung regelmäßig nicht gegeben ist bzw. für die Beklagtenseite, die für diesen Einwand beweisbelastet ist, regelmäßig nicht nachweisbar ist.
Nicht zuletzt kann das Gericht einzelne Beträge nach § 287 ZPO schätzen, wobei auch die BVSK-Tabelle als taugliche Schätzgrundlage herangezogen werden kann, vgl. insoweit LG Frankfurt vom 13.05.2011, Az.: 201 S 313/10 und LG Regensburg vom 16.11.2010, Az.: 2 S 110/10.
Im Umkehrschluss ist allein aufgrund der Überhöhung im Vergleich zur BVSK-Honorarbefragung eine Kürzung nicht veranlasst, vgl. insoweit BGH, NJW 2014, 1947.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht eine, wie auch von der Beklagtenseite nicht beanstandete Pauschale von 561,- € für die Gutachtenserstellung festgesetzt.
Gegen eine grundsätzliche Berechnung von weiteren Nebenkosten erhebt das Gericht keine Einwände, vgl. BGH, NJW Spezial 2014, 169. Dem Sachverständigen steht es frei, seine Preiskalkulation nach Haupt- und Nebenkosten offen zu legen oder in Gänze ein Pauschalhonorar oder Zeithonorar zu vereinbaren.
Auch im Zeithonorar werden die allgemeinen Kosten des Sachverständigen eingepreist. Abweichungen sind hier ohne weiteres möglich, sodass ein pauschal berechnetes Honorar nicht zwingend den tatsächlichen Aufwand des Sachverständigen widerspiegelt, was jedoch zu seinen Gunsten oder Lasten gehen kann (wie dies auch bei anderen Gebührentabellen, z. B. für Rechtsanwälte und Ärzte der Fall sein kann). Zuzugeben ist der Beklagtenseite, dass die Nebenkosten etwa ein Drittel der gesamten Gutachterrechnung ausmachen und sich daher der Verdacht einer Überhöhung ergeben könnte.
Allein aus dem Umstand, dass jedoch vorliegend abgerechnete Nebenkosten über den Höchstsätzen der BVSK liegen könnten oder über anderen Sätzen, welche die Beklagtenseite als vermeintlich üblich anführt, rechtfertigt die Annahme eines Verstoßes des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht alleine noch nicht, vgl. BGH, NJW 2014, 1947, Rn 11. Nachdem die Klägerin ohnehin nicht zu einer Markforschung verpflichtet ist, ergibt sich auch bei einer geringfügigen Überschreitung der BVSK-Höchstsätze noch keine Evidenz.
Damit ergibt sich für die abgerechneten Nebenkosten im Ergebnis Folgendes:
Der Sachverständige hat 25 Seiten Gutachten abgerechnet, wobei sich 11 Seiten auf das geschriebene Gutachten beziehen, weiter 8 Seiten auf Fotos, von denen je 2 pro Seite vorhanden sind und weitere 8 Seite eines Audatex-Ausdruckes.
Damit ergibt sich, dass lediglich 11 Seiten tatsächliches Gutachten vorhanden sind, die der Sachverständige entsprechend berechnen kann. Die weiteren 8 Seiten sind mit den Kosten für den ersten und zweiten Fotosatz ohne weiteres abgegolten. Die Kosten für den Audatex-Ausdruck sind in den EDV-Kosten DAT und Kombi-Plus mit abgegolten, da ähnlich wie beim Fotosatz nicht nur das Anfertigen des Fotosatzes und das Benutzen des Computerprogramms, sondern auch bei Fotosatz und beim Audatex-Ausdruck die Ausfertigung des Ergebnisses mit abgerechnet wird. Diese Positionen können jedoch die Seitenzahl nicht erhöhen.
Die Seitenzahl ist jedoch für die Geschädigte und die Klägerin ohne weiteres überprüfbar. Hierbei braucht es keinerlei Vergleichsmaßstäbe, sodass eine evidente Überhöhung der veranschlagten Seitenzahl vorliegend zu verzeichnen ist.
Im Übrigen sind die Einzelpositionen nicht evident überhöht.
Für den erste Fotosatz rechnet der Sachverständige 2.50 € ab und befindet sich damit innerhalb des Korridors HB III und HB IV der Honorarbefragung 2013. Gleiches gilt für den zweiten Fotosatz mit 1,50 €.
Hinsichtlich der Fahrtkosten mit 1,15 € pro Kilometer befindet sich der Sachverständige 1 Cent unterhalb des HB-Ill-Korridors und 4 Cent oberhalb des HB-IV-Korridors, sodass eine Überhöhung schon nicht ohne weiters festgestellt werden kann, erst recht keine Evidenz für die Klageseite.
Gleiche gilt für die Schreibkosten, die im HB-Ill- und HB-IV-Korridor mit 2,86 €, und 2,81 € noch überhalb der vom Sachverständigen abgerechneten 2,80 € liegen. Die Schreibkosten für die Kopie betragen beim Sachverständigen 1,40 € und liegen damit ebenfalls unterhalb des HB-Ill-Korridors mit 1,43 €und genau an der Grenze des HB-IV-Korridors mit 1,40 €.
Auch die Pauschale für Telefon und Porto mit 17,50 € liegt innerhalb der Werte mit 18,17 € und 17,79 €. Im Übrigen beträgt beispielsweise die Unkostenpauschale bei Verkehrsunfällen in der Regel 25,00 €. Die Unkostenpauschale für Anwälte nach dem RVG 20,- €. Insoweit kann auch eine Überhöhung mit anderen Gebührenordnungen nicht festgestellt werden. Nachdem die Klägerin selbst eine solche Unkostenpauschale geltend mache kann, ist die Geltendmachung einer solchen Pauschale sachverständigenseits mit 17,50 € für die Klägerin nicht ohne weiters erkennbar überhöht.
Nachdem die Absenkung der RVG-Pauschale aufgrund beklagtenseits bestehender Flatrates nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird, kann auch vorliegend die Senkung der Pauschale nicht berücksichtigt werden, jedenfalls ergibt sich hieraus keine Evidenz für die Klägerin.
Im Übrigen wurde der Einsatz von EDV-Kosten auch nicht bestritten, sodass der Höhe nach auch die Verwendung dieser Computerprogramme und die Durchsetzung von Lizenzgebühren und Ähnlichem verlangt werden kann, jedenfalls ergibt sich erneut hieraus keine evidente Erhöhung für die Beklagtenseite.
Insgesamt konnten daher weitere 200,16 € brutto berücksichtigt werden.
Der weitergehende Klagebetrag war aufgrund der oben Ausführungen zurückzuweisen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 713, 3 ff. ZPO.
@ Willi Wacker,
selbstredend ist in der schadenersatzrechtlichen Betrachtung auch hier einiges schief gelaufen. jedoch ist als positiv herauszustellen:
„Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist zunächst festzustellen, dass gerade mangels Marktforschung für einen Geschädigten eine Erkennbarkeit bzw. Evidenz der Überhöhung regelmäßig nicht gegeben ist bzw. für die Beklagtenseite, die für diesen Einwand beweisbelastet ist, regelmäßig nicht nachweisbar ist.“
Also nix mit der nach wie vor behaupteten Beweislastumkehr. Ich gehe davon aus, dass dies wider besseren Wissens ein vorsätzlich falscher Prozeßvortrag ist. Angesichts der Tatsache, dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist, ist die unsubstantiierte Behauptung einer Nichterfortderlichkeit bzw. einer Überhöhung schadenersatzrechtlich sowieso als unerheblich zu bewerten.
Herzliche Grüße aus Karlsbad
HUK-Überläufer
Dieser Richter am AG Rosenheim hat dem Sachverständigen ersichtlich nichst Böses gewollt, nur hat er sich teilweise und leichtgläubig dazu verführen lassen, das Schadenersatzrecht durch werkvertragliche Gesichtpunkte aufzuweichen.
In diesem Zusammenhang bestanden auch keine Erfordernisse auf die nicht transparente Honorarerhebung eines Berufsverbandes Bezug zu nehmen, die sowieso ein Geschädigter nicht verstehen kann und auch nicht kennen muss.
Richtig ist allerdings nachfolgende Passage der Entscheidungsgründe:
„Allein aus dem Umstand, dass jedoch vorliegend abgerechnete Nebenkosten über den Höchstsätzen der BVSK liegen könnten oder über anderen Sätzen, welche die Beklagtenseite als vermeintlich üblich anführt, rechtfertigt die Annahme eines Verstoßes des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht alleine noch nicht, vgl. BGH, NJW 2014, 1947, Rn 11. Nachdem die Klägerin ohnehin nicht zu einer Markforschung verpflichtet ist, ergibt sich auch bei einer geringfügigen Überschreitung der BVSK-Höchstsätze noch keine Evidenz.“
Die Quantifizierung der Überschreitung war allerdings entbehrlich.
Fabian
Hallo HUK-Überläufer,
der Name sagt schon alles.
Offenbar teilt dir immer wieder die HUK-COBURG mit, dass der Geschädigte für die Erforderlichkeit der Höhe der Aufwendungen zur Schadensbeseitigung darlegungs- und beweisbelstet ist. Das gelte auch für die Sachverständigenkosten.
Dabei vergisst die HUK-COBURG, dass die vorgelegte Rechnung der Darlegungslast des Geschädigten genügt (vgl. BGH VI ZR 225/13 Rd-Nr. 8). Mit diesem Grundsatz ist es revisionsrechtlich zu beanstanden, wenn der freie Tatrichter im Rahmen der Schadenshöhenschätzung die Kosten auf ein Mass nach der BVSK-Erhebung kürzt. Zum ersten muss der Geschädigte BVSK und deren Honorarbfragung nicht kennen und zum Zweiten kommt es auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen an. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm beauftragte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise d e u t l i c h übersteigt , gebietet der Wirtschaftlichkeitsgrudsatz einen günstigeren zur Verfügung stehenden Sachverständigen zu beauftragen (BGH VI ZR 225/13 Rd.-Nr. 9 unter Verweis auf BGH VI ZR 528/12). Wobei der letzte Satz so recht nicht zu verstehen ist, da der BGH bereits entschieden hatte, dass der Geschädigte zu einer Marktforschung nach dem kostengünstigsten Sachverständigen nicht verplichtet ist (vgl. BGH VI ZR 67/06; BGH VI ZR 225/13 Rd-Nr. 7).
Also ist festzuhalten, dass die vorgelegte Rechnung ein Indiz für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 II BGB ist. Will der Schädiger oder dessen Versicherer dem Geschädten den Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht vorwerfen, muss der Schädiger darlegen und beweisen, dass der Geschädigte die deutliche Überhöhung der Kosten hätte erkennen müssen. Dieser Beweis ist praktisch für den Schädiger unmöglich zu führen.
Aber trotz der BGH-Rechtsprechung verbleibt dem Schädiger der Weg des Vorteilsausgleichs. Nur diesen Weg geht der Schädiger ungern, da er darlegungs- und beweisbelastet ist für seine Behauptung. Nur, es ist einfacher einen Anspruch nicht zu erfüllen, als die Berechtiggung einer Kürzung darzulegen und zu beweisen!
Drauf ist abzuzielen!
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker