Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
als Wochenendlektüre für Euch veröffentlichen wir hier ein Berufungsurteil aus Neuruppin zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die DA Versicherung vom 25.3.2015. Zwar kommt die Berufungskammer im Ergebnis zu der richtigen Entscheidung, nämlich die Berufung der DA-Versicherung zurückzuweisen, aber manche Hinweise erscheinen unzutreffend. Das gilt insbesondere auf das Urteil des OLG Dresden vom 19.2.2014 und das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.2014. Letzteres Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Urteil des OLG Dresden ist durch das später veröffentlichte Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) hinfällig geworden. Auch der Hinweis auf bezahlte oder nicht bezahlte Rechnung des Sachverständigen ist überflüssig ebenso wie der Hinweis auf die dolo agit-Einrede. Obwohl der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – entschieden hat, dass der Geschädigte die Honorarumfrage des BVSK nicht kennen muss (vgl. BGH aaO, Rd-Nr. 10), wird immer noch auf Seiten des klagenden Sachverständigen auf diese Honorarumfrage hingewiesen. Für mich ist derartiger Vortrag unverständlich und nicht zielführend. Lest selbst das Berufungsurteil des LG Neuruppin und gebt anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und einen schönen Sonnabend.
Willi Wacker
4 S 176/14 Verkündet am 25.03.2015
10 C 86/14 Amtsgericht Prenzlau
Landgericht Neuruppin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Berufungsverfahren
DA direkt Deutsche Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den, Vorstandsvorsitzenden Joachim Abel, Oberstedter Straße 14, 61440 Oberursel
– Beklagte und Berufungsklägerin –
gegen
…
Kläger und Berufungsbeklagter
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2015 durch den Präsidenten des Landgerichts S. , die Richterin am Landgericht l. C. und den Richter am Landgericht L. für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Prenzlau vom 17. Juli 2014 – Az. 10 C 86/14 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht des Geschädigten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 21. November 2013 in Anspruch, bei dem der Pkw des Geschädigten durch ein bei der Beklagten versichertes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.
Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs, eine Vereinbarung über die Höhe der geschuldeten Vergütung trafen die Parteien nicht. Der Kläger ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.531,81 € brutto sowie einen Wiederbeschaffungswert von 3.234 € inklusive 2,5 % Mehrwertsteuer. Für seine Tätigkeit stellte er dem Geschädigten insgesamt 778,74 € brutto in Rechnung. Davon entfallen 470 € netto auf das Grundhonorar und insgesamt 184 € netto auf einzeln ausgewiesene Positionen wie Fotos, Fahrtkosten, Schreibkosten und Versand/Telefon/EDV. Die Beklagte zahlte hierauf vorprozessual jedoch nur 671,16 €. Die Zahlung des Differenzbetrags von 107,58 € verfolgt der Kläger in diesem Rechtsstreit.
Der Kläger meint, dass die Kürzung durch die Beklagte unzutreffend sei. Sie könne ihm gemäß § 404 BGB nur die Einwendungen entgegenhalten, die sie auch dem Geschädigten entgegenhalten könne. Solche Einwendungen seien nicht ersichtlich, insbesondere sei dem Geschädigten kein Auswahlverschulden vorzuwerfen.
Im Hinblick auf die übliche Höhe der Grundgebühr sei die Honorarbefragung des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (nachfolgend BVSK) aus dem Jahre 2013 ein geeigneter Prüfungsmaßstab. Danach habe der Kläger nur eine leicht erhöhte Grundgebühr angesetzt. Die geltend gemachten Nebenkosten seien ebenfalls innerhalb des nach der Honorarbefragung üblichen Rahmens abgerechnet worden.
Die Beklagte meint, dass die gestellte Rechnung weit überhöht sei und keinen realen Leistungsbezug zum erbrachten Gutachten aufweise. Das pauschal geforderte Honorar stehe in keinem Verhältnis zu dem geringen Zeitaufwand, den ein derartiges Gutachten nach sich ziehe. Zudem seien Nebenkosten nicht zusätzlich zu einem pauschalen Honorar erstattungsfähig. Auch dürfe die Erforderlichkeit und Üblichkeit der Sachverständigenkosten insbesondere nicht anhand der Tabelle des BVSK überprüft werden, da es sich um einen selbstgeschaffenen Berechnungsmaßstab handele.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Der Geschädigte sei berechtigt, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger überhöht abrechne. Erst recht sei nichts dafür ersichtlich, dass dem Geschädigten bei der Auswahl des Sachverständigen ein Auswahlverschulden zukomme. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der geltend gemachte Anspruch besteht dem Grunde nach gemäß §§ 398 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG. Der Höhe nach besteht der Anspruch in vollem Umfang, so dass das Amtsgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 107,58 € nebst Zinsen verurteilt hat.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem beschädigten PKW beauftragen und von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Ersatz der erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte daher damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast im Hinblick auf die Schadenshöhe dabei regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen. Denn der sich hieraus ergebende Betrag bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, sofern dieser nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Dies beruht darauf, dass sich in der Rechnung sowohl die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles als auch die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen. Daher reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947).
Diese Grundsätze finden auch in einem durch den Sachverständigen nach Abtretung selbst geführten Rechtsstreit Anwendung (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, NJW 2014, 3151). Allerdings muss im vorliegenden Sachverhalt berücksichtigt werden, dass der Geschädigte die Rechnung gerade noch nicht beglichen hat. Das schwächt die Indizwirkung der Rechnung ab (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – NJW 2014, 3151 Tz. 16, 19). Diese abgeschwächte Indizwirkung führt gleichwohl nicht dazu, dass die Kammer die Rechnung des Klägers ihrer Schätzung nach § 287 ZPO nicht zu Grunde legen kann. Der Kläger hat hierzu im Einzelnen vorgetragen und detailliert dargelegt, dass er sein Grundhonorar unter Anwendung der Honorarumfrage des BVSK ermittelt hat. Hieraufhat die Beklagte über einfaches Bestreiten hinaus nichts dazu vorgetragen, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund das Honorar vom üblichen Honorar abweicht und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang etwa regionale Besonderheiten bei der Abrechnung bestehen. Vielmehr hat sie sich darauf beschränkt, die Geeignetheit der BVSK-Honorartabelle zur Honorarermittlung zu bestreiten. Sie hat auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die im Grundsatz zulässige pauschale Abrechnung (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450) vorliegend zu einer die übliche Vergütung übersteigenden Höhe führt. Deshalb sind erst recht keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Geschädigte im Rahmen der erforderlichen subjektbezogenen Schadensbetrachtung von einer überhöhten Vergütung ausgehen musste.
Nicht anderes gilt im Hinblick auf die abgerechneten Nebenkosten. Der Sachverständige ist grundsätzlich berechtigt, neben einem in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientierten Grundhonorar für die Erstellung eines Schadensgutachtens, Nebenkosten abzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 04. April 2006 – X ZR 80/05 -, NJW-RR 2007, 56; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08. Mai 2014 – 4 U 61/13 -, juris). Insoweit verbietet sich eine schematische Betrachtung etwa im Wege von prozentualen Kappungsgrenzen oder Höchstbeträgen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 – NJW 2014, 3151). Auch hierbei hat sich die Beklagte trotz detaillierten Vortrags des Klägers zur Ermittlung seiner Nebenkosten jedoch auf einfaches Bestreiten beschränkt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, ob und in welchem Umfang die Nebenkosten von den üblicherweise abgerechneten Nebenkosten abweichen und erkennbar überhöht sind.
Da schon keine hinreichenden Anhaltspukte für eine überhöhte Vergütung vorgetragen sind, konnte die Kammer offenlassen, ob sich der Kläger andernfalls durch die Verletzung einer Aufklärungspflicht im Verhältnis zum Geschädigten schadensersatzpflichtig gemacht hätte (vgl. hierzu im Hinblick auf die Abrechnung von Mietwagenkosten etwa: BGH, Versäumnisurteil vom 10. Januar 2007 – XII ZR 72/04 -, NJW 2007, 1447) und ihm dies im Wege der dolo agit Einrede von der Beklagten entgegengehalten werden könnte (dies andeutend: OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 U 111/12 -, juris). Ebenso konnte die Kammer offenlassen, ob bei hinreichendem Vortrag zu überhöhten Nebenkosten eine Schätzung auf der Grundlage des JVEG in Betracht kommt (so LG Saarbrücken, Urteil vom 19. Dezember 2014 – 13 S 41/13 -, juris).
3. Aus den dargestellten Gründen hat die Berufung insgesamt keinen Erfolg. Sie war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
4. Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der vorliegende Sachverhalt erfordert lediglich die Anwendung bereits geklärter Rechtsgrundsätze im Einzelfall.
Streitwert: 107,58 €
Die DAdirekt-Vers. frönt wohl immer noch einem Voodoo-Zauber, sollte sich aber mal hinsichtlich der eigenen irrwitzitzigen Argumentation folgendes hinter die Ohren schreiben:
Der Aufwand für die beweissichernde Tatsachenfeststellung in einem „Schadengutachten“ kann sich bei Unterstellung einer bestimmten Schadenhöhe x äußerst unterschiedlich gestalten mit bisher ohne wesentlichen Einfluss auf das Grundhonorar, jedoch mit erheblichen Einfluss auf den Nebenkostenbereich. Deshalb sind Nebenkosten von der Schadenhöhe auch unabhängig (nicht jedoch im HUK-Coburg-Tabeau 2012 !!!). Die Behauptung, dass dieses oder jenes mit dem Grundhonorar abgedeckt sei, verdeutlicht also nicht mehr als Unkenntnis und den Versuch das Gericht irreführend zu manipulieren.
Holger H.
Hallo, Holger, Du hast es präzise auf den Punkt gebracht. Genau so widersprüchlich ist die Behauptung einer „Doppelverrechnung“, weil alles schon im Grundhonorar enthalten sein müßte. Sowas Krankhaftes kann sich nur jemand ausdenken, der unter Stoff steht. Betrachtet man die Höhe der Kürzungen im Einzelfall, so wird schnell deutlich, dass das mit der angeblichen „Doppelverrechnung“ nicht schlüssig in Übereinstimmung zu bringen ist. Noch Fragen ?
U.W.
„Auch dürfe die Erforderlichkeit und Üblichkeit der Sachverständigenkosten insbesondere nicht anhand der Tabelle des BVSK überprüft werden, da es sich um einen selbstgeschaffenen Berechnungsmaßstab handele.“
Einverstanden, weil das vergleichsweise in weitaus noch eindeutigerer Art und Weise auch zutrifft auf das HUK-Coburg Tableau 2012.
Wolfszahn
Hi, Wolfszahn,
wäre anzufügen: Ist jedoch bzw. auch deshalb schadenertsatzrechtlich unerheblich, wie die Vorstellung,etwas überprüfen und schätzen zu müssen, denn in dem Augenblick schwenkt ein Gerich ab auf werkvertraglich möglicherweise entscheidungshebliche Gesichtspunkte und da klopfen sich dann wieder die Versicherungsanwälte auf die Schenkel, dass das mal wieder gelungen ist. Es hat aber auch schon Richterinnen und Richter gegeben, die einleitend unmißverständlich zum Ausdruck gebracht haben, das der Einwand der Nichterforderlichkeit bzw. Überhöhung (in Relation wozu eigentlich ?) unerheblich und verfehlt ist vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist. Kein Auswahlverschulden, kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, keine Auseinandersetzung zu Einzelpositionen von Sachverständigenkosten und nur noch strikte Beachtung Beachtung und richtige Auslegung von § 249 BGB und – das aber auch ggf. ausführlich – Herausstellung der Bedeutung der Situation ex ante des Unfallopfers, denn genau das wird von allen honorarkürzenden Versicherungen strikt ignoriert, wie mit der Kürzungspraxis ebenfalls deutliche Mißachtung des Grundgesetzes sowie wettbewerbsrechtlicher und strafrechtlicher Implikationen.
Kampfjetpilot