AG St. Ingbert verweigert der übergeordneten Berufungskammer 13 S (sog. Freymann-Kammer) des LG Saarbrücken die Gefolgschaft und verurteilt die HUK-COBURG und deren VN als Gesamtschuldner zur Zahlung des Betrages, den die HUK-COBURG vorgerichtlich rechtswidrig gekürzt hatte, mit Urteil vom 27.4.2015 – 9 C 504/14 (10) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier und heute veröffentlichen wir für Euch noch ein Urteil aus St. Ingbert im Saarland zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-Coburg und deren Versicherungsnehmer. In diesem dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte die HUK-COBURG, deren volle Haftung unstreitig war, es nicht für nötig erachtet, auch vollen Schadensersatz nach § 249 BGB zu leisten. Aber mit dieser rechtswidrigen Masche ist die HUK-COBURG nicht durchgekommen. Zu Recht hat das angerufene Amtsgericht in St. Ingbert diese beratungsresistente Versicherung und ihren VN als Gesamtschuldner zur Zahlung des Betrages verurteilt, den die HUK-COBURG vorgerichtlich rechtwidrig gekürzt hatte. Beachtenwert ist, dass das erkennende Gericht der Rechtsprechung der Berufungskammer 13 S des Landgerichts Saarbrücken aus dem (nicht rechtskräftigen) Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – nicht folgt. Damit erleidet die „Freymann-Kammer“ beim LG Saarbrücken  erneut eine Schlappe und die nachgeordneten Amtsgerichte verweigern die Gefolgschaft. Zu Recht, wie wir meinen. Denn entgegen der Auffassung des LG Saarbrücken ist das JVEG nicht anwendbar. Auch dem Geschädigten als Laie ist ein JVEG unbekannt. Da es auf die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen ankommt, ist eine nachträgliche Preiskontrolle, wie sie das LG Saarbrücken in dem nicht rechtskräftigen Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – vornimmt, ohnehin untersagt (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -). Insoweit ist festzuhalten, dass das angefochtene Urteil des LG Saarbrücken (aaO.) bereits gegen die Rechtsprechung des BGH verstößt. Der zuständige VI. Zivilsenat des BGH wird in dem anhängigen Revisionsverfahren diese Frage auch zu entscheiden haben. Das merken mittlerweile auch die Amtsgerichte im Saarland und folgen daher nicht mehr der Rechtsprechung der „Freymann-Kammer“. Die Rechtsprechung zugunsten der HUK-COBURG bröckelt im Saarland. Lest selbst das Urteil des AG St. Ingbert und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht St. Ingbert

9 C 504/14 (10)                                                                            Verkündet am 27.04.2015

U r t e i l

I m   N a m e n   d e s   V o l k e s

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

1. …

2. HUK Coburg, vertr. d.d. Vorstand, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66111 Saarbrücken

Beklagte

hat das Amtsgericht St. Ingbert durch den Richter am Amtsgericht G. im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 22.04.2015 am 27.04.2015

für Recht erkannt:

1.   Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 369,61 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.06.2014 zu zahlen.

2.   Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreites als Gesamtschuldner.

3.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Beklagten sind unstreitig verpflichtet, dem Kläger als Gesamtschuldner nach einem Verkehrsunfall dessen erforderliche Sachverständigerikosten zu erstatten.

Streit besteht darüber, wie viel die Beklagten zahlen müssen.

Der geschädigte Kläger hat unter Beifügung der Honorarrechnung des Sachverständigen … die sich (ohne die Mehrwertsteuer) aus 8 Positionen zusammensetzt und insgesamt eine Forderung von 969,61 Euro ergibt, diesen Gesamtbetrag zur Zahlung angefordert.

Die Beklagte hat, ohne sich mit den einzelnen Positionen zu beschäftigen, mit Schreiben vom 12.06.2014 (Bl. 270 d. A.) 630,- Euro ohne Verrechnungsvorbehalt, ohne Rückzahlungsvorbehalt und ohne Tilgungsbestimmungsvorbehalt geleistet.

Der Kläger hat an den Sachverständigen nicht etwa einen nach dessen Darstellung übliche Vergütung gezahlt, sondern eine vereinbarte Vergütung unter Einbeziehung der Kostenliste des Sachverständigen (Bl. 21 – 22 d. A.).

Das Gericht hatte mit Hinweisbeschluss vom 17.02.2015 darauf hingewiesen, dass bei sogenannten Punktesachen das Gericht bei einer derart verkürzten Darstellung wie der Beklagtendarstellung nicht nachvollziehen könne, auf welche Teilforderungen Leistungen erbracht worden sind bzw. nicht.

Die Beklagte zu 1.) hat durch Rechtsanwalt … mit Schriftsatz vom 11.03.2015 ausführen lassen, ihr liege ein ausführliches Abrechnungsschreiben der Haftpflichtversicherung nicht vor.

Am Tag zuvor wurde der nunmehrigen Beklagten zu 2.) die Klageerweiterung zugestellt; auch für diese hat sich Herr RA. … bestellt.

Detailliertes Abrechnungsschreiben wurde auch dann, als Herr … beide Parteien vertrat, nicht nachgereicht.

Der Kläger wiederum hat darauf aufmerksam gemacht, dass nach wie vor durch die Beklagte nicht erklärt sei, auf welche Einzelpositionen sie habe verrechnen wollen.

Im Übrigen müssten die Beklagten nach ihrem eigenen Tableau die Gutachterkosten mit 655,- Euro und nicht nur 600,- Euro regulieren.

Welche Sachverständigenkosten im Einzelfall zum erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, hat das erkennende Gericht gem. § 287 ZPO zu bestimmen.

Ein gewichtiges Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages bildet der Aufwand, den der Geschädigte in Übereinstimmung mit der Rechnung und der im vorliegenden Falle zugrunde liegenden Preisvereinbarung mit dem Sachverständigen erbracht hat.

Nur dann, wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen, sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.

Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 06.02.2015 (13 S 185/14) zuletzt nochmals bestätigt.

Im vorliegenden Falle ist nicht ansatzweise erkennbar geworden, dass eine Preisabweichung erstens erheblich wäre und zweitens von dem Geschädigten hätte erkannt werden müssen. Zuzugeben ist den Beklagten lediglich, dass, wäre die Vergütung nicht vereinbart, bei der Bestimmung der üblichen Vergütung geringere Fotokosten, geringere Kilometerkosten und geringere Schreibkosten nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts (Urteil vom 19.12.2014, Az.: 13 S 41/13) zu berücksichtigen wären, weil das Berufungsgericht Kostensätze des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes im Rahmen der Überprüfung der Erforderlichkeit von tatsächlich entstandenen Nebenkosten privater Sachverständiger als Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO heranzieht, mit Ausnahme bei der Beurteilung der Fahrtkosten.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass ihm Rahmen einer Plausibilitätskontrolle Nebenkosten eines Kfz-Sachverständigen jedenfalls dann nicht mehr für erforderlich gehalten werden dürfen, wenn die hierfür vorgesehene Vergütung nach der Regelung des JVEG um mehr als 20 % überschritten wird.

Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Berufungsgerichts – ohne, dass es für diesen Fall darauf ankäme – nicht.

Das Berufungsgericht bricht nämlich mit allen Grundsätzen, die bei der Bestimmung einer üblichen Vergütung berücksichtigt werden müssen.

Die übliche Vergütung ist nämlich diejenige, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegen.

Maßgebend sind also die beteiligten Kreise und ihre Auffassung, also nicht die Auffassung der einen Partei oder der anderen Partei, sondern im Idealfall die sich deckenden Auffassungen der beteiligten Kreise.

Decken sich die Vergütungserwartungen von Sachverständigen nicht mit den Kostenerwartungen der Auftraggeber, besteht das eigentliche Problem.

In diesen Fällen muss der Werkunternehmer dem Laien klarmachen, weshalb er zum Beispiel für Kilometergeld oder Fotokosten wesentliche höhere Beträge verlangt, als der Vertragspartner zahlen müsste, wenn er vergleichbare Positionen, beispielsweise bei der Fahrzeugmiete oder bei der Herstellung von Fotokopien, selber zahlen müsste.

Dabei sei vorausbedacht, dass die Sachverständigentätigkeit grundsätzlich mit der Grundgebühr abgegolten ist.

Das JVEG hingegen ist den beteiligten Kreisen in der Regel weder bekannt noch orientieren sich die Wertvorstellungen der Sachverständigen und der Laien, was Fotokopierkosten, Kilometergeld und ähnliches betrifft, an einem JVEG. Die Justiz ist nicht beteiligt auch wenn sie im Streitfall entscheiden muss.

Nicht der Rechtsstreit ist der Lebensmittelpunkt der Bundesbürger, sondern das friedliche Miteinanderleben und der Austausch von Dienstleistungen, Waren nach allgemeinen Marktgesetzen, nicht hingegeben nach Gebührenordnungen.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes geht es nicht an, marktwirtschaftlichen Leistungsaustausch nach Gebührenordnungen mittelbar zu beurteilen; diese Aufgabe bleibt dem Gesetzgeber, wenn er Regelungsbedarf sieht, vorbehalten.

Berücksichtigt man im konkreten Falle, dass die Fahrtkosten mit 74 km à 1,10 Euro erheblich zu Buche schlagen, ist offenkundig, dass eine gravierende erkennbare Überschreitung bei Berechtigung dieser Fahrtkosten nicht besteht.

Der Sachverständige hat Lichtbilder angefertigt, und zwar nicht etwa in einer Reparaturwerkstatt, sondern ersichtlich vor einem Privathaus.

Nimmt man die Geschäftsadresse des Sachverständigen und die Wohnadresse des Klägers, sind die geltend gemachten gefahrenen Kilometer ohne weiteres mit jedem Entfernungsberechnungsprogramm nachzuvollziehen.

Im Ergebnis sind die vereinbarten Honorarsätze zwar recht hoch, aber eben noch nicht für den Geschädigten erkennbar überteuert. Insbesondere unter Einbeziehung einer 20%-Erhöhung (gegenüber JVEG) als „Erkenntnisgrenze“ bestünde ebenfalls keine Erkennbarkeit von Überteuerung.

Mit der Ausnahme der Schreibgebühren, die pro Seite mit 3,10 Euro angesetzt sind, wobei hier das Berufungsgericht allenfalls von 1,68 Euro ausgehen würde, fehlt es an erkennbarer Überteuerung.

Bestenfalls könnte also von einer einzigen erkennbar überteuerten Position aus Sicht der Beklagten ausgegangen werden, wobei sich diese Differenz mit etwa 20,– Euro niederschlägt, eine bei einer Rechnung von 959,61 Euro aus Sicht des Gerichtes zu vernachlässigende Differenz.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 95, 100 Abs. 4 ZPO; die über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG St. Ingbert verweigert der übergeordneten Berufungskammer 13 S (sog. Freymann-Kammer) des LG Saarbrücken die Gefolgschaft und verurteilt die HUK-COBURG und deren VN als Gesamtschuldner zur Zahlung des Betrages, den die HUK-COBURG vorgerichtlich rechtswidrig gekürzt hatte, mit Urteil vom 27.4.2015 – 9 C 504/14 (10) -.

  1. Ludmilla J. sagt:

    Das ist die sachlich begründete Rache eines qualifizierten Juristen in seiner Richterfunktion am AG St. Ingbert. Es gibt sie also doch noch, die Säulen des Rechts und sie verdienen unseren Respekt und unsere Hochachtung.

    Ludmilla J.

  2. Iven Hanske sagt:

    Ja,es freut mich auch wenn der BGH respektiert wird.

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