Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nach dem – trotz einiger geäußerter Kritik – positiven Urteil des LG Hamburg veröffentlichen wir hier ein positives Urteil aus Landau in der Pfalz zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG. Wieder einmal wollte oder konnte die HUK-COBURG nicht vollständigen Schadensersatz leisten. Da die HUK-COBURG nicht in der Lage war, vollständigen Schadensersatz zu leisten, nahm der Geschädigte – zu Recht – den Unfallverursacher für die von der HUK-COBURG nicht regulierten Schadensbeträge gerichtlich in Anspruch. Die zuständige junge Richterin des örtlich zuständigen Amtsgerichts Landau in der Pfalz gab dem Kläger in vollem Umfang Recht. Mit diesem Urteil hat der Versicherungsnehmer jetzt erfahren, wie „gut“ seine HUK-COBURG ist, nämlich so gut, dass sie ihre Versicherten vor den Kadi ziehen lässt. Es mag sich jeder selbst darüber Gedanken machen, ob das ein seriöses Versicherungsverhalten ist? In der umfangreichen Urteilsbegründung hat sich die Richterin nicht in die Angemessenheit vergallopiert, sondern ist stets auf dem schadensersatzrechtlichen Weg geblieben. Bravo! Was denkt Ihr?
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 196/15
Amtsgericht
Landau in der Pfalz
IM NAMEN DES VOLKES
Endurteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-VN
– Beklagter –
hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz durch die Richterin P.-K. am 22.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 62,59 € zu bezahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 62,59 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG BGB zu.
Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.
Unstreitig hat die Beklagte auch Schadensersatz für entstandene Sachverständigenkosten als diejenigen Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 BGB zu leisten. Vorgerichtlich wurden bereits 719,00 € durch die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung gezahlt.
Für den klägerischen Anspruch ist es unschädlich, dass eine Zahlung an den Sachverständigen unstreitig bisher noch nicht erfolgte. Die Auffassung des Beklagten, der Kläger sei insoweit auf einen Freistellungsanspruch beschränkt, ist nicht überzeugend. Bei den Kosten für eine erforderliche Begutachtung eines Unfallschadens handelt es sich um Kosten, die zur Herstellung nach § 249 Abs. 1 BGB erforderlich sind. Insoweit sind die Gutachterkosten den Kosten für Instandsetzungsarbeiten gleichzusetzen (vgl. LG Traunstein, NZV 2005, 324, m.w.N.). Ebenso wie bei den Instandsetzungsarbeiten führen die Gutachterkosten daher unmittelbar zu einem Zahlungsanspruch nach § 249 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 249 BGB kann ein geschädigter Fahrzeugeigentümer vom Schädiger nur Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Fahrzeugeigentümer in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Hierbei kann der Geschädigte auch Ausgleich der Kosten verlangen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen zur Feststellung des Schadenshergangs, vor allem aber zur Schadenshöhe entstehen (vgl. BGH NJW 74, 34). Die grundsätzliche Befugnis des Geschädigten, einen Sachverständigen zu beauftragen, steht zwischen den Parteien nicht in Streit, ein Bagatellschaden liegt nicht vor. Ohne Sachverständigenhilfe vermag der durch den Schädiger in diese Lage versetzte Geschädigte, nämlich die Voraussetzungen der vollständigen Restitution, in aller Regel nicht zu schaffen. Hierbei muss der Geschädigte auf dem Markt der Sachverständigen nicht nach dem besten oder preiswertesten forschen. Ihn trifft folglich keine Erkundigungsobliegenheit. Auch muss er vor Beauftragung eines Sachverständigen nicht mit dem Schädiger oder dessen Versicherer Rücksprache halten (vgl. Knerr in Geigel Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 3. Kapitel, RdNr. 118).
Der Kläger konnte vorliegend bei der Institution des beauftragten Sachverständigen davon ausgehen, dass besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem entsprechenden Sachgebiet vorhanden sind. Sie durfte als verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch die Einschaltung des Sachverständigen nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten und unter Abwägung gegen ihn zumutbare andere preiswertere Wege der Feststellung für geboten erachten (BGH VersR 2005, 380).
Die bezifferten Rechnungspositionen sind nicht zu beanstanden, denn die vorgenommenen Kurzungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar darf ein Geschädigter nicht auf Kosten des Schädigers jeden beliebigen Preis vereinbaren oder bezahlen. Jedoch können von dem Geschädigten keine Kenntnisse und Fähigkeiten erwartet werden bezüglich der Angemessenheit der Vergütung. Erst wenn für den Geschädigten sichtbar wird, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zu einander stehen, kann ein Ausgleich gezahlter Aufwendungen oder Freistellung nicht mehr verlangt werden. Auch wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung missachtet oder gar verursacht, ist ein Ausgleich nicht zu leisten (vgl. OLG Hamm, NZV 2001, 433). Danach sind aus den bereits genannten Gründen nun einmal auch objektiv überhöhte Rechnungen des Sachverständigen dem Geschädigten grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist und ihm etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB zugerechnet werden können (vgl. OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.).
Im Ergebnis wird der Geschädigte unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze daher nur in engen Ausnahmefällen tatsächlich das Risiko etwaiger überhöhter Rechnungen mit allen Konsequenzen zu tragen haben. Denn ein rechtlich relevantes und daher anspruchsmindemdes Mitverschulden des Geschädigten, das ein solches Risiko zu begründen vermag, kann in diesem Fall allenfalls dann angenommen werden, wenn diesen ein Auswahlverschulden trifft, er mit dem Sachverständigen — im kollusiven Zusammenwirken – ein offensichtlich überhöhtes Honorar vereinbart hat, er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet oder ihm die Unangemessenheit der Vergütung bzw. ein offenkundiges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bzw. eine willkürliche Festsetzung des Honorars bei Auftragserteilung auch für ihn als Laien offensichtlich ins Auge hätte springen müssen (BVerfG, Beschl, v. 28.11.07, 1 BvR 1655/05, SP 2008, 1621; OLG Naumburg a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.08, I-1 U 246/07, 1 U 246/07 = NJWSpezial 2008, 458 = SP 2008, 340 ff.; LG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.11, 13 S 109/10, Bl. 58ff. d.A. und LG Saabrücken, Urt. v. 21.02.08, 11 S 130/07 = SP 2008, 410 f.). Nur hierauf kann sich das dem Geschädigten verbleibende Risiko beziehen.
Eine solche Erkenntnismöglichkeit, die dem Geschädigten zum Nachteil gereichen kann, kann aber von einem Laien regelmäßig nicht verlangt werden (LG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.11, 13 S 109/10, Bl. 58 ff. d.A. und LG Saarbrücken Urt. v. 21.02.00, 11 S 130/07 = SP 2008, 410 f.), Weil es bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten überhaupt ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird der Geschädigte in aller Regel auch von daher von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen (LG Saarbrücken, a.a.O. m.w.N.), während Willkür des Sachverständigen und/oder ein kollusives Zusammenwirken des Geschädigten mit dem Sachverständigen zum Nachteil des Schädigers und des Haftpflichtversicherers eher eine statistische Randerscheinung sein dürfte, die vom Schädiger bzw. Haftpflichtversicherer zudem auch substantiiert darzulegen und nachzuweisen wäre.
Hinsichtlich der vorgenannten Punkte hat die Beklagte keine Einwendungen vorgebracht. Es gibt demnach keine Anhaltspunkte dafür, dass gravierende Mingel bezüglich der Sachverständigenkosten gegeben sind. Die von der Klägerin dargestellten Kosten bezüglich der Pauschale, der Schreibgebühren, Fotokosten, Fahrtkosten, Porto und Telefon sind ebenfalls ersetzbar. Der Geschädigte kann von dem Schädiger erst dann nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige willkürlich abrechnet. Hierzu hat die Beklagtenseite keinen Vortrag erbracht. Aus dem Gutachten vom 21.03.2014 ergibt sich auch, dass Begutachtungsort des unfallbeschädigten Fahrzeuges und Sitz des Sachverständigen ortsverschieden sind, so dass auch die Geltendmachung, einer Fahrtkostenpauschale nicht zu beanstanden ist.
Die Sachverständigenkosten i.H.v. insgesamt 751,59 € brutto betragen im Verhältnis zum festgestellten Schaden i.H. der Reparaturkosten in Höhe von 5.293,77 € brutto gerade mal 15 %. Die Kosten stehen demnach schon von daher zum Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis.
Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung hat bis auf die Klagesumme vollständig auf die Sachverständigenkosten bezahlt. In Streit stehen noch 62,59 €. Von einer eindeutig erkennbar überhöhten Forderung des Sachverständigen ist demnach gerade nicht auszugehen. Aber nur auf diese hinreichend eindeutige Erkennbarkeit der Überhöhung aus der ex-ante Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Rechnungsempfängers als Laien kommt es vorliegend an.
Es spielt letztlich vorliegend auch keine Rolle, ob sich die Klägerin vor der Beauftragung des Sachverständigen überhaupt nicht erkundigt hat oder nur bei wenigen anderen Sachverständigen, insbesondere hätte der Geschädigte auch bei völlig unterbliebener vorheriger Erkundigung seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt. Denn davon abgesehen, dass sich für einen großen Teil der Sachverständigen, wenn nicht sogar für den überwiegenden Teil derselben die Kosten der Begutachtung (jedenfalls die Höhe der Grundvergütung, die in aller Regel den Hauptanteil der Sachverständigenkosten ausmacht) doch gerade erst auf Grundlage der erst nach Begutachtung festgestellten Schadenshöhe beurteilen lassen, hat der Beklagte nicht dargelegt, zu welchem Ergebnis derartige Erkundigungen hätten führen können, insbesondere hat er auch nicht dargelegt, an welchen ortsnahen Sachverständigen der Geschädigte sich hätte wenden können, bei dem die Kosten niedriger ausgefallen wären und warum.
Da der Geschädigte demnach mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderliche i.S.d. § 249 BGB gewahrt hat, waren weder der Beklagte noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, weshalb eine solche zu unterbleiben hat.
Demnach steht der Klägerin der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch in voller Höhe zu.
Der Zinsanspruch beruht auf § 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hi, Willi,
Du hast Recht. Ein mustergültiges Urteil ohne jedweden Firlefanz und vor allen Dingen ohne werkvertragliche Färbung, das ohne den § 287 ZPO auskommt und vor allen Dingen ohne Bezugnahme auf eine inzwischen berüchtigte Honorarbefragung mit Vergangenheitsdaten Vorbildhaft.-.
Insbesondere mit Blick auf die HUK-Kürzungsschreiben ganz deutlich herausgestellt:
„Danach sind aus den bereits genannten Gründen nun einmal auch objektiv überhöhte Rechnungen des Sachverständigen dem Geschädigten grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.).
Dies gilt umso mehr, als dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist und ihm etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB zugerechnet werden können (vgl. OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.).“
HUK-Panoramaspiegel
@ HUK-Panoramaspiegel
So sehe ich es auch. Auch vermeintlich überhöhte Sachverständigenkosten sind zu erstatten, allerdings besteht die Möglichkeit des Vorteilsausgleichs. Dies gilt umsomehr, als der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige nicht dessen Erfüllungsgehilfe ist. Vielmehr dürfte er Erfüllungsgehilfe des Schädigers sein (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.; OLG Nürnberg SP 2002, 358). Insoweit muss der Schädiger, will er die vermeintliche Bereicherung geltend machen, sich an den Sachverständigen halten (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149, 150; Himmelreich-Halm-Müller Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht Kap. 6, Rn. 226; OLG München NJW 2010, 1462; OLG Düsseldorf SP 2008, 340; AG Bochum SP 2009, 266, 267 jew. m.w.N.). Eine gute juristische Leistung.