Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Chemnitz geht es weiter nach Rosenheim. Nachstehende geben wir Euch hier ein positives Urteil aus Rosenheim zu den Sachverständigenkosten gegen die VHV Versicherung bekannt. Wieder einmal hat die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung – unsubstantiiert – vorgetragen, ohne ihrer Beweislast genügend, entsprechend vorzutragen. Es wurde einfach nur behauptet, aber kein substanttierter Sachvortrag dazu vorgetragen. Dieses Verhalten ist offenbar allen Versicherern gemein. Aber die erkennende Amtsrichterin konnte damit nicht übertölpelt werden. Zu Recht wies sie auf den unsubstantiierten Vortrag der beklagten VHV hin. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure sachlichen Kommentae ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 8 C 418/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch die Richterin am Amtsgericht C. am 15.06.2015 auf Grund des Sachstands vom 15.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 355,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.03.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 355,97 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage erwies sich als begründet.
Die Parteien streiten über restliche Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfallgeschehen vom 30.07.14 in Rosenheim, wobei die Einstandspflicht der Beklagten unstreitig ist. Die Beklagte wendet überhöhte Sachverständigenkosten ein.
Bislang war bereits in der überwiegenden Rechtsprechung anerkannt, dass dem Geschädigten selbst bzgl. überhöhter Vergütungen nur ein Auswahlverschulden oder die Evidenz der Überhöhung entgegen gehalten werden konnte. Dies hat der BGH in seiner neuesten Entscheidung vom 11.02.2014 Az. VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169 nunmehr bestätigt.
Der Geschädigte darf davon ausgehen, dass der in Rechnung gestellte Betrag grundsätzlich der zur Schadensbeseitigung erforderliche im Sinne des § 249 BGB ist. Dies bildet zudem ein wesentliches Indiz für die Schätzung des Tatrichters.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ergaben sich bei einem Gesamthonorar von EUR 534,55 und einem Grundhonorar von EUR 266,00 keine Einwände des BGH gegen die Abrechnung. Die bloße Abweichung der Nebenkosten von der BVSK-Tabelle genügen hierfür nicht. Weitere Gründe für eine Überhöhung sind im Ergebnis nicht dargelegt, zumindest ist nicht ersichtlich, inwieweit dies dem Kläger evident hätte sein müssen.
Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger grundsätzlich nicht zu einer Marktforschung verpflichtet ist. Soweit sich mangels anderweitiger Erkenntnisse nicht aufdrängt, dass hier ein überhöhtes Honorar verlangt wird, wobei nicht klar ist, was der Vergleichsmaßstab schlussendlich sein soll, war der Klage stattzugeben.
Insbesondere führt das Argument der Beklagten, dass hier ein „Service aus einer Hand“ stattgefunden habe durch Vermittlung des Sachverständigen durch die Werkstatt nicht zu einer anderen Sichtweise. Zu Recht zitiert die Beklagtenseite den Beschluss des OLG München, Az. 10 U 579/15. Konsequenterweise muss aber auch berücksichtigt werden, dass das OLG München den Nachweis einer auffälligen Indizienkette vom Schädiger verlangt, die darauf hinweist, dass in diesen Fällen der Sachverständige regelmäßig nicht vom Geschädigten ausgewählt wurde. Es bedarf eines Verweises auf mehrere vergleichbare Fälle, in denen wegen der Kombination aus einer bestimmten Werkstätte, eines bestimmten Rechtsanwalts, eines bestimmten Sachverständigen bzw. bestimmter gleicher Geschehensabläufe diese Indizienkette besteht. Dies ist hier nicht geschehen. Allein die Behauptung, dass der Sachverständige durch die Werkstatt beauftragt wurde und nicht durch den Kläger reicht nicht aus. Insbesondere hat der Kläger dies bestritten. Das Gericht hat mit Beschluss vom 28.05.15 darauf hingewiesen, dass es aufgrund der vorgelegten Rechnung des Sachverständigen vom Kläger als Auftraggeber ausgeht. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben.
Somit ist es auch unbeachtlich, dass die Beklagtenpartei die einzelnen Kostenpositionen für überhöht erachtet. Mag im Zeitalter von Flatrates die Kosten gesunken sein, so bleibt doch der Charakter einer Pauschale derjenige, dass sie pauschal erhoben wird, egal ob im Einzelfall überhaupt tatsächlich telefoniert werden musste oder nicht.
Das pauschale Bestreiten der angefallenen Fahrtkosten ist zivilprozessual ohnehin unbeachtlich. Insbesondere ist eine Entfernung von 24 km nicht so weit, dass man verlangen könnte einen nähergelegenen Sachverständigen zu beauftragen.
Gem. § 287 BGB geht das Gericht daher davon aus, dass die beanstandeten Kosten allesamt erforderlich im Sinne des § 249 BGB waren. Der Kläger ist auch nicht gehalten zum billigsten Anbieter und Sachverständigen auf dem Markt zu gehen. Auch ein preisgehobener Sachverständiger ist grundsätzlich nach § 249 BGB ersatzfähig.
Da mangels Marktforschung Obliegenheit des Klägers von vornherein nie klar ist, auf welchen Sachverständigen man stößt, ist vorliegend weder von einem Auswahlverschulden noch von einer evidenten Überhöhung der Kosten auszugehen, die Klage war daher in der Hauptsache zuzusprechen. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hi, Willi Wacker,
kein Wunder, dass auch die VHV mal wieder die Segel streichen muss, denn welche Richterin akzeptiert schon eine solche löchrige und schadenersatzrechtlich neben der Sache liegende „Argumentation“? Frauen sind da manchmal weitaus sensibler als die männlichen Kollegen.
Paco Jimenez