AG Hannover verurteilt die Landwirtschaftliche Brandkasse Hannover zur Zahlung der vorgerichtlich rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 4.6.2015 – 505 C 302/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachfolgend geht es von den Höhen des BGH wieder in die Tiefen der Amtsgerichte. Hier stellen wir Euch ein Urteil aus Hannover zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Landschaftliche Brandkasse Hannover vor. Wieder war es eine Versicherung, die meinte, der HUK-COBURG nacheifern zu müssen. Sie erhielt das gleiche Ergebnis wie bei der HUK-COBURRG. Dabeisein ist wohl alles? Demzufolge ist die Landschaftliche Brandkasse nun auch in unserer Urteilsliste vertreten. Herzlichen Glückwunsch von der CH-Redaktion! Aber Nachahmen ist nicht immer sinnvoll, wie das nachfolgende Urteil beweist. Eine korrekte Schadensregulierung wäre sinnvoller gewesen. Das hätte auch dem Image besser getan. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht
Hannover

505 C 302/14                                                                             Verkündet am 04.06.2015

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Kläger

gegen

Landschaftliche Brandkasse Hannover, vertr. d. d. Vorstandsvors. Hermann Kasten, Vorstandsmitglieder J. Herdecke, Th. Krüger, F. Müller, F. Thole, Th. Vorholt, Schiffgraben 4, 30159 Hannover

Beklagte

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Hannover – Abt. 505 –
auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2015
durch den Richter am Amtsgericht N.

für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 27.11.2014 verurteilt, an den Kläger 490,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Säumniskosten, die der Kläger zu tragen hat.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch gegen das vorgenannte Versäumnisurteil ist rechtzeitig und damit statthaft.

Die Klage ist jedoch bis auf einen Teil des Zinsanspruchs begründet, weshalb ihr unter Aufhebung des Versäumnisurteils im Wesentlichen stattzugeben war.

Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht des Geschädigten M. H. gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ausgleich der anlässlich der Begutachtung des verunfallten Fahrzeugs des Geschädigten H. angefallenen Sachverständigenkosten in Höhe von 392,70 € einschließlich der durch die Teilnahme an dem Nachbegutachtungstermin am 23.02.2011 angefallenen weiteren Kosten in Höhe von 97,65 €, mithin ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 490,35 € zu (vgl. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 398, 249 ff. BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG).

Insbesondere ist der Kläger, nachdem er mit Schriftsatz vom 16.03.2015 die geänderte Abtretungserklärung vom 12.03.2015 vorgelegt hat, zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs aktivlegitimiert.

Denn die vorgenannte Abtretungserklärung genügt den Anforderungen des BGH an die hinreichende Bestimmbarkeit der der Abtretung zugrunde liegenden Forderung (vgl. BGH NJW 2011, 2713 bis 2714).

Entstehen aus einem Verkehrsunfall für den Geschädigten mehrere Forderungen, so kann von der Gesamtsumme dieser Forderungen nicht ein nur summenmäßig bestimmter Teil abgetreten werden. Soweit eine Abtretungserklärung ihrem eindeutigen Wortlaut nach eine Mehrzahl von Forderungen erfasst, nämlich sämtliche Ansprüche des Geschädigten aus dem bestreffenden Verkehrsunfall, so ist die Abtretung weder hinreichend bestimmt noch bestimmbar, wenn in der Abtretung Bezug genommen wird auf die Höhe der Gutachterkosten, weil hierin lediglich eine Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der Abtretung liegt. Allerdings genügt die aktuelle Abtretungserklärung des Klägers vom 12.03.2015 dem Bestimmtheitserfordernis, weil dort der Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen in der Höhe und der Reihenfolge nach aufgeschlüsselt wird, indem davon die Rede ist, dass die Höhe der Gutachterkosten in Höhe von 392,70 € erstrangig an den Kläger abgetreten wird.

In der Sache selbst ist die Beklagte auch verpflichtet, die Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens zu ersetzen, weil die Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB sind, jedenfalls soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH NJW 2007, 1450).

Dass sich der Geschädigte im Streitfall grundsätzlich zur Feststellung der an seinem Fahrzeug unfallbedingt entstandenen Schäden eines Sachverständigen bedienen durfte, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Soweit die Beklagte andererseits in diesem Zusammenhang einwendet, das seitens des Klägers erstellte Gutachten sei objektiv ungeeignet und deshalb unbrauchbar, weshalb ein Ersatz der Sachverständigenkosten nicht in Betracht komme, kann dem nicht gefolgt werden.

Grundsätzlich sind die Kosten eines Gutachters vom Schädiger nämlich auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten objektiv mangelhaft oder gar unbrauchbar ist, weil die Ungeeignetheit eines Gutachtens grundsätzlich in den Risikobereich des Schädigers fällt. Allerdings muss der Schädiger das Risiko der Ungeeignetheit eines Gutachtens nur solange tragen, als den Geschädigten hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl und zutreffenden Information des Gutachters kein Verschulden trifft (vgl. OLG Köln, VersR 2012, 1008).

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen … einwendet, der Geschädigte habe dem Sachverständigen unreparierte Vorschäden wie eine Deformation des Kofferraumdeckels, einen Bruch des linken Türgriffs etc. verschwiegen ist bereits fraglich, ob das Gutachten deshalb als objektiv ungeeignet zu bewerten ist.

Denn zu einem Fehlschlagen der Kostenermittlung in Bezug auf die als notwendig erachteten Reparaturkosten hat dies nicht geführt, wie eine Gegenüberstellung der seitens des Klägers ermittelten Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.589,36 € und derjenigen des Sachverständigen … in Höhe von 1.528,75 € dokumentiert.

Der Unterschied zwischen beiden Gutachten ist derart gering, dass er als unerheblich zu bezeichnen ist.

Selbst wenn der Geschädigte die seitens des Sachverständigen … festgestellten Vorschäden verschwiegen haben sollte, so hätte sich dies bei der Kostenermittlung nicht ausgewirkt, da diese Schäden nicht in die Kostenkalkulation mit eingeflossen sind.

Andernfalls wäre nicht zu erklären, warum beide Sachverständigengutachten von nahezu gleich hohen Nettoreparaturkosten ausgehen.

Hinzu kommt, dass die seitens der Beklagten beanstandeten Positionen offensichtlich derart leicht erkennbar waren – beispielsweise nicht das einwandfreie Schließen des Kofferraums – dass sie auch dem Kläger hätten auffallen müssen. Wenn dieser dann derartige Umstände in seinem Gutachten unberücksichtigt lässt, kann dies dem Geschädigten nicht angelastet werden. Was andererseits die Beanstandungen der Beklagten hinsichtlich des ermittelten Wiederbeschaffungswertes mit der Maßgabe anlangt, dass nach ihren Ausführungen von einem wirtschaftlichen Totalschaden auszugehen sei, so kann auch dieser Umstand, selbst wenn man ihn als richtig unterstellt, nicht dem Geschädigten angelastet werden, weil der Sachverständige der Beklagten, der Sachverständige … , den von ihm ermittelten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 1.600,– € aufgrund der als leicht erkennbar qualifizierten Vorschäden in Ansatz gebracht hat.

Hinzu kommt, dass auch nicht nachvollziehbar ist, wie der Sachverständige … den Wiederbeschaffungswert von 1.600,– € ermittelt hat.

Angesichts der erheblichen Differenz zwischen den ermittelten Wiederbeschaffungswerten beider Sachverständiger kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Wiederbeschaffungswert jedenfalls höher als 1.600,- € beträgt.

Bei einem geringfügigen Überschreiten dieses Betrages wäre aber bereits nicht mehr von einem wirtschaftlichen Totalschaden auszugehen, so dass auf der Basis der Reparaturkostenkalkulation des Klägers abzurechnen wäre.

Da andererseits den Geschädigten kein Verschulden hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl des Gutachters trifft – entsprechendes behauptet die Beklagte auch nicht – war der Klage insoweit stattzugeben.

Dies gilt gleichermaßen für die in Höhe von 97,65 € angefallenen Kosten für den Nachbegutachtungstermin vom 23.02.2011, weil es aus Sicht des Geschädigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war, sicherzustellen, dass bei der Begutachtung durch den Sachverständigen der Beklagten ein eigener sachverständiger Zeuge, hier der Kläger, zugegen ist.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 247, 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB, wobei der Kläger lediglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen kann, weil der Kläger eine Forderung des Geschädigten, bei dem es sich um einen Verbraucher handelt, verfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr.1, 344 ZPO, diejenige hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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