Das Amtsgericht Steinfurt hat mit Urteil vom 31.8.2007 einem Geschädigten wegen der zögerlichen Regulierung des Versicherers für 108 Tage Nutzungsentgang zugesprochen. Nachdem die Versicherung Berufung einlegte, hat nunmehr das Landgericht Münster darauf hingewiesen, dass es beabsichtige die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Amtsgericht und Landgericht führen im wesentlichen wie folgt aus:
Der Schaden umfasst den Nutzungsausfall für 108 Tage bei Ansatz eines täglichen Nutzungswertes von 38 €.
a.) der Kl. hat nach eigenem Vortrag einen Nutzungswillen gehabt, dies ist nicht widerlegt. Soweit sich die Bekl. darauf beruft, der Zeitraum zwischen letztendlicher Zahlung am 20.11.2006 und Neuzulassung am 12.12.2006 indiziere einen mangelnden Nutzungswillen, ist dem nicht zu folgen: der Sachverständige hat die Wiederbeschaffungsdauer mit etwa bis zu 12 Werktagen bemessen, der Kl. hat unbestritten dargelegt, dass das anderweitige Fahrzeug am 7. Dezember 2006 erworben wurde. Der entsprechende Zeitraum beträgt 14 Werktage und liegt dementsprechend im Rahmen des zu Erwartenden. Auch die Beauftragung des Sachverständigen zur Schadensfeststellung lag nicht unangemessen lang nach dem Unfallereignis, weil das dazwischen liegende Wochenende zu berücksichtigen.
b.) Bei der Bemessung der Höhe des täglichen Nutzwertes schätzt das Gericht anhand der Tabelle „Sanden Danner Küppersbusch“……
c.) Ein klägerisches Mitverschulden war hinsichtlich des Nutzungsausfallersatzes nicht zu berücksichtigen.
aa.) Auf ein Mitverschulden des Kl. durch unterlassene Neuanschaffung eines anderweitigen Fahrzeugs in angemessener Zeit nach dem Unfallereignis kann sich die Bekl. nicht berufen. Der Kl. hat unter Offenbarung seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt, dass ihm eine Ersatzanschaffung nicht möglich war. Unter Bereinigung des Nettoeinkommens um regelmäßige Belastungen verblieben zur Deckung des Lebensbedarfs der klägerischen Familie monatlich etwa 630 €; dem ist die Bekl. nicht substantiiert entgegengetreten. Auch eine Finanzierung – unter Nutzung des Vorschusses vom 18.10.2006 als Anzahlung – war dem Kl. berechtigterweise nicht zuzumuten. Denn der Vorschuss wäre zunächst um die Sachverständigenkosten von etwa 700 € zu bereinigen gewesen. Außerdem bestand kein Finanzierungserfordernis für den Kläger, weil er erwarten durfte, dass eine vollständige Schadenregulierung jederzeit kurzfristig erfolgen könne; einziges Hindernis war die fehlende Schadensanzeige des Verursachers an die Versicherung. Bei dieser Sachlage muss sich der Geschädigte nicht darauf verweisen lassen, wiegenden Verzögerungen einen finanzierten Erwerb durchzuführen, weil die Dauer der Verzögerung nicht absehbar ist und mit einem Ende der Verzögerung jederzeit zu rechnen ist. Zwar hatte die Bekl. mitgeteilt, dass ein etwaiger Zinsschaden erstattet werden würde, jedoch wurde nicht mitgeteilt, dass die Verzögerung noch von gewisser und erheblicher Dauer sein wird.
bb.) Der Kl. muss sich – im Verhältnis zur Bekl. – auch nicht anrechnen lassen, dass er es unterlassen hat, die Bekl. auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, weil die Bekl. diese Gefahr kennen musste im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Voraussetzung einer (Mit -) Haftung ist, dass der Geschädigte die Gefahr kannte oder erkennen musste und insoweit die Erkenntnismöglichkeit des Schädigers geringer war. Vorliegend war die Erkenntnismöglichkeit der Bekl. nicht geringer: die Bekl. reguliert nach ihrem Satzungszweck Verkehrsunfallereignisse und hat dementsprechend generell vertiefte Kenntnisse der Rechtsfolgen innerhalb des Schadensrechts. Bei dieser Sachlage und in Ansehung der Tatsache, dass das Fahrzeug des Kl. zerstört worden war, musste die Bekl. redlicherweise mit der Geltendmachung von Nutzungsausfall bis zum Zeitpunkt der Erstattung rechnen; zumal der Kläger bereits mit dem Regulierungsverlangen am 17.8.2006 Nutzungsausfall für 14 Tage geltend gemacht hatte und auf das Nichtbestehen einer Vollkaskoversicherung hingewiesen hatte. Insoweit bedarf es keiner gesicherten Kenntnis des Schädigers, dass eine Neuanschaffung erst nach Schadensausgleichszahlung erfolgen kann, weil es keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend gibt, dass ein Fahrzeugeigentümer jederzeit die finanziellen Mittel hat, ein anderes Fahrzeug zu erwerben vielmehr obliegt es dem Schädiger, sich in entsprechenden Fällen abzusichern und gegebenenfalls Nachfrage bei dem Geschädigten zu halten. Der dem Verzugsrecht immanenten Grundsatz, dass finanzielle Liquidität des Schuldners als gegeben vorausgesetzt wird und der Gläubiger darauf vertrauen darf, lässt sich auf Fälle wie den vorliegenden nicht übertragen.
cc.) Der Kl. hat sein Begehren bereits vorgerichtlich während der Abwicklungsphase mit hinreichender Deutlichkeit verfolgt, so dass es eines weiteren“ Druck Machen’s“ nicht bedurfte.Es ist grundsätzlich ausreichend, wenn Ansprüche beim Schuldner geltend gemacht werden, dass Ausüben weiteren “ Drucks „ist – auch soweit es innerhalb der von der Rechtsordnung gebotenen Grenzen erfolgt – nicht erforderlich.
dd.) Letztendlich würde auch einer Abwägung der unterschiedlichen Verursachungsbeiträge nicht dazu führen, die alleinige Einstandspflicht der Bekl. zu beseitigen. Zum einen ist beklagtenseits nicht vorgetragen, dass im Fall eines frühzeitigen Hinweises auf die spätere Geltendmachung von Nutzungsausfall die Regulierung beschleunigt worden wäre beziehungsweise ein ( angemessener) Vorschuss früherer ausgezahlt worden wäre, so dass die mangelnde Anzeige für die Höhe des Schadens (mit -) kausal geworden wäre. Zum anderen hat die Bekl. nicht dargelegt, welche konkreten Maßnahmen sie selbst getroffen hat, um die Regulierung zu beschleunigen. Es kann nicht zu
Lasten des Geschädigten gehen, wenn der Schädiger durch mangelnde Anzeige des Schadensereignisses an den eintrittspflichtigen Versicherer die Regulierung verzögert und der Versicherer keine Maßnahmen zur Aufklärung trifft.
Diese Rechtsausführungen werden vom Landgericht Münster geteilt, indem dieses in einem Hinweisbeschluss vom 13.2.2008 wie folgt ausführt:
Bezüglich der Höhe des täglichen Nutzungswertes sowie der Anzahl der ersatzfähigen Tage wird auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Dem Kläger ist ein den Anspruch kürzendes Mitverschulden nicht zur Last zu legen. Es bestand für ihn keine Pflicht zur Kreditaufnahme…..
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Kl. ist auch nicht darin zu sehen, dass er die Bekl. gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht ausreichend konkret oder aber nicht frühzeitig genug auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen hat. In seiner Schadensmeldung vom 17.8.2006 wurde vom Kläger ein Nutzungsausfall von 14 Tagen in Rechnung gestellt. Gleichzeitig wurde jedoch zur Begleichung des Gesamtbetrages eine Frist bis zum 10. September 2006 gesetzt. Die Bekl. durfte somit nicht darauf vertrauen, dass sich bei erheblicher Verzögerung der Schadensregulierung und Überschreitung der zur Zahlung gesetzten Frist keine weiteren Nutzungsausfallschäden ergeben würden. Dem erstinstanzlichen Urteil ist auch darin zu folgen, dass der Bekl. keine geringeren Erkenntnismöglichkeiten als dem Kl. zur Verfügung gestanden haben. Die Geltendmachung eines Nutzungsausfalls für die Zeit der Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges hat zudem hinreichend deutlich gemacht, dass dem Kläger in dieser Zeit ein anderes Fahrzeug nicht zur Verfügung stand. Selbst bei Bejahung eines Verstoßes gegen die Hinweispflicht ist der Bekl. jedoch der Nachweis nicht gelungen, dass eine etwaige zu späte Mitteilung des Klägers kausal für den Schaden war. Ein Hinweis auf die Zahlung eines Vorschusses, welcher ohne Bezugnahme auf den mitgeteilten Nutzungsausfallschaden gezahlt worden ist, reicht hierfür nicht aus. Die Kammer beabsichtigt daher, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Ein sehr interessantes Urteil.
Bitte setzen Sie doch die AZ ins Netz.
Danke
MfG
J.Berner
Sehr gerne:
AG Steinfurt Az: 21 C 397/07
LG Münster Az: 1 S 204/07