Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier stellen wir Euch ein Urteil aus Halle an der Saale zur fiktiven Schadensabrechnung nach Verkehrsunfall und zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG vor. Das erkennende Gericht hat positiv zu den Sachverständigenkosten, dafür aber negativ zur fiktiven Schadensabrechnung entschieden. Obwohl der BGH die sogenannte Bagatellschadensgrenze bei etwa 715,– € gezogen hatte, zumindest bei dieser Schadenshöhe die Beauftragung eines Sachverständigen nicht beanstandet hat, wird durch das erkennende Gericht die Bagatellschadensgrenze mal so eben noch auf die Schnelle auf 1.000,– € angehoben. Das widerspricht eindeutig der BGH-Rechtsprechung. Eigentlich dürfte es eine starre Grenze, bis zu der ein Gutachten in Aufftrag gegeben werden darf, gar nicht geben, denn der Geschädigte kann die Höhe eines Schadens in der Regel gar nicht erkennen. Vielmehr beauftragt er gerade zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe einen unabhängigen Kfz-Sachverständigen. Daher sollten eigentlich nach der Bagatellschadensdefinition des BGH in DS 2008, 104, 106 bei Personenkraftfahrzeugen als Bagatellschäden nur ganz geringfügige, äußere (Lack-) Schäden anerkannt werden, nicht jedoch andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war (vgl. auch BGH WM 1987, 137 unter II 2 b; BGH WM 1982, 511). Lest aber selbst das Urteil des AG Halle an der Saale vom 16.7.2015 – 94 C 592/14 – und gebt dann anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht
Halle (Saale)
94 C 592/14 Verkündet am 16.07.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
Firma HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 25.06.2015 durch die Richterin am Amtsgericht L. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 135,38 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. 11. 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung Nr. … des Sachverständigenbüros … vom 24.07.2013 in Höhe von 484,93 € freizustellen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte … 108,29 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. 11. 2013 als vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 60 % und der Kläger 40 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Gleiches gilt hinsichtlich der Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten.
Und beschlossen:
6. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.073,37 €.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 18.07.2013 in Halle (Saale). Der Kläger ist Halter und Eigentümer des PKW BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … . Bei der Beklagten bestand im Unfallzeitpunkt eine Kfz-Haftpflichtversicherung für das unfallbeteiligte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … . Dessen Fahrer verursachte den streitgegenständlichen Verkehrsunfall allein schuldhaft, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
Der Kläger begehrt aufgrund des Gutachtens des Sachverständigenbüros … vom 24.07.2013 (Bl. 17 ff. der Akte) Ersatz der voraussichtlichen Reparaturkosten i.H.v. 1.184,18 € netto. Auf diesen Betrag hatte die Beklagte vorgerichtlich 600,74 € gezahlt.
Des Weiteren begehrt der Beklagte Freistellung von den Gutachterkosten i.H.v. 484,93 €.
Am 16.04.2014 zahlte die Beklagte auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen Betrag i.H.v. 147,56 €. Insoweit erklärten die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für teilweise erledigt.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 588,44 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.11.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung Nr. … des Sachverständigenbüros … vom 24.07.2013 in Höhe von 484,93 € freizustellen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte Siebold & Treydte 108,29 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. 11. 2013 als vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten zustehe, da der Schaden unterhalb der sogenannten Bagatellgrenze liege. Im Übrigen seien die Sachverständigenkosten überhöht.
Die Beklagte behauptet, dass der streitgegenständliche Schaden dadurch zu beheben sei, dass lediglich der Frontstoßfänger zu demontieren sei, wie auch die eingebauten Scheinwerfer und danach der Frontstoßfänger zu lackieren sei. Als Ersatzteile würden lediglich die Spoilerecke vorne links und rechts benötigt sowie ein Aufkleber. Insoweit seien zur Behebung des Schadens die von der Beklagten gezahlten 600,74 € völlig ausreichend.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß des Beweisbeschlusses vom 17.06.2014 (Bl. 71 der Akten) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen S. vom 08.09.2014 (Bl. 85 ff. der Akten) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage zulässig und teilweise begründet.
Der Beklagte hat einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz i.H.v. 135,38 € aus den §§ 7, 17 StVG, 249 ff. BGB i.V.m. § 115 VVG.
Die alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall vom 18.07.2013 ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat noch einen weiteren Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten i.H.v. 135,38 € netto.
Aufgrund des überzeugenden, nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen S. sowie seiner mündlichen Anhörung in der Sitzung vom 25.06.2015 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zur notwendigen Beseitigung des streitgegenständlichen Schadens Reparaturkosten in Höhe von 736,12 € insgesamt angemessen sind, von denen die Beklagte bereits vorgerichtlich 600,74 € ausgeglichen hat.
Insoweit muss sich der Kläger auch im Rahmen der Schadensminderungspflicht auf gleichwertige, markenungebundene Werkstätten verweisen lassen, so dass die Beklagte insbesondere nicht die Stundensätze des vom Kläger preferierten Autohauses zu ersetzen hat.
Entsprechend der Rechtsprechung des BGH (vergleiche Urteil vom 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09) sind die Voraussetzungen hier gegeben. Das Klägerfahrzeug war zum Unfallzeitpunkt älter als 3 Jahre.
Des Weiteren handelt es sich bei der hier durchzuführenden Reparaturmethode und den vom Sachverständigen vorgeschlagenen Werkstätten um eine technisch gleichwertige Reparatur. Des Weiteren sind die vom Sachverständigen genannten Werkstätten mühelos für den Kläger erreichbar, da sie im Stadtgebiet Halle liegen bzw. wenig entfernt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese auch zum Ersatz der Sachverständigenkosten bzw. zur Freistellung verpflichtet, da der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen festgestellte Reparaturaufwand über der Bagatellgrenze liegt. Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass ein Schaden im Bereich von bis zu 1.000 € als Bagatellschaden anzusehen ist. Dieser Wert entspricht im Übrigen auch dem Wert, der im Rahmen des § 142 StGB einem „nicht bedeutenden Schaden“ entspricht (vergleiche Fischer, § 142 StGB, Rn. 64). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese Begrifflichkeit nicht zu parallelisieren und eine einheitliche Rechtsordnung herzustellen.
Die Nebenforderungen ergeben sich aus Verzugsgesichtspunkten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 I, 91a, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Hi, Willi Wacker,
wenn ich lese:
„Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass ein Schaden im Bereich von bis zu 1.000 € als Bagatellschaden anzusehen ist. Dieser Wert entspricht im Übrigen auch dem Wert, der im Rahmen des § 142 StGB einem „nicht bedeutenden Schaden“ entspricht (vergleiche Fischer, § 142 StGB, Rn. 64). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese Begrifflichkeit nicht zu parallelisieren und eine einheitliche Rechtsordnung herzustellen“,
schwillt mir vor einem so ausgemachten Blödsinn der Kamm. Ich würde allzugern sehen, was diese Richterin in eigener Sache bei einem „nicht bedeutenden Schaden“, der natürlich erst ermittelt werden muss, unternehmen würde oder ihr entwendet einer die Geldbörse mit „nur“ 200,00 € und wird dabei erwischt. Was macht der clevere Bursche, der täglich captain-huk.de liest? Er rät der Bestohlenen, sich nicht aufzuregen bei einem nicht bedeutenden Schaden. Bitte liebe Richterin, mal raus mit der Sprache, wie ein Geschädigter bei Schäden von möglicherweise auch deutlich unter 1000,00 € denn den Schadennachweis führen soll, den das Gesetz zu Recht fordert ?
Primär steht als Grundlage für den Schadenersatzanspruch die beweissichernde Funktion des „Schadengutachtens“ nach wie vor im Vordergrund. Noch nie davon gehört? Die Beseitigung von unfallbedingten Lackschäden erfodert nach überschläglicher Schätzung einer Werkstatt 650,00 € an Lackierungskosten, obwohl nach Ansicht des Schädigers nicht viel zu sehen ist. Ein nicht bedeutender Schaden nach allgemeiner oder nur ihrer Verkehrsanschauung? Und was wäre bei relativer Fahrzeugneuwertigkeit mit einem Technischen und merkantilen Minderwert und mit der Offenbarungspflicht ? Selbst ein Schaden von 1000,00 wäre nach Ihrer Theorie als Bagatellschaden nicht offenbarungspflichtig. Da haben Sie aber in Ihrer Rechtsauffassung ganz schön gesaut und Ihre letzte Überlegung am Schluss dieses Urteils ist überirdisch verstrahlt, wenn es da heißt:
„Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese Begrifflichkeit nicht zu parallelisieren und eine einheitliche Rechtsordnung herzustellen.“
Dann parallelisieren Sie mal schön weiter auf Ihrem Weg zu einer Ihrer Meinung nach einheitlichen „Rechtsordnung“ und vielleicht reicht es ja auch noch für einen kleine Boschüre mit dem Titel:
„Die schadenersatzrechtliche Bedeutng des § 142 StGB für die Erstattung von Gutachterkosten bei einer momentanen Obergrenze von 1000,00 € für Bagatellschäden.“
Vielleicht verlege ich dann diese kleine Broschüre sogar für Sie.-
Freundlichst
Knurrhahn
Richterin des AG Halle hat offenbar den § 142 StGB nur oberflächlich gelesen
Unfallflucht – Taxifahrer – Bagatellunfall liegt bei 50,00 Euro
OLG Nürnberg
Az: 2 St OLG Ss 300/06
Beschluss vom 24.01.2007
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat in dem Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 24. Januar 2007 einstimmig beschlossen:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts … vom 28. August 2006 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Revisionsführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht … hat den Angeklagten am 15.5.2006 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 20,– verurteilt und ihm wegen „fahrlässigen Verstoßes gegen eine Vorschrift über das allgemeine Verhalten im Straßenverkehr“ eine Geldbuße von EUR 35,- auferlegt.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht … am 28.8.2006 als unbegründet verworfen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts warteten der Angeklagte und der Zeuge … – jeweils als Fahrer ihres Taxis – auf dem Bahnhofsvorplatz in … in einer ganzen Reihe von Taxen auf Fahrgäste. Als der Taxifahrer … wegen einer vor ihm entstandenen Lücke nachrücken wollte, versuchte der Angeklagte, links an dem Taxi des Zeugen vorbeizufahren und vor diesem wieder in die Reihe der wartenden Taxen einzuscheren. Dabei streifte der Angeklagte mit der Beifahrertüre seines Taxis aus Unachtsamkeit den linken Außenspiegel des Taxis des genannten Zeugen. An diesem Spiegel entstand ein Sachschaden von ca. EUR 59,–. Obwohl der Zeuge ihn aufforderte, ihm seinen – des Angeklagten – Namen zu nennen und die notwendigen Feststellungen zum Schaden zu treffen und obwohl der Angeklagte den Unfall bemerkt und erkannt hatte, „dass ein nicht völlig unbedeutender Fremdschaden entstanden war, und dass der Unfallgegner seine Personalien forderte, lud er Passagiere in seinen Wagen und fuhr fort, ohne die erforderlichen und geforderten Feststellungen zu ermöglichen. Er verwies den Geschädigten … lediglich auf die Taxinummer und erklärte, er solle sich mit seinem Taxiunternehmer, für den er das Taxi fuhr in Verbindung setzen“ (BU S. 7).
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO), aber unbegründet.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Näherer Ausführung bedarf nur, ob der Angeklagte seine aktive Feststellungspflicht nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB bei einem Unfall im Straßenverkehr verletzt hat.
a) Der Unfallbeteiligte muss nach dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglichen.
Über die passive Anwesenheitspflicht hinaus statuiert die Vorschrift damit eine Mitwirkungspflicht an der Aufklärung des Unfalls, die wegen des Spannungsverhältnisses mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, nach dem niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Strafverfolgung aktiv beizutragen (nemo tenetur se ipsum accusare), grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 142 Rn. 1; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 142 Rn. 2).
Der Unfallbeteiligte muss zugunsten der Feststellungsberechtigten die Angabe machen, an dem Unfall beteiligt zu sein. Ausreichend ist die Mitteilung, es komme in Betracht, dass das eigene Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Deshalb muss der Unfallbeteiligte zwar nicht notwendig seinen Namen nennen oder sich gar unter Vorlage von Personalpapieren ausweisen (vgl. BayObLG NJW 1984, 66/67; Cramer/Sternberg-Lieben a.a.O. § 142 Rn. 30; Kudlich in: Beck’scher Online Kommentar StGB Stand: 1.8.2006 § 142 Rn. 24). Die bloße Angabe der Taxinummer verbunden mit der Aufforderung, sich mit dem Taxiunternehmer in Verbindung zu setzen, führte aber jedenfalls dazu, dass der Geschädigte … keine Feststellungen über die Person des Angeklagten als Führer des Kraftfahrzeugs treffen konnte. Der Angeklagte hätte deshalb, solange der Geschädigte seine Anwesenheit verlangte, die Unfallstelle nicht verlassen dürfen (vgl. BayObLG a.a.O.).
b) Es handelte sich – was das Landgericht (ohne nähere Ausführungen zu dieser Frage) auch angenommen hat – um einen Unfall im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB.
aa) Allerdings ist ein „Verkehrsunfall“ nicht schon jedes schadenbehaftete Ereignis im Straßenverkehr. Schäden, die ganz unbedeutend sind, scheiden nach dem Schutzzweck des § 142 StGB, der den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Geschädigten sichern soll (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben a.a.O. § 142 Rn. 1; Tröndle/Fischer a.a.O. § 142 Rn. 11), aus.
Diese Bagatellgrenze ist allerdings bisher in Rechtsprechung und Rechtslehre nicht verbindlich herausgearbeitet worden. Sicher ist nur, dass sie sich im Laufe der Zeit nach oben verändert hat. Überwiegende Meinung – jedenfalls seit Einführung des Euro – dürfte sein, dass Beträge ab etwa EUR 20,- aufwärts nicht mehr als geringfügig anzusehen sind (so LG Mannheim Urt. v. 14.8.2002 – 11 O 225/02; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 142 Rn. 7; Zopfs in: Münchener Kommentar StGB 2005 § 142 Rn. 26 und Kudlich a.a.O. § 142 Rn. 4.2). Vielfach werden EUR 25,- (dafür OLG Jena StV 2006, 529; Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 142 StGB Rn. 28; Burmann in: Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 142 StGB Rn. 5; Tröndle/Fischer a.a.O. § 142 Rn. 11) oder – etwas unbestimmter – Beträge zwischen EUR 20,– und EUR 25,- genannt (OVG Münster NZV 2006, 53/54; OLG Naumburg Beschl. v. 7.4.2003 – 4 U 45/03; Geppert in: Leipziger Kommentar 11. Aufl. § 142 Rn. 34). Teilweise wird in der Judikatur von DM 100,- (so LG Gießen DAR 1997, 364) oder EUR 80,– (AG Lahr DAR 2005, 690) ausgegangen. Eine Extremposition nehmen die Kommentierung von Cramer/Sternberg-Lieben (a.a.O. § 142 Rn. 9) und Schild (in: Nomos Kommentar StGB 2. Aufl. § 142 Rn. 35) ein. Sie wollen die Minima-Schwelle erst bei EUR 150,–ansetzen.
bb) Freilich leiden viele der vorgenannten Ansichten in Literatur und Rechtsprechung daran, dass sie für die jeweilige Wertgrenze entweder überhaupt keine oder jedenfalls keine die jeweilige Angabe tragende Begründung angeben.
Teilweise werden nur die ursprünglichen, noch auf Deutsche Mark lautenden Wertgrenzen halbiert. Dies kann schon angesichts der fortschreitenden Geldwertminderung nicht überzeugen. Nicht zielführend ist auch eine Parallelisierung oder „Harmonisierung“ mit dem Strafantragserfordernis in § 248a (so auch Tröndle/Fischer a.a.O. § 142 Rn. 11; a.A. – ohne nähere Begründung – Joecks Studienkommentar StGB 6. Aufl. § 142 Rn. 7 a.E.). Der Gesetzgeber hat den (unbestimmten) Gesetzesbegriff der Geringwertigkeit in § 142 StGB nicht ausdrücklich aufgegriffen. Deshalb ist auch das alleinige Abstellen auf den für sich genommen farblosen Begriff des „Unfalls“ kaum einer Rationalisierung der „Auslegungs“-Ergebnisse zuträglich. Zuletzt erscheint auch die Erwägung, die Anhebung der Bagatellgrenze würde Schutzbehauptungen Tür und Tor öffnen, zirkulär. Denn ist ein Verhalten in einer bestimmten Situation tatbestandlich neutral und damit objektiv straflos, kommt es für die Auslegung nicht auf etwaige Beweisschwierigkeiten zum Subjektiven an.
cc) Auszugehen ist daher vom Schutzzweck des § 142 StGB.
Ein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche entfällt dann, wenn wegen der Geringfügigkeit des entstandenen Schadens die zwischen den Beteiligten entstandenen Rechtsbeziehungen so unbedeutend sind, dass Ersatzansprüche regelmäßig nicht geltend gemacht werden (so auch BayObLG NJW 1960, 832, 833; Geppert a.a.O. § 142 Rn. 32; Zopfe a.a.O. § 142 Rn. 26; Lackner/Kühl a.a.O. § 142 Rn. 7).
Dies kann vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Geschädigte den Schaden vernünftigerweise nicht beseitigen wird, eine nennenswerte Wertminderung nicht eingetreten ist und auch die Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Zu denken ist etwa an Kratzspuren, die entweder ganz leicht sind und nicht ins Auge fallen oder die zwar für sich allein betrachtet stärker sind, denen jedoch wegen des schlechten Erhaltungszustandes des Fahrzeugs keine weitere Bedeutung zukommen kann (so bereits BayObLG NJW 1960, 832, 833). Zu wenig am Rechtsgut orientiert ist daher das Abstellen auf ein zu erwartendes Verhalten eines „durchschnittlichen Geschädigten“, der sich nicht zusätzlicher Hilfsmittel wie etwa einer Rechtsschutzversicherung bedienen und sich nicht auf das Risiko bezüglich Kostenaufwand und Zeitaufwand eines Zivilprozesses oder auch nur anwaltschaftlichen Beistandes oder der Erholung eines Sachverständigen-Gutachtens einlassen wird (so aber AG Alzenau DAR 1977, 136 f.). Denn auf die Geltendmachung des Schadens im Prozesswege oder über die Rechtsschutzversicherer kommt es vor dem Hintergrund des im geltenden Recht weit in den Vermögens-Gefährdungsbereich vorverlagerten Schutzes des § 142 StGB gerade nicht an (vgl. – auch zur Kritik an der gesetzlichen Regelung – Tröndle/Fischer a.a.O. § 142 Rn. 2).
Nach alldem ist der Schwellenwert nicht nur angesichts der allgemeinen Preissteigerung, sondern insbesondere wegen der Verteuerung von Autoreparaturen in den letzten Jahren – in einschlägigen Presseberichten werden unter Berufung auf Erhebungen des ADAC Steigerungen bei den Reparaturkosten um bis zu 85 % genannt – derzeit bei EUR 50,- anzusiedeln.
2. Schließlich sind auch die Ausführungen des Landgerichts zum subjektiven Tatbestand der Verkehrsunfallflucht frei von Rechtsfehlern.
Beim subjektiven Tatbestand der Fahrerflucht reicht es aus, wenn das Gericht in seiner Beweiswürdigung bei Annahme des zumindest bedingten Vorsatzes des Angeklagten feststellt, diesem sei bekannt gewesen, dass der durch die Kollision entstandene Fahrzeugschaden erhebliche Beseitigungskosten verursachen könnte (vgl. BayObLG DAR 2002, 38; OLG Jena StV 2006, 529). Dies ergibt sich hier schon daraus, dass ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts das Verhalten des Angeklagten – Angabe der Taxinummer in Verbindung mit der Erklärung, der Geschädigte solle sich mit dem Taxiunternehmen in Verbindung setzen – nach seiner eigenen Einlassung dem Zweck dienen sollte, den entstandenen Schaden zu regulieren (BU Bl. 7).
III.
Die Revision wird daher auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 27.11.2006 nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch einstimmig gefassten Beschluss verworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Was ich noch sagen wollte….
Die Richterin L. hat in der Vergangenheit sehr gute Entscheidungsgründe in Ihren Urteilen erklärt (siehe Liste CH) doch dann nahm Sie Platz im Präsidium neben Richterin E. und das willkürliche rechtswidrige Unheil nahm auch bei Richterin L. Einzug. Richterin E. ist übrigens diejenige die das Urteil des OLG Naumburg in 2006 mit unterschrieben hat. Doch Richterin E. kann sich an ihr eigenes sehr gutes und oft zitiertes Urteil nicht mehr erinnern. Kennt eigentlich jemand den Eintrittspreis dieser Achterbahn und würde mir die Versicherungswirtschaft diese Fahrt auch spendieren?
Mit Richterin L. wird es hier bald noch viel schlimmer, denn damals hat sie nur den Unsinn vom Bagatellschaden beschrieben und heute werden auch die Gutachterkosten nach JVEG gekürzt. Mit Freude nahm sie die Verschwörung aus München zur Kenntnis und hatte nichts besseres zu tun, als diesen JVEG Unsinn in ihren Entscheidungsgründen zu dokumentieren. Ihr wurden die JVEG verneinenden BGH Rechtsprechungen inklusive der Vorinstanzen (JVEG auch nicht mit den Nebenkosten) erklärt und ihre Antwort war, zur Freude der Versicherungswirtschaft, „ich bin nur dem Gesetz verpflichtet mich interessiert der Bundesgerichtshof nicht.“
Wenn ich das nun richtig deute, so erklärt sie, am Bundesgerichtshof gibt es nur Pappnasen, die sich nicht an das Gesetz orientieren, oder?
Mit der 700-750 € Bagatellgrenze gab es einen Rechtsfrieden, welches Interesse hat nun Richterin L., diese Rechtssicherheit zu zerstören und wem dient auch dieses Verhalten?
Zitat Spiegel:
Der Deutsche Anwaltverein hat vor einigen Monaten rund 1250 Rechtsanwälte vom Meinungsforschungsinstitut Forsa zum Verhalten von Versicherungen befragen lassen. 70 Prozent gaben an, dass sich die Schadensregulierung in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert habe. Sie klagten über längere Bearbeitungszeiten und Verzögerungstaktiken, immer wieder wiesen Versicherungen ungerechtfertigt Leistungen zurück, teilweise ignorierten sie sogar „bewusst“ die geltende Rechtsprechung, so die Antworten an Forsa.
„… immer wieder wiesen Versicherungen ungerechtfertigt Leistungen zurück ….“
Wo bleiben die Strafanzeigen?
@Iven Hanske
„Wenn ich das nun richtig deute, so erklärt sie, am Bundesgerichtshof gibt es nur Pappnasen, die sich nicht an das Gesetz orientieren, oder?“
Ganz Unrecht hätte sie dabei nicht. Denn eine gibt es auf alle Fälle. Siehe hierzu VI ZR 357/13, die BGH-Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung seit 2009 und die BGH-Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten seit 2002. Auch der umstrittene „Nebensatz“ aus VI ZR 67/06 diente offensichtlich schon als Vorbereitung auf VI ZR 357/13. Bei BGH-Urteilen, die sich – zum Wohle der Versicherungswirtschaft – gegen § 249 BGB stellen, taucht immer wieder der selbe Name auf. Es dürfte wohl auch kein Zufall sein, dass gerade dieser BGH-Richter seit einiger Zeit die Schmezensgeldtabelle „verwaltet“? Denn bei dieser Schadensersatzposition geht es um richtig viel Geld für die Versicherungswirtschaft. Und dabei will die Versicherungswirtschaft natürlich ein Wörtchen mitreden? Von den unzähligen Seminaren, die für Versicherer bzw. deren nahestehende Organisationen abgehalten werden, erst gar nicht zu reden.
Gemäß ARD Beitrag vom 17.08.2015 gibt es außerdem noch jede Menge andere „Pappnasen“ in der Justiz, die den Versicherern „wohlgesonnen“ sind. Auch der Beitrag im Spiegel vom 18.07.2015 bringt hierzu etwas Licht ins Dunkel.
Die Vorgänge in Halle sind nur Bausteine eines Puzzles.
Die Justiz ist durch die Versicherer unterwandert vom AG bis zum BGH. Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat ist demnach nichts weiter als eine schöne Illusion.