Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir beginnen heute morgen unsere Urteilsreise in Frankfurt am Main. Nachfolgend geben wir Euch hier ein prima Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die Allianz Versicherung bekannt, wie wir meinen. Hervorragend hat das erkennende Gericht die Situation nach der erfolgten rechtmäßigen Abtretung nach § 398 BGB behandelt. Der ursprüngliche Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vollständigen Sachverständigenkosten bei vollständiger Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung war in der Person des Unfallopfers entstanden. Auch nach erfolgter Abtretung bleibt es ein Schadensersatzanspruch. Die Abtretungsvereinbarung verändert den Rechtscharakter der der Atretung zugrunde liegenden Forderung nicht. Wenn das auch andere Gerichte erkennen könnten, was die Studenten der Rechtswissenschaften in den ersten Semestern erfahren, dann würde es nicht zu vielen Fehlentscheidungen kommen, in denen nach der Abtretung werkvertragliche Gesichtspunkte geprüft werden. Lest daher selbst diese prima Entscheidung des erkennenden Amtsrichters der 30. Zivilabteilung des AG Frankfurt am Main vom 17.7.2015 und gebt dann anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 30 C 1794/15 (25)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Deutsche Verrechnungsstelle AG vertr. d. d. Vorstand, Schanzenstr. 30, 51063 Köln
Klägerin
gegen
Allianz Vers. AG vertr.d.d. Vorstand, Königinstr. 28, 80802 München
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht Dr. H. im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO mit Verfahrensstand vom 17.07.2015 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 169,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 17 StVG, 249, 398 BGB in Verbindung mit § 115 VVG ein Schadenersatzanspruch in Höhe der von der Beklagten nicht beglichenen Kosten für die Einholung des von dem Geschädigten in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens zu.
Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Der Geschädigte trat seinen Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten an das Kfz-Sachverständigenbüro … und das Sachverständigenbüro trat den Anspruch weiter an die Klägerin wirksam ab (Anlage K3, Bl. 29 d.A.).
Der geltend gemachte Anspruch ist in seiner Höhe von 169,10 EUR berechtigt. Der Einwand der Beklagten, die dem Geschädigten in Rechnung gestellten Gebühren seien nicht angemessen und damit nicht ersatzfähig, dringt nicht durch. Aufgrund der alleinigen Beurteilung des Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten anhand ihrer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB kommt es auf die Frage der Üblichkeit der Vergütung i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage die BVSK-Honorarbefragung, eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten oder ein Zeithonorar zugrunde zu legen ist und ob und in welcher Höhe Nebenkosten abrechenbar sind, nicht entscheidungserheblich an.
Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sind gemäß § 249 BGB als Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, dem Grunde nach erstattungsfähig. Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung für zweckmäßig und notwendig halten durfte und in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung vorzunehmen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen ist. Dabei darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, ohne dass er vorher eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben muss. Daher genügt er regelmäßig der Darlegungslast, wenn er die Rechnung des Sachverständigen vorlegt. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet dabei ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des gemäß § 287 ZPO zu schätzenden erforderlichen Betrages (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90).
Hieran ändert sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts nichts dadurch, dass die Klägerin aus abgetretenem Recht des Geschädigten vorgeht. Denn es handelt sich um einen in der Person des Geschädigten entstandenen Anspruch. Bei der Frage der Erforderlichkeit der Kosten ist daher auch nach erfolgter Abtretung weiter auf die Person des Zedenten abzustellen.
So lange für den Geschädigten als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Verschulden bei der Auswahl des Sachverständigen zur Last fällt, kann der Geschädigte von dem Schädiger den Ausgleich der an den Sachverständigen gezahlten Aufwendungen verlangen. Anhaltspunkte für solch ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei seiner Entscheidung zur Beauftragung des Kfz-Sachverständigenbüros … oder für eine für den Geschädigten bei Beauftragung erkennbare Überhöhung von dessen Gebühren sind nicht ersichtlich. Dass die berechneten Gutachterkosten insgesamt eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei dem Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung aufkommen mussten, ist insbesondere unter Berücksichtigung der Aufschlüsselung der angefallenen Kosten im Einzelnen in der Rechnung vom 09.03.2015 (Bl. 28 d.A.) nicht erkennbar.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen.