Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend stelle ich Euch wieder ein positives Urteil zu den erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall vor. Leider hat der Einsender dieses Urteils keine Angaben zu der hinter dem persönlich verklagten Fahrzeugführer stehenden Kfz-Haftpflichtversicherung gemacht. Insoweit kann – leider – dieses Urteil keiner Urteilsliste zugeordnet werden. Deshalb hier noch einmal unser Aufruf, keine anonymisierten Urteile einzusenden. Die Anonymisierung machen wir von hier aus. Was natürlich auch geht, ist die Bekanntgabe des Versicherers entweder auf dem Urteil oder gesondert. Nun aber wieder zum Urteil des Amtsgerichts Magdeburg. Wir meinen, dass das erkennende Gericht interessante Ausführungen zur Anwendung bzw. Nichtanwendbarkeit des JVEG bei Privatgutachtern abgegeben hat. Lest selbst das Urteil des AG Magdeburg vom 12.8.2015 – 121 C 587/15 (121) – und gebt dann anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Magdeburg
121 C 587/15 (121)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagter
hat das Amtsgericht Magdeburg im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 03./05.08.2015 am 12.08.2015 durch die Richterin am Amtsgericht W. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2015 zu zahlen.
2. Die trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Verkehrs Unfall ein Anspruch auf Zahlung restlicher Anwaltsvergütung (Anm. d. Red.: gemeint war wohl Sachverständigenvergütung) i.H.v. 214,34 € zu. Die Einstandspflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auf die in Rechnung gestellten 933,32 € bereits 719,00 € gezahlt. Sie streiten um die Höhe der dem Kläger zu ersetzenden Sachverständigenkosten.
Die von dem Kläger insgesamt geforderten Sachverständigenkosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 BGB regelmäßig als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des im zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Beim Geschädigten bleibt jedoch das Risiko, ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen zu beauftragen, der sich später im Prozess als zu teuer erweist.
Im Streitfall hält sich die Vergütung des Sachverständigen im Rahmen des angemessenen. Die geltend gemachte Grund-Vergütung wird von der Beklagten der Höhe nach anerkannt. Sie wendet sich im Wesentlichen gegen die darüber hinaus geltend gemachten weiteren Kosten, wobei Sie bei Ihrer Berechnung Fahrtkosten gar nicht, Fotokosten lediglich i.H.v. 16,00 € für 8 Farbseiten und 16,20 € für neu geschriebene Originalseiten und 15,00 € an Auslagen in Ansatz gebracht hat. Warum der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der dem Sachverständigen entstandenen Fahrtkosten haben soll, ist nicht ersichtlich. Es ist nachvollziehbar, dass der Sachverständige zur Begutachtung des Fahrzeugs sich zu der Werkstatt begeben musste. Die hierfür in Ansatz gebrachten Kosten gehen auch nicht über das hinaus, was nach dem JVEG für Fahrtkosten zu tragen wäre. Bringt man nur eine halbe Stunde an Fahrtzeit in Ansatz, ergeben sich bereits Honoraransprüche i.H.v. 50,00 € netto. Fügt man die Fahrzeugkosten hinzu, erscheint der geltend gemachte Betrag keinesfalls übersetzt. Zwar mögen bei den Positionen Fotokosten, Schreibkosten sowie Kopien die nach dem JVEG zu zahlenden Gebühren überschritten sein. Daraus folgt indes nicht, dass die in Ansatz gebrachten Kosten überhöht sind, da das JVEG allenfalls Anhaltspunkte für eine Angemessenheit der geltend gemachten weiteren Kosten, nicht jedoch die unbedingt einzuhaltende Obergrenze darstellt. Abgesehen davon erscheint es angemessen, wenn außergerichtlich bestellte Sachverständige neben dem Grundhonorar auch die Gebühren gesondert erstattet bekommen können, die auch bei einer Honorierung gemäß JVEG nicht bereits im Grundhonorar inbegriffen sind.
Der Kläger durfte bei Beauftragung des Sachverständigen davon ausgehen, dass die zu erwartenden Sachverständigenkosten verhältnismäßig sein würden. Unabhängig davon, ob die in Rechnung gestellten Kosten überhöht sind oder nicht, bestand für den Kläger keine Veranlassung davon auszugehen, dass unverhältnismäßig hohe Kosten für die Erstattung des Gutachtens entstehen würden. Nur dann wäre ihm ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen. Die tatsächlich in Rechnung gestellten Kosten liegen nicht außerhalb jeden Verhältnisses zu den üblicherweise zu erwartenden Kosten. Bei Vergleich mit den Ansprüchen gemäß JVEG gegen die geltend gemachten Fotokosten 16,00 € höher, die Schreibkosten etwa 19,00 Euro und die geltend gemachten Kopie des Kosten etwa 10,00 € höher. Dies ist nicht so erheblich, dass es dem Kläger als unangemessene Vergütung quasi hätte ins Auge springen müssen. Hinzu kommen noch 12,80 € für die Inanspruchnahme von Fremdleistungen sowie insgesamt 20,00 € für Büromaterial und Kommunikation. Tatsächlich entstandene Kosten können grundsätzlich ersetzt verlangt werden. Die in Ansatz gebrachte Pauschale für Büromaterial und Kommunikation ist ebenfalls nicht zu beanstanden und überschreitet z.B. auch nicht in die Kostenpauschale, die von Rechtsanwälten grundsätzlich geltend gemacht werden kann. Von dem Kläger war nicht zu erwarten, dass er sich im Einzelnen mit der an Sachverständige zu zahlenden Vergütung auskennt und deshalb eine Überhöhung der Rechnung hätte erkennen müssen.
Da nach Abzug der bereits erfolgten Zahlung der Klageforderung verbleibt, weil der Klage insgesamt hinsichtlich der Hauptforderung stattzugeben.
Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.