Mit Urteil vom 22.09.2015 (716a C 22/15) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek die Halterin des bei der AachenMünchener Versicherung versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter SV-Kosten in Höhe von 69,73 € zzgl. Zinsen verurteilt. Ein Urteil, dass hinsichtlich der Kürzungen ohne Verweis auf BVSK auskommt. Allerdings werden die angefallenen Kosten einer Halterauskunft nicht zugesprochen, mit einer kritisch zu betrachtenden Begründung. Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Urteilsgründe:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
I.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigen in Höhe von 69,73 € nach den §§ 7, 17 StVG, 249 II BGB gegen die Beklagte zu. Die Geschädigte, Firma X hat ihren Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2015 an die Klägerin abgetreten. Die volle Haftung der Beklagten aus dem Unfallgeschehen ist zwischen den Parteien unstreitig. Es geht nur noch um restliche Sachverständigenkosten.
Die nach einem Verkehrsunfall regelmäßig anfallenden Kosten für die Ermittlung der Höhe des eingetretenen Sachschadens gehören zu den nach § 249 II BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Dies ist vorliegend mit Kosten in einem Umfang von 564,73 € netto der Fall.
Zwar ist die Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihr Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Die Geschädigte ist dabei aber nicht zu einer Erforschung des ihr zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06). Dies würde in der praktischen Umsetzung auch deshalb schwierig sein, da sich jedenfalls das Grundhonorar der meisten Sachverständigen nach der Schadenshöhe berechnet, die bei Auftragserteilung gerade noch nicht bekannt ist, sondern erst ermittelt werden soll. Deshalb können Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten nur erhoben werden, wenn die Geschädigte ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung evident und für die Geschädigte als Laien erkennbar ist (vgl. auch OLG Naumburg vom 20.1.2006 – 4 U 49/05).
Nach BGH vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 kommt der Rechnung über die Sachverständigenkosten zwar nur dann eine entsprechende Indizwirkung für die Erforderlichkeit zu, wenn die Geschädigte den Sachverständigen bereits bezahlt hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Andererseits weist der BGH in der Entscheidung darauf hin (dort Rn 14), dass der Anspruch der Geschädigten auf Befriedigung ihres Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht lediglich auf den Ausgleich von ihr bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet ist. Für die Frage der Erforderlichkeit der eingegangenen Verbindlichkeit gegenüber dem Sachverständigen ist entscheidend, ob die im Raum stehenden Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Sie ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihr Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern sie die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation der Geschädigten, insbesondere auf ihre Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13, Rn 15). Auch in dieser Entscheidung, in welcher ein Sachverständiger aus abgetretenem Recht klagt, hat der BGH auf die Sicht des Geschädigten abgestellt. Selbst wenn der Geschädigten – wie die Beklagte vermutet – der Kläger als Sachverständiger vermittelt oder empfohlen worden ist, ändert dies nichts. Es ist schon nicht klar, welchen Wissensvorsprung eine Geschädigte haben soll, wenn ihr von ihrer Werkstatt oder einem Rechtsanwalt wegen vorhandener professioneller Erkenntnismöglichkeiten – was immer das sein mag – ein Sachverständiger empfohlen wird. Eine solche unterstellte Empfehlung kann auch allein deshalb ausgesprochen worden sein, weil der Sachverständige als besonders gründlich gilt oder weil der kurzfristig zur Verfügung steht. Die Beklagte räumt schließlich in ihrer Klagerwiderung – zwei Absätze später- ein, dass es selbst für den Fachmann keine verlässlichen Größenordnungen gibt und deshalb für einen Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen ist, wann die Honorarsätze „die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen“.
Vorliegend hat die Klägerin in ihrem Auftrag auf die umseitig abgedruckte Honorartabelle verwiesen. Sie und die Geschädigte haben das Honorar der Höhe nach entsprechend der Honorartabelle der Klägerin vereinbart. Warum diese Vereinbarung gemäß § 307 I BGB unwirksam sein sollte, kann das Gericht nicht erkennen. Bei der Geschädigten handelt es sich immerhin um eine im Handelsregister eingetragene Firma, die mit der Einbeziehung von AGB in Verträge geübt sein dürfte. Dies kann allerdings auch dahinstehen. Denn auf die Frage, ob und welches Honorar der Sachverständige mit der Geschädigten vereinbart hat oder ob das begehrte Honorar – wenn es keine Vereinbarung gibt – üblich und angemessen im Sinne des § 632 II BGB ist, kommt es im Rahmen des Schadensersatzprozesses jedoch nicht an. Maßgeblich ist allein, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Dass die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch an die Klägerin abgetreten hat, ändert daran nichts. Denn der Erstattungsanspruch der Geschädigten verändert sich nicht durch die nach § 398 BGB erfolgte Abtretung des Anspruchs an den Sachverständigen, sondern wahrt seine Identität. Dass vorliegend eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht nicht erkennen. Die Menge der Rechtsstreitigkeiten über einen noch ausstehenden Bruchteil der Sachverständigenkosten und die dazu ergangenen – zum Teil sich widersprechenden – Urteile machen deutlich, wie vielschichtig und unübersichtlich diese Thematik ist und wie unterschiedlich das Thema rechtlich beurteilt wird. Ein Laie, der in der Regel keine Kenntnis von diesen Rechtsstreitigkeiten hat, wird daher nicht beurteilen können, ab welcher Höhe Foto- oder Fahrtkosten noch angemessen oder schon überhöht sind. Aus der Vielzahl der Rechtsstreitigkeiten aus dem Verkehrszivilrecht ist dem Gericht auch nicht bekannt, dass Sachverständige deutlich unter den hier streitgegenständlichen Sätzen und Preisen abrechnen.
Ein Auswahlverschulden der Geschädigten ergibt sich auch nicht daraus, weil die Geschädigte nicht ein Sachverständigenbüro beauftragt hat, welches nur 3 Kilometer von ihr entfernt liegt, weil dann geringere Fahrtkosten entstanden wären. Völlig unbekannt ist nämlich der Umstand, ob dieses näher gelegene Sachverständigenbüro die Fahrtkosten nicht mit einer Pauschale abgerechnet hätte, was zulässig ist, und im Ergebnis nicht günstiger gewesen wäre.
Dass vorliegend eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht weder für das Grundhonorar noch für die berechneten Nebenkosten erkennen. Jedenfalls wäre es für die Geschädigte nicht von vornherein erkennbar gewesen, dass die Abrech-nungsart der Klägerin willkürlich überhöht und im Missverhältnis zur Leistung stünde. Die Nebenkosten fallen vielmehr bei einer nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung nicht aus dem Rahmen, so dass die Grenze der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 II BGB überschritten wäre. Im Rahmen des Schadensersatzprozesses geht es gerade nicht darum – wie im Werkvertragsrecht – welche Aufwendungen tatsächlich angefallen sind und was als angemessen anzusehen ist, sondern nur darum, ob die begehrten Kosten willkürlich und derart evident überhöht sind, dass die Grenze des § 249 II BGB überschritten ist.
Die Kosten für die Halteranfrage kann die Klägerin demgegenüber nicht erstattet verlangen, da die Geschädigte mit diesen Kosten – wie sich aus der Rechnung (Anlage K4) ergibt – nicht belastet wurde.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 I, 288 I BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 IV ZPO nicht vorliegen.
Soweit das AG HH-Wandsbek.