Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Stralsund kehren wir nach Saarlouis zurück. Nachfolgend veröffentlichen wir für Euch hier ein positives Urteil des Amtsgerichts Saarlouis zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Versicherungsnehmerin der HUK-COBURG. Da in den Schriftsätzen der HUK-COBURG-Anwälte fast immer von „Sachverständigengebühren“ gesprochen wird, hat leider der erkennende Amtsrichter des AG Saarlouis auch in diesem Urteil den falschen Begriff der „Sachverständigengebühren“ verwandt. Über diesen Mangel kann man allerdings in Anbetracht der ansonsten ordentlichen Begründung ausmahmsweise hinwegsehen. Denn in der Urteilsbegründung ist alles vertreten: Von der Rechtsprechung des BGH über die Rechtsprechung des Saarländischen OLG bis hin zur Rechtsprechung des LG Saarbrücken, wobei allerdings nicht darauf hingewiesen wurde, dass das zitierte Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – nicht rechtskräftig ist. Die dort von der „Freymann-Kammer“ angeführte JVEG-Überprüfung im Rahmen der Nebenkosten wird in dem anhängigen Revisionsverfahren vom BGH erst noch überprüft. Dabei wird der BGH dann auch auf seine bisherige Rechtsprechung aus dem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) zurückkommen müssen. Bekanntlich hatte er dort entschieden, dass die vom LG Frankfurt/Oder vorgenommene Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlich bestellter Sachverständiger auf Privatgutachter nicht angebracht ist. Das LG Frankfurt /Oder hatte die Kosten des Privatgutachters Q. sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch hinsichtlich der Nebenkosten am JVEG gemessen. Das hatte der BGH revisionsrechtlich beanstandet. Daher ist die Argumentation der Berufungskammer des LG Saarbrücken in dem Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – , wonach der BGH die Übertragung des JVEG nur auf die Ingenieurleistungen, also das Grundhonorar , bezogen habe, schlichtweg falsch. Auch einer für Verkehrsrecht spezialisierten Berufungskammer am LG Saarbrücken obliegt es, die BGH-Rechtsprechung korrekt anzuwenden. Warten wir daher ab, was der BGH dazu sagt. Lest aber selbst das Urteil aus Saarlouis und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
24 C 1820/14(10)
Amtsgericht Saarlouis
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger …
Kläger
gegen
HUK VN
Beklagte
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht M.
im schriftlichen Verfahren am 19.08.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 423,59 € nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.01.2011 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
(gemäß § 495a ZPO)
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.
Unstreitig ist die Beklagtenseite gemäß §§ 7, 18 StVG aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfallereignis in Saarlouis für die eingetretenen materiellen Schäden vollständig einstandspflichtig.
Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht gemäß der Abtretung vom 04.11.11 gegenüber der Beklagtenseite ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenliquidationen in Höhe von 423,59 € zu. Der Kläger wurde von dem Unfallgeschädigten beauftragt, ein Sachverständigengutachten über die entstandenen Schäden zu erstellen. Diese Leistung liquidierte der Kläger mit einem Gesamtbetrag von 667,59 €. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursacher zahlte vorgerichtlich einen Betrag hierauf in Höhe von 244,00 €.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH NJW 2014, 3151, Rz. 15; BGH VersR 2014, 474, Rz. 7; BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 160, 377, 383; NJW 2005, 1108). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, BGHZ 163, 362, 367f.). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH, VersR 2004, 1189, 1190 f.). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1451 m.w.N. = DS 2007, 144 mit Anm. Wortmann).
Grundsätzlich darf der Sachverständige gegenüber dem Geschädigten sein Honorar nach billigem Ermessen gemäß §§ 315, 316 BGB bestimmen. Dies bedeutet nicht freies Belieben, sondern Ausrichtung an sachlichen, den Interessen von Geschädigten und Sachverständigen berücksichtigenden Gründen. Das Sachverständigenbüro … hat im vorliegenden Fall gemäß den Richtlinien im Rahmen der Honorarbefragung 2013 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen abgerechnet. Das geltend gemachte Grundhonorar bewegt sich innerhalb des dort ermittelten Korridors, so dass es der Höhe nach nicht zu beanstanden ist (vgl. Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer des LG Saarbrücken NJW 2012, 3658-3663; zuletzt Urteil vom 19.12.2014 AZ: 13 S 41/13, Rz. 26, – zitiert nach juris). Dass eine solche Abrechnung grundsätzlich zulässig ist, ist durch die Rechtsprechung des BGH anerkannt (vgl. BGH VersR 2014, 474 Rz. 10; BGH NJW 2007, 1450, 1451; BGH NJW 2006, 2472; NJW-RR 2006, 123, 124). Es entspricht auch der Üblichkeit, dass Sachverständige im Gerichtsbezirk pauschal das Grundhonorar abrechnen, wie dem Gericht aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bekannt ist. Gründe, weshalb hier eine pauschale Abrechnung nicht angemessen sein soll, sind nicht ersichtlich.
Schlussendlich kommt es noch nicht einmal auf die Frage an, welche Vergütung bei fehlender Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen von Letzterem nach „billigem Ermessen“ gem. § 315 Abs. 1 BGB bestimmt werden könnte. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1451). Demgemäß konnte das Gericht gemäß § 287 ZPO den erforderlichen Aufwand des Geschädigten schätzen, ohne dass hierfür ein Sachverständigengutachten eingeholt werden musste.
Die berechneten pauschalen Gutachterkosten mit 341,00 € liegen genau an der vom Landgericht gebilligten Grenz des Honorarkorridors V bei einem Netto-Schaden bis 2.000,00 € (vgl. LG Saarbrücken NJW 2012, 3658, Tz. 31).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt im Übrigen der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH in Versicherungsrecht 2014, 474). Deshalb obliegt es dem Schädiger, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies dem Geschädigten auch erkennbar war. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige die branchenüblichen Preise deutlich übersteigende Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, gebietet es das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist vorliegend festzustellen, dass die Beklagtenseite nicht ausreichend und konkret dargelegt hat, weshalb der Geschädigte nach seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten die Rechnung des Sachverständigen … vom 05.01.2011 als unbillig oder jedenfalls erkennbar wesentlich überhöht ansehen musste. Nach der gebotenen subjektbezogenen Betrachtungsweise wären hierzu Ausführungen erforderlich gewesen, weshalb dem Geschädigten gerade als Laie die Überhöhung zwingend hätte auffallen müssen und der Sachverständige vorliegend im Vergleich zu einem repräsentativen Durchschnitt der Kfz-Gutachter nicht nur wesentlich, sondern deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen abrechnet (BGH VI ZR 225/13 Rn. 8). Die Beklagte trägt auch vorliegend hierzu lediglich pauschal vor, dass die Überhöhung einem Laien auf Anhieb erkennbar sei.
Soweit weitgehend wiederum lediglich formularmäßig bestritten wird, dass neben einem Grundhonorar Nebenkosten gesondert berechnet werden können, ist eine solche Berechnungsweise längstens höchstrichterlich (BGH VI ZR 357/13) als auch durch die saarländischen Gerichte (Saariändisches Oberlandesgericht, 4 U 61/13, 4 U 46/14, Landgericht Saarbrücken 13 S 109/14) anerkannt bzw. akzeptiert. Hierbei ist auch die angegriffene gesonderte Berechnung einer EDV-Abrufgebühr anerkannt (Landgericht Saarbrücken aaO). Im Hinblick auf die Nebenkosten war es weiterhin für den Geschädigten angesichts der auch in der Rechtsprechung herrschenden unterschiedlichen Auffassungen über die Höhe der berechtigten Nebenforderungen nicht ersichtlich, dass die von dem Sachverständigen … berechneten Kosten erkennbar überhöht waren.
Nach alledem ist die Beklagtenseite zur Erstattung der vollen Sachverständigengebühren (gemeint sind die -kosten, Anm. des Autors) verpflichtet. Da auf den Rechnungsbetrag in Höhe von 667,59 € nur 244,00 € gezahlt wurden, sind weitere 423,59 € noch zu zahlen.
Die Verzugszinsen finden ihre gesetzliche Grundlage in §§ 286, 288 BGB. Die Höhe der geltend gemachten Zinsen entspricht dem gesetzlichen Zinssatz.
Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO). Auch hat die Beklagte nicht vorgetragen, hinsichtlich welcher konkreten Rechtsfragen die Berufung zugelassen werden soll. Insoweit liegen ebenfalls nur formularmäßige Ausführungen in Bausteinform vor.