Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Herne geht es weiter in die Nachbarstadt Gelsenkirchen. Hier und heute veröffentlichen wir ein Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG mit positiver Begründung. In diesem Fall hatte die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem sogenannten Erstinformationsschreiben, was auch immer das sein soll?, von dem Unfallopfer verlangt, bevor er einen unabhängigen Sachverständigen beauftragt, zunächst Preisvergleiche anzustellen. Diese Forderung der HUK-COBURG ist nicht relevant, da sie gegen die Rechtsprechung des BGH verstößt, denn dieser hat bereits mehrfach entschieden, dass der Geschädigze zu einer Markterforschung bezüglich des günstigsten Sachverständigen nicht verpflichtet ist (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; BGH DS 2014, 90 Rn. 7). Das von der HUK-COBURG angegebene Honorartableau ist ebenfalls nicht maßgeblich, denn es ist eine vom Versicherer selbst gefertigte Tabelle, die keine Außenwirkung besitzt. Dem deutschen Recht ist es fremd, dass der Schädiger oder dessen Versicherer die Höhe des Schadensersatzes bestimmt. Es kommt maßgeblich darauf an, was der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung bzw. bei Erhalt der Rechnung für „erforderlich“ gehalten hat und halten durfte. Auf die besonderen Schwierigkeiten und Einflussmöglichkeiten ist nämlich Rücksicht zu nehmen (BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 115, 375, 378; BGH DS 2007, 144; BGH VersR 2013, 1590 Rn. 19; BGH DS 2014, 90 ff Rn. 7). Daher hat zu Recht das erkennende Gericht hier das Erstinfoschreiben der HUK-COBURG ohne Bedeutung zurückgewiesen. Weshalb hier allerdings die MwSt bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten eingeklagt wurde, erschließt sich mir jedoch nicht. Ob hier eine Abtretung erfüllungshalber der an Erfüllungs Statt vorlag, beides geht im Urteil etwas durcheinander, ist nicht genau ersichtlich. Lest aber selbst das Urteil aus dem Ruhrgebiet und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
423 C 81/15
Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
Herrn … ,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
01.10.2015
durch die Richterin S.
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 31,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.01.2014 zu zahlen.
Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,16 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 73 % und der Beklagte zu 27 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet, im Übrigen dagegen nicht.
I.
Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung von 31,25 EUR aus § 398 BGB i.V.m. §§ 7 I StVG, 249 BGB verlangen.
Herr … (Zedent) hatte – was zwischen den Parteien nicht in Streit steht – vor der Abtretungserklärung an den Kläger einen Anspruch auf Erstattung seiner Sachverständigenkosten gegenüber dem Beklagten aus §§ 7 I StVG, 249 BGB, die ihm anlässlich des Verkehrsunfalls vom 17.09.2013 entstanden sind. Der Zedent erhielt seitens des Klägers, dem beauftragten KFZ-Sachverständigen, eine Rechnung für die Gutachtenerstellung über 534,19 EUR brutto. Diese Forderung ist in Höhe von 85,29 EUR (Umsatzsteueranteil) unbegründet, da der Zedent unstreitig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und ihm damit die Umsatzsteuer nicht als Schaden aus dem Unfallereignis entstanden ist.
Inhaber der Schadnesersatzforderung in Höhe von 448,90 EUR aus §§ 7 I StVG, 249 BGB ist der Kläger geworden, denn diese Forderung wurde dem Kläger seitens des Zedenten wirksam abgetreten, § 398 BGB. Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Abtretungserklärung vom 29.09.2013 bestehen nicht, denn zwischen dem Zedenten und dem Kläger wurde nur eine einzige Forderung begründet. Die Forderung ist der Höhe nach beziffert und die Inhaber waren bezeichnet. Anhaltspunkte, die eine Verwechselungsgefahr oder mangelnde Bestimmtheit der Forderung im Streitfall begründen würden, sind nicht substantiiert dargelegt worden und nicht ersichtlich.
In Höhe von 417,65 EUR war die Forderung unstreitig begründet und ist infolge Zahlung Teilerfüllung eingetreten, § 362 BGB.
Im Hinblick auf die offenstehende Restforderung in Höhe von 31,25 EUR ist weder Erfüllung eingetreten, noch kann der Beklagte sich mit Erfolg darauf berufen, dass die Reparaturrechnung des Sachverständigen überhöht sei und insoweit die Restforderung in Höhe von 31,25 EUR nicht bestehe.
Da der Kläger infolge Abtretung gem. § 398 BGB an die Stelle des Zedenten getreten ist, kann der Beklagte gegenüber dem Kläger dieselben Einwendungen erheben, wie (zuvor) gegenüber dem Zedenten, § 404 BGB. Auch wenn im Rahmen des abgetretenen Anspruchs zwischen den Unfallbeteiligten faktisch die Forderung des unfallgeschädigten Zedenten gegenüber dem Sachverständigen geltend gemacht wird, ist der Beklagte nicht bzgl. der Rechnungsforderung an die Stelle des Zedenten getreten. Die Einwendungen, die der Zedent gegenüber dem Kläger inne gehabt hätte, kann der Beklagte insoweit nicht erheben. Das Forderungsverhältnis Kläger ./. Zedent auf Rechnungsbegleichung ist bereits infolge Abtretung der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung als Leistung an Erfüllung statt vollständig erloschen. Anspruchsgrundlage dieses Rechtsstreits bildet nicht die Rechnungsforderung, sondern die abgetretene Schadensersatzforderung (bzgl. der Rechnungsforderung). Indem der Kläger an die Stelle des Zedenten getreten ist, kann der Beklagte – wie ausgeführt – damit auch nur diejenigen Einwendungen erheben, die ihm gegenüber dem Zedenten bzgl. der Schadenserstzforderung zugestanden hätten.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung in der Regel die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten ersetzt verlangen, es sei denn, dass diese deutlich über den marktüblichen Preisen liegen und diese Abweichung für den Geschädigten ohne Weiteres erkennbar war; eine Marktforschung muss er nicht betreiben (LG Stuttgart, Urteil vom 29. Juli 2015 – 13 S 58/14 -, juris).
Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf den Streitfall ist ein Ersatzanspruch des Klägers über den offenstehenden Restbetrag aus abgetretenem Recht gegeben. Dass der Zedent die Forderung für erforderlich/berechtigt gehalten hat, folgt aus der Erfüllung der Rechnungsforderung durch ihn. Dass dies durch Abtretung als Leistung an Erfüllung statt erfolgt ist, führt nicht dazu, dass die Forderung nicht erfüllt worden wäre. Es kann dahinstehen, ob die Forderung überhöht war, denn jedenfalls brauchte der Zedent – eine Überhöhung der Rechnungsforderung unsterstellt – die Zuvielforderung nicht zu erkennen. Unstreitig war eine Forderung im Verhältnis Kläger ./. Zedent in Höhe von 417,65 EUR berechtigt. Dass eine unterstellte Überhöhung der Forderung von 31,25 EUR sich einem verständigen und wirtschaftlich denkenden – nicht KFZ-Sachverständigen-Honorar-Sachverständigen -Menschen nicht aufdrängt, liegt in Anbetracht der geringen Höhe des Betrages von 31,25 EUR im Verhältnis zum Gesamtrechnungsbetrag auf der Hand. Insbesondere war der Zedent (auch nach Erhalt des Erstinfoschreibens) nicht zu Preisnachforschungen verpflichtet, denn eine Marktforschung muss er gerade nicht betreiben.
II.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.
III.
Im Hinblick auf einen Streitwert in Höhe des zuerkannten Betrages (= 31,25 EUR) kann der Kläger ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges die Erstattung seiner vorgerichtlichen Netto-Anwaltskosten verlangen. Aus einem Streitwert von 31,25 EUR folgen vorgerichtliche Netto-Anwaltskosten in Höhe von 70,16 EUR.
IV.
Nicht hingegen hat der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Umsatzsteuererstattung in Höhe von 85,29 EUR teilweise erledigt ist.
Wie zu Ziffer I. ausgeführt, hat ein dahingehender Erstattungsanspruch von Anfang an nicht bestanden. Es liegt kein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit vor. Der diesbezügliche Klageanspruch ist – wie ausgeführt – unbegründet.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.