Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
es gibt Urteile, da ist man einfach sprachlos. So ein Urteil ist das Urteil des Amtsrichters der 31. Zivilabteilung des AG Buxtehunde vom 21.10.2015. Ich habe zwar schon schlechtere Entscheidungen gelesen – aber nicht viele. Dieser Richter gebraucht zu allem Überfluss auch noch den falschen Begriff der „Gebühren“ bei den Sachverständigenkosten, obwohl die Privatgutachter derartige nicht berechnen. Dieses Wort hat er aber wohl aus den Schriftsätzen der HUK-COBURG-Anwälte – unreflektiert – übernommen, ohne nachzudenken, dass der betreffende Sachverständige solche gar nicht berechnet hat. Dann wird auch noch das JVEG zumindest teilweise übernommen, obwohl der BGH eine Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter mit Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – sowohl für das Grundhonorar als auch für die Nebenkosten – abgelehnt hat. Hierin ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Rechtsprechung des BGH zu ersehen. Man kann von der Rechtsprechung des BGH abrücken, dann muss man das allerdings begründen. Hier fehlt jegliche Begründung, warum plötzlich teilweise das JVEG anwendbar sein soll. Lest aber selbst das kritisch zu betrachtende Urteil aus Buxtehude zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK 24 AG und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. .
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht
Buxtehude
31 C 433/15 Verkündet am 21.10.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
HUK 24 AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten d. d. Vorstandsvorsitzenden Detlef Frank und Daniel Thomas, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Buxtehude auf die mündliche Verhandlung vom 30.09.2015 durch den Richter am Amtsgericht L. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 64,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 164,77 € festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 18.02.2015 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines restlichen Schadensersatzbetrages in Höhe von 64,40 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertragsgesetz.
Die Parteien streiten nicht hinsichtlich des Anspruchsgrundes sondern lediglich darüber, in welchem Umfang der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich der in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten Schadensersatzansprüche zustehen.
Diese Frage ist differenziert zu beantworten:
Die Klägerin hat als Unfallgeschädigte gemäß § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrages, wobei maßgeblich die Kosten sind, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Begehung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.
Unter Anlegung dieses Maßstabes ist eine Kürzung des Zahlungsbetrages, wie sie von der Beklagten vorgenommen worden ist, teilweise berechtigt, teilweise unberechtigt. Im Einzelnen gelten hierzu folgende Erwägungen:
Die Klägerin kann keine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 25,50 € geltend machen. Ein entsprechender Anspruch steht dem Sachverständigen gegenüber der Klägerin nicht zu. Es erschließt sich bereits nicht, auf welcher Grundlage der Ansatz einer solchen Pauschale berechtigt sein soll. Es käme allenfalls in Betracht, dass die Klägerin den tatsächlich bei dem Sachverständigen entstandenen Aufwand für erbrachte Fahrleistungen ausgleicht, auf Grundlage dessen, dass der Sachverständige eine entsprechende Berechnung in seiner Rechnung vornimmt. Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Aus der Rechnung des Ingenieurbüros … vom 24.02.2015 ergibt sich ein Ansatz von 34 km für die abgerechneten Fahrtkosten. Aus dem Briefkopf des Ingenieurbüros ergibt sich jedoch, dass dieses eine Anschrift in Wischhafen hat. Dies ist derselbe Ort wie derjenige, in dem die Klägerin ihren Sitz hat. Warum hier eine Fahrt von Hemmoor nach Wischhafen erforderlich geworden ist, wird nicht näher begründet.
Dies ist auch von der Klägerin zu erkennen gewesen.
Fahrtkosten sind demgemäß nicht anzuerkennen.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der in Rechnung gestellten Schreibkosten von 42,00 € netto.
Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage dem Sachverständigen eine Schreibgebührenpauschale zuzüglich Mehrwertsteuer zustehen sollte. Zu Recht weist die Beklagtenseite darauf hin, dass tatsächlich für den Sachverständigen gar keine Schreibaufwendungen, die neben dem Grundhonorar in Rechnung gestellt werden könnten, angefallen sind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Sachverständige das von ihm erstattete und abgerechnete Guthaben mit Hilfe eines einschlägigen EDV-Programmes erstellt hat. Das Anfertigen dieses Gutachtens gehört jedoch gerade zu der Kernleistung des Klägers als Gutachter und ist damit von dem in Rechnung gestellten Grundhonorar bereits erfasst. Zusätzliche Schreibarbeiten sind mit der Gutachtenerstellung ersichtlich nicht verbunden. Näheren Vortrag hierzu erbringt die Klägerin im Übrigen auch nicht.
Die Klägerin kann damit die von dem Gutachter in Rechnung gestellten Fotokosten ersetzt verlangen. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung an, die in Anlehnung an die Vorschriften des JVEG einen Betrag von 2,00 € je Foto anerkennen. Soweit die Beklagte vorbringt, eine Reihe von Fotos sein nicht erforderlich gewesen, da hierauf Schäden nicht erkennbar seien, kann nichts anderes gelten. Im Rahmen des Gutachtens ist es nicht ohne Belang, ob auch etwaige weitere Schäden an dem Fahrzeug vorhanden sind bzw. gerade nicht vorhanden sind. Auch die Feststellung etwaiger „Nicht-Schäden“ gehört zu den Aufgaben eines Sachverständigen, jedenfalls dann, wenn der Eintritt von Schäden in dem betroffenen Bereich möglich und denkbar ist.
Schließlich kann die Klägerin bzw. der von ihr eingeschaltete Sachverständige auch keinen Betrag in Höhe von 19,50 € als Porto- und Telefonkosten beanspruchen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes kommt hierzu allenfalls ein Betrag in Höhe von 10,00 in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, woraus sich der Betrag von 19,50 € zusammensetzt. Insoweit ist eine wertende Betrachtung erforderlich, bei der ein berechtigter Betrag von 10,00 € nicht überschritten wird.
Im Ergebnis ergibt sich damit ein Nettobetrag in Höhe von 64,40 €.
Als GmbH ist die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt, so dass diese lediglich den entstandenen Nettobetrag ersetzt verlangen kann, mithin 64,40 €.
Insoweit war der Klage in der Hauptsache stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.
Zinsen stehen der Klägerin auf den berechtigten Betrag gemäß §§ 286, 288, 280 BGB in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 2 in Verbindung mit § 511 Abs. 4 ZPO war vorliegend nicht vorzunehmen. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt den vorliegenden Rechtsfragen nicht zu. Ebenso erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichtes, zumal die vorliegende Problematik bereits Gegenstand diverser Rechtsstreitigkeiten gewesen ist, von denen zumindest weit überwiegend eine Berufungsmöglichkeit nicht bestand und auch kein Antrag zur Zulassung der Berufung gestellt wurde. Insoweit wäre auch bei einer Berufungszulassung eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht herzustellen.
Hallo, Willi Wacker,
dieses Urteil des AG Buxtehude ist ein schönes Beispiel für Jägerlatein. Der Richter stürzt sich gleich in die von der Beklagtenseite provozierte und gewünschte Überprüfung.
Er führt dazu erklärend aus:
„Die Klägerin hat als Unfallgeschädigte gemäß § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrages, wobei maßgeblich die Kosten sind, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Begehung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.“
Allerdings beherzigt er diese seine Erklärung nicht, sondern kürzt aus seiner eigenen Beurteilung ex post mit haarsträubenden Argumenten den Schadenersatzanspruch auf Erstattung der entstandenen Gutachterkosten.
Er ignoriert die vom BGH zugestandene und zu berücksichtigende ex ante-Sichtweise der Geschädigten und bescheinigt ihr damit negative Eigenschaften, so keine verständige und wirtschaftlich denkende Bürgerin der BRD zu sein.
Der dabei behauptete angelegte Maßstab beschränkt sich allerdings auf eine Fiktion.
Er ignoriert dabei einfach das vom BGH ausdrücklich angesprochene Überprüfungsverbot und den Hinweis, dass auch überhöhte Kosten der Regulierungsverpflichtung unterliegen.
Der erste Hammerschlag nach DDR-Marnier ist die Beurteilung abgerechneter Fahrtkosten. 34 km bedeutet doch wohl 17 km für Hinfahrt und 17 km für Rückfahrt. Wo das Unfallfahrzeug besichtigt wurde,war möglicherweise aus dem Gutachten zu ersehen und bei Unklarheiten hätte des Gericht um Aufklärung nachsuchen können.
Und dann sind wir schon beim 2. Hammerschlag. Gleichermaßen oberflächlich ist die Beurteilung und Abweisung der Schreibkostenpauschale. Diese und weitere Rechnungspositionen gehören nach Ansicht dieses Richters zu den „Kernleistungen“ des Sachverständigen.
Der Richter hat geflissentlich dabei übersehen, dass sich die Kernleistung nur auf die Beweisicherung und Prognosen erstrecken kann und das in Abhängigkeit von der Schadenhöhe. Nebenkosten jedweder Art sind hingegen unabhängig von der Schadenhöhe und da liegt die eklatante Fehleinschätzung in den Entscheidungsgründen.
Und der 3. Hammerschlag ist die Bezugnahme auf das Justizvergütungsgesetz als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Fotokosten.
Es fällt ins Auge, dass mit keinem Wort die pauschale Kürzung der HUK 24 angemerkt wird und auch nicht die BGH-Rechtsprechung, sowie das OLG Saarbrücken und weitere obergerichtliche Entscheidungen.
Ein Urteil mit augenscheinlichem Schmusekurs nach dem Geschmack der HUK 24 AG. Da werden sich die Initiatoren mal wieder kräftig auf die Schenkel geklopft haben.
Robbenvater
Etwa schon wieder ein Richterwechsel in der Abt. 31 C ?
@Willi Wacker
Bereits beim Lesen dieses Urteils frage ich mich, wie dort der Prozess gelaufen ist. M.E. wurde nicht hinreichend repliziert. Anders kann ich mir einen solchen Irrweg nicht vorstellen. Man muss einfach die ex ante-Sicht sowie die Beweislast in den Vordergrund rücken…..und bei den Ausführungen zum JVEG kommt zumindest mir die Gal*e hoch, denn was nicht anwaendbar ist, ist nicht anwendbar.
Es ist in der Sache doch gar nicht so schwierig, bereits bei Klageinreichung die wesentlichen Punkte der BGH-Rechtssprechung darzustellen, so dass die Replik mit Hinweisen auf selbige Klageschrift auskommt.
Ich kann dieses Urteil nicht nachvollziehen.
@ RA Schwier
Glauben Sie allen Ernstes, daß sich Gerichte immer und ausschließlich von guten Argumenten in Schriftsätzen überzeugen lassen?
Haben Sie noch nie erlebt, daß ein Gericht ein bestimmtes Ergebnis ausurteilt, weil es das für richtig hält, und die Begründung dann irgendwie hinbiegt, so daß es passt?
Hallo Herr Kollege Schwier,
das Urteil kann ich leider auch nicht nachvollziehen. Die mündliche Verhandlung in dieser Sache hat durchaus etwas länger gedauert. Vorgetragen war alles, auch die Entscheidungen z.B. des LG Hamburg und LG Oldenburg zu der Gesamtkostenbetrachtung. Das Gericht hat derzeit aber leider eine etwas festgefahrene und meines Erachtens auch falsche Rechtsauffassung.
Die Berufung war in dieser Sache leider nicht zugelassen worden. In einer anderen Sache liegt mir zwischenzeitlich ein Urteil des LG Stade vor, dass aber noch nicht rechtskräftig ist. Danach dürfte sich die Argumentation des Gerichts zumindest bei Geltendmachung durch den Geschädigten selbst erledigt haben.
@RA Schepers
@RACA
OK, dann sieht die Sache etwas anders aus. Im Strafrecht haben wir es „Dreckssacktheorie“ genannt. Da konnte die Revision oder die Beweisanträge noch so gut sein.
….und ja, wenn der Prozessverlauf so war, dann kann man nur im Dreieck springen.
Amtsgericht = Würfelgericht
Ich selbst habe ein Urteil vom Amtsgericht Salzgitter erhalten,
der Gegenspieler Privatklage gegen einen Rechtsanwalt.
Das Urteil eine Farce, ich sehe darin Korpsverhalten, ist aber nur eine Vermutung.
Mit diesen Urteilen wird der Rechtsstaat kaputt gemacht.
Seitdem wähle ich anders, die Politik kennt die Probleme.
Streitwerte unter 600 Euro sind nicht zur Berufung zugelassen,
dass heißt ein Richter kann sich austoben ob unter Alkohol, mentaler Probleme, oder als Narzist. Augen auf bei der nächsten Wahl.