Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum „Leipziger Allerlei“ gehört auch noch ein drittes Urteil, das wir Euch heute vorstellen. Wieder musste der erkennende Amtsrichter W. der 118. Zivilabteilung des AG Leipzig über eine Restschadensersatzklage wegen gekürzter Sachverständigenkosten entscheiden. In diesem Fall war es die LVM-Versicherung aus Münster in Westfalen, die meinte, rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten kürzen zu können. Auch in diesem Fall wurde die Rechnung ohne den entscheidenden Amtsrichter W. gemacht. Dieser hat die Rechtslage in seinen Urteilsgründen kurz und präzise auf den Punkt gebracht. Zutreffend hat sich das Gericht auch mit dem Urteil des OLG Dresden vom 19.2.2014 auseinandergesetzt und das Urteil als nicht anwendbar zurückgewiesen. Lest selbst das Urteil des AG Leipzig vom 7.8.2015 – 118 C 3396/15 – und gebt dann anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag
Willi Wacker
Aktenzeichen: 118 C 3396/15
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Verkündet am: 07.08.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
LVM Landwirtschaftlicher Versicherungeverein Münster a G., Koldering 21,48151 Münster, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht W.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2015 am 07.08.2015
für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 106,65 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemöß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit dem 24.06,2014 sowie 3,00 € Mahnkosten zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten54,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seitdem 12.05.2015 zu bezahlen.
3.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bezahlung von weiterem Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 22.03.2013 in Höhe von 106,65 € aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 BGB zu.
Unstreitig hat die Beklagte für sämtliche, dem Geschädigten entstandenen Schaden aus dem oben genannten Verkehrsunfall einzustehen, da der Verkehrsunfall auf ein alleiniges Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten zurück zu führen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten umtasst der Schadensersatzanspruch auch den noch offenen Teilbetrag der Sachverständigenkosten.
Auch die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die Kosten eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall zum erforderlichen Herstellungsaufwand zählen. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft dies auch für die noch mit der Klage geltend gemachten Beträge zu.
Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin abgerechneten Preise im Vergleich zu den bei Kollegen abgerechneten Tarifen überhöht sind, da der Schadiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens bezahlen muss. Von der Beklagten zu ersetzen sind die Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschadigten getätigt hatte.
Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Forderungen der Klägerin nicht unvernünftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Verkehrsunfall für die meisten Verkehrsteilnehmer glücklichenweise um ein singuläres Erlebnis handelt. Aus diesem Grunde hat der normale Unfallgeschadigte nicht die geringsten Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden.
Dies unterscheidet Sachverständigenkosten auch maßgeblich von Mietwagenkosten, da bei Mietwagenkosten die meisten sich der präsenten Werbung der Mietwagenunternehmen kaum entziehen können und vor diesem Hintergrund wohl ungefähre Vorstellungen haben was die Anmietung eines PKW kostet.
Aus diesem Grunde kann es letztlich auch dahin stehen, ob die vereinbarten Nebenkosten betriebswirtschaftlich angemessen oder ebenfalls überhöht sind. Auch insoweit gilt, dass der normale Geschädigte wohl keine Vorstellungen haben wird, welche Nebenkosten ein Sachverstandiger in seinem Gutachten abrechnet. Die Entscheidung des OLG Dresden, nach der die Nebenkosten auf 25 % der Gutachtenskosten zu begrenzen sind, vermag mangels nachvollziehbarer Begründung wie man auf diese Zahl kommt nicht zu überzeugen.
Die Nebenforderungen rechtfertigen sich aus §§ 286, 288 bzw. 249 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 106,65 EUR festgesetzt.
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KLASSE!
Ein Urteil, aus dem nichts herauszustreichen und nichts hinzuzufügen ist.
Großes Lob!
BRAVO – Es gibt sie also doch, die RICHTER, die ihren Job verstehen und ihn einfach umsetzen.