Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von der Nordsee geht es zur Bundeshauptstadt nach Berlin. Nachstehend geben wir Euch ein Urteil des Amtsgerichts Mitte in Berlin zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK 24 AG bekannt. Offensichtlich wurde seitens der beklagten HUK 24 AG wieder alles bestritten. Dieses Bestreiten ins Blaue hinein, was im Übrigen auch kein substantiiertes Vorbringen darstellt, hat die erkennende (junge) Richterin aber definitiv nicht beeindruckt. Zunächst hat sie zutreffend die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung angenommen und damit die Aktivlegitimation des klagenden Sachverständigen anerkannt. Im Übrigen verstößt die Berufung auf die Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, sofern die HUK 24 AG vorgerichtlich auf die Abtretungsvereinbarung hin Zahlungen an den Sachverständigen als Neugläubiger geleistet hat. Widersprüchliches Verhalten nennt der Jurist das spätere Bestreiten. Auch zur Klageforderung selbst hat sie zutreffend auf das Grunfsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH NJW 2014, 1947 ff = DS 2014, 90 ff.) hingewiesen. Lest aber selbst das Urteil des AG Mitte vom 17.9.2015 und gebt dann anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 21 C 3211/14 verkündet am: 17.09.2015
In dem Rechtsstreit
des Kfz-Sachverständigen … ,
Klägers,
gegen
die HUK24 AG, vertreten durch d. Vorstand Detlef Frank und Daniel Thomas, Willi-Hussong-Straße 2, 96442 Coburg,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 21, Littenstraße 12 -17, 10179 Berlin, im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27.08.2015 eingereicht werden konnten, durch die Richterin S.
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 102,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.08.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 102,15 Euro nebst Zinsen nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 398, 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu.
1. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
a. Die Abtretung des Schadensersatzanspruchs durch den Geschädigten an den Kläger mittels Erklärung vom 31.10,2014 ist wirksam. Die Abtretungserklärung vom 31.10.2014 gegenüber dem hiesigen Kläger hat der ursprünglich Geschädigte Fahrzeugeigentümer abgegeben, die Beklagte hat die Eigentümerstellung des ursprünglich Geschädigten nicht in erheblicher Weise bestritten. Im Übrigen hat die Beklagte bereits vorprozessual einen Teilbetrag der Gesamtgutachterkosten, nämlich 488,00 Euro, gegenüber dem Kläger zur Zahlung angewiesen. Soweit die Beklagte hier bereits vorprozessual in die Regulierung gegenüber dem Kläger eingetreten ist, ist ihr ein [weiteres Bestreiten der Aktivlegitimation innerprozessual verwehrt. Unstreitig hat die Beklagte den überwiegenden Teil der Schadens ohne Geltendmachung der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers reguliert. Zwar können die Zahlungen ohne Abgabe weiterer Erklärungen nicht per se als deklaratori-sches Schuldanerkenntnis gewertet werden, jedoch erfolgt – gerade in Ansehung des vorprozessualen Regulierungsverhaltens – das Bestreiten der Eigentümerstellung des geschädigten Zedenten ins Blaue hinein. So hätte es der Beklagten nunmehr oblegen, substantiell und unter Bezugnahme auf konkrete Anhaltspunkte oblegen zu den nunmehr behaupteten Bedenken hinsichtlich der Eigentümerstellung näher vorzutragen. Dies ist hier nicht geschehen, das Bestreiten der Beklagten mithin unerheblich.
b. Auch sind die Abtretungserklärungen vom 01.08.2011 und 31.10.2014 nicht nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 3, 5 RDG unwirksam. Gemäß § 5 Abs. 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten, hier der Gutachtertätigkeit des Klägers, dann erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine solche erlaubte Nebenleistung gegeben ist, bestimmt sich stets nach deren Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der zu erbringenden Hauptleistung, § 5 Abs. 1 S. 2 RDG. Die hiesige klageweise Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des geschädigten Kunden des Klägers, der aufgrund eines Verkehrsunfalls ein Sachverständigengutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Sachschäden anfertigen lässt, ist eine für den Sachverständigen zulässige Nebenleistung zur Ausübung seiner Hauptleistung, die in der Anfertigung des Sachverständigengutachtens selbst besteht. Maßgeblieh für die hier getroffene Auslegung des RDG ist hierbei der Wille des Gesetzgebers selbst. Dieser hat mittels der Neufassung des RDG nachgerade die Berechtigung zur Einziehung von Kundenforderungen nicht mehr vom Eintritt des Sicherungsfalles abhängig machen wollen. Die diesbezügliche gesetzgeberische Entscheidung traf der Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der – wie hier gegeben – Fälle der Sachverständigen (vgl. BT-Drs. 623/06, S. 96 ff.). Die Haupttätigkeit des Klägers ist nämlich die Erstellung von Sachverständigengutachten. Die weitere Nebenleistung erbringt er allein im Fall der Nichtzahlung des (vollständigen) Honorars durch den Versicherer des Unfallverursachers. in der damit verbundenen Geltendmachung seines (teilweisen) Honorars ist keine umfassende Beratung des Unfallgeschädigten selbst zu sehen. Auch bestand keine Verpflichtung des Sachverständigen in erster Linie den Geschädigten selbst, seinen Kunden und Zedenten, in Anspruch zu nehmen.
c. Ferner ist die Abtretung auch nicht wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des § 398 BGB unwirksam. Die Abtretungserklärung vom 31.08.2014 entspricht jedenfalls den Bestimmtheitsanforderungen des § 398 BGB. Sie umfasst keine Mehrzahl von Forderungen des Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall und beschränkt sich konkret auf den möglichen Schadensposten der Sachverständigenkosten (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 260/10 in: NJW 2011, 2713). So weist die streitbefangene Abtretungserklärung vom 31.08.2014 im letzten Absatz den Bruttoendbetrag der gesamten Gutachterkosten in Höhe von 608,15 Euro aus. Auch der schadensursächliche Verkehrsunfall selbst ist in der Abtretungserklärung selbst mindestens bestimmbar bezeichnet. Es wurden Unfallzeitpunkt, Unfallort, Versicherungsnehmer bei der Beklagten unter Angabe der Versicherungsscheinnummer sowie im weiteren die Gutachtennummer selbst angegeben. Anhaltspunkte für eine fehlende Bestimmtheit der Abtretungserklärung sind im Übrigen nicht ersichtlich.
2. Der geltend gemachte Anspruch ist auch der Sache nach und in der geltend gemachten Höhe nicht zu beanstanden, insbesondere nicht die abgerechneten Nebenkosten und die Höhe der Grundgebühr. Die Gutachtenkosten sind mit den nachfolgenden Grundsätzen der §§ 249, 254 Abs. 2 BGB vereinbar. Diese gelten nach der Abtretung auch für die Geltendmachung durch den Sachverständigen selbst.
a. Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann grundsätzlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeug beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Verkehrsunfallgeschädigten machen würde. Gleichwohl ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies verlangt von ihm jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift vernachlässigt werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Daher ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte des Verkehrsunfalls den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Verkehrsunfallgeschädigten, insbesondere auf seine individuellen Schwierigkeiten zu nehmen. Allgemein darf sich der Verkehrsunfallgeschädigte bei der Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen aber schon damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne, weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor Marktforschung nach einem preislich günstigeren Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 in: NJW 2014, 1947 (1948); KG, Urteil vom 30.04.2014, 22 U 31/14 in: BeckRS 2015, 10435 Rn. 28).
Bei der vom Gericht sodann vorzunehmenden Schadensschätzung nach Maßgabe des § 287 ZPO bildet der in Übereinstimmung mit der Rechnung der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Aufwandes. Hierin schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 in: NJW 2014, 1947(1948); BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13 in: NJW 2014, 3151; KG, Urteil vom 30.04.2014, 22 U 31/14 in: BeckRS 2015, 10435 Rn. 29).
Hinsichtlich der Methode zur Abrechnung der Grundgebühr muss sich der Verkehrsunfallgeschädigte vom Schädiger gerade nicht auf eine bestimmte Abrechnungsmethode verweisen lassen, wie die Honorarumfrage bzw. das Gesprächsergebnis eines Sachverständigenverbandes, mithin auch nicht auf das von der Beklagten in Bezug genommene HUK-Tableau (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 in: NJW 2014, 1947 (1948 f.).
b. Die Berechnung der Grundgebühr ist auch nicht unangemessen hoch. Nur wenn der Verkehrsunfallgeschädigte erkennen kann, dass der von ihm gewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 in: NJW 2014, 1947 (1949). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich und auch durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan. Die Berechnung der hier in Ansatz gebrachten Grundgebühr in Höhe von 395,00 Euro für die Begutachtung eines Bruttoschadens in Höhe von 3.230,60 Euro stellt mit einem Prozentsatz von 12,23 % kein überhöhtes Honorar dar. Die Höhe der hier in Ansatz gebrachten Grundgebühr bewegt sich noch im Rahmen der in Berlin und Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütung.
c. Auch unterliegt die Geltendmachung von Nebenkosten neben der Grundgebühr keinen grundsätzlichen Bedenken. Zudem ist auch die Höhe der in Ansatz gebrachten Nebenkosten nicht zu beanstanden, sondern noch angemessen. Dass der Geschädigte von vornherein erkannt haben müsste, dass Nebenkosten unangemessen hoch oder gänzlich unbegründet seien, die branchenüblichen Preise als deutlich überschreiten würden, ist nicht ersichtlich. Eine willkürliche Festsetzung der Positionen oder ein offensichtliches, krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Honorar hat sich dem hier geschädigten Zedenten jedenfalls nicht aufdrängen müssen.
3. Auch ist der klageweise geltend gemachte Anspruch mit Klageeinreichung am 31.12.2014 und der noch demnächst erfolgten Zustellung 17.02.2015 nicht verjährt, §§ 167, 253, 261 ZPO, §§ 194 ff. BGB.
4. Der Zinsanspruch ist nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB begründet.
Die prozessuale Nebenentscheidung hinsichtlich der Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Berufung war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht zuzulassen.
Im Ergebnis zwar erfreulich, aber ob den wirklich in der Urteilsbegründung allein betreffend die Abtretungerklärung, hier neun (9) mal, Bezug genommen werden musste, erscheint mir des Guten zuviel. Ich denke es ginge auch erheblich kürzer die Herren Versicherungsanwälte zurecht zu weisen. Weniger wäre mehr gewesen. Aber vielleicht wird’s ja noch.
Wehpke Berlin
Alles gut und schön, nur leider hat die Richterin wieder den Begriff „Gebühren“ gebraucht, obwohl sie als junge Richterin noch nicht so lange die Universität hinter sich gelassen hat. Dort hat sie doch sicherlich gehört, dass es „Gebühren“ nur im öffentlichen Recht gibt.
Aber das ist die Saat der Schriftsätze der Versicherungsanwälte. Dort wird bewußt der falsche Begriff „Gebühren“ für die Sachverständigenkosten verwandt, um zu suggerieren, dass es einheitliche Honorsätze, eben wie bei den Gebühren, gäbe.
Dieser Begriff muss einfach, wenn es um Sachverständigenkosten geht, ausgemerzt werden.
@Werner H.
Es ist vielleicht gar nicht so schwierig, wie man meint.
Wurde die Reizvokabel „Gebühren“ benutzt. sollte doch in der Klageschrift der dezente Hinweis genügen, dass die behauptete Gebührenüberhöhung allein schon deshalb nicht zutreffen kann, weil Kfz.-Sachverständige keine Gebühren abrechnen und offenbar mit der vorsätzlichen Verwendung dieser Vokabel eine bewußte Irreführung des Gerichts für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung beabsichtigt ist mit dem Ziel, das Gericht zu einer vom BGH verbotenen Überprüfung zu motivieren, was leider immer noch in vielen Fällen gelingt.
Einen schönen Feierabend
Wildente
… wenn Ich das richtig verstehe, kann unter Verweis auf den Klagegrund Sachverständigenkosten der Widerspruch der Beklagten (Versicherung) hinsichtlich der Formulierung „Gebühren“, dann per se die Abweisung/Zurückweisung beantragt und der Klage statt gegeben werden.
Darüber hinaus lohnt es sich vielleicht je nach Fall, auch hier § 79 ZPO bei der Beschreitung des Klageweges in das Kalkül zu ziehen und den Schädiger zunehmend direkt zu verklagen.
Das Gleiche gilt für Ersatzwagenkosten, Wertminderung etc. pp.
Überall wo abtretungshalber geklagt werden kann, sollte man zumindest mal darüber nachdenken.
Der Ausblick darauf, wenn das dann zunehmend passiert, ist aus Sicht der Versicherer nicht gut.
Erfolgsmodelle sehen anders aus. Im Ergebnis beziehen die Versicherer dann nämlich Prügel im Innenverhältnis mit Ihren VN.